Studierendenzahlen 2011Über 500.000 StudienanfängerInnen – so viele wie noch nie
Die Studierendenzahlen kennen zur Zeit nur eine Richtung: Immer weiter nach oben
Auch in den nächsten Jahren ist mit weiteren Rekorden zu rechnen. Denn 2012 gibt es in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Bremen doppelte Abiturjahrgänge, 2013 schließlich im bevölkerungsreichsten Bundesland, Nordrhein-Westfalen und noch dazu in Hessen. Was danach kommt, hängt auch davon ab, wie die Studierneigung sich entwickelt. Schaut man auf andere Länder in der Welt, so ist diese in Deutschland sogar noch steigerungsfähig. Folglich wäre es eigentlich vernünftig, die Hochschulen jetzt richtig auszubauen und nicht darauf zu hoffen, dass es ab 2014 schon von alleine wieder weniger Studierende werden.
Freude einerseits, es bleibt viel zu tun andererseits
Aktuell jedenfalls sind die Hochschulen überlastet. Andreas Keller, Vorstandsmitglied der GEW für den Bereich Hochschulen, weist in einer aktuellen Pressemitteilung darauf hin, dass auf die aktuell 2,4 Millionen Studierenden gerade 41.000 HochschullehrerInnen kommen, was einem Betreuungsverhältnis von 1:58,5 entspräche. "Selbst der Wissenschaftsrat empfiehlt ein Betreuungsverhältnis von 1: 40. Statt abermals einen Studierendenberg zu untertunneln, müssen Bund und Länder jetzt für einen zügigen Ausbau der Hochschulen sorgen, der mit dem Anstieg der Studierendenzahlen Schritt hält", mahnt der GEW-Hochschulexperte weiter.
Das Deutsche Studentenwerk freut sich einerseits über die neuen Rekorde: "Die Erstsemester- und auch die Studierenden-Zahlen steigen – das ist erfreulich, das ist genau das, was Deutschland als Hochtechnologieland braucht. Wir sollten das als Chance begreifen, nicht als Last.", sagte DSW-Präsident Rolf Dobischat. Gleichzeitig mahnt er (einerseits mit Recht, andererseits natürlich auch mit einem gewissen Eigeninteresse, denn die Studentenwerke sind ja Hauptträger der "sozialen Infrastruktur"): "Die soziale Infrastruktur muss mit der Zahl der Studierenden mitwachsen können. Bund und Länder müssen jetzt handeln und die Hochschulpakte mit flankierenden Investitionen in die soziale Infrastruktur ausbauen." Er ergänzt: "Die Studentenwerke tun alles, damit die Studierenden ein Dach über dem Kopf haben, damit sie vernünftig essen können, Beratung und wenn nötig Kinderbetreuung erhalten. Aber Bund und Länder müssen jetzt ihrer sozialen Verpflichtung gegenüber den Studierenden nachkommen."
Bundesbildungsministerin Schavan blendet die Probleme weitgehend aus: "Das große Interesse am Studium ist ein ermutigendes Signal gegen den Fachkräftemangel und für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Es zeigt auch, wie attraktiv unsere Hochschulen sind.", sagt sie. Da, wo es Engpässe gebe, etwa bei Vorlesungsräumen oder bezahlbarem Wohnraum, sollten die Länder ihren Einsatz weiter verstärken. Damit macht es sich Schavan recht einfach nach dem Motto, der Bund hat doch schon alles getan, was er konnte, für den Rest sind die Länder allein verantwortlich. Ob das reicht?
Salome Adam vom studentischen Dachverband fzs sieht die Lage jedenfalls nicht so rosig wie die Bundesbildungsministerin. Die Ausfinanzierung der Hochschulen sei nicht gesichert und neben der Freude über die hohe Studierquote sollte man diejenigen nicht vergessen, die ihren (Wunsch-)Studienplatz nicht bekommen haben oder wegen mangelnder / unsicherer Studienfinanzierung sich gar nicht erst um einen Studienplatz bemüht haben.
Aussetzung der Wehrpflicht: Männeranteil deutlich gestiegen
Dass der männliche Teil der Studienberechtigten die Aussetzung der Wehrpflicht offenbar stark dazu genutzt hat, direkt ins Studium einzusteigen, zeigt sich daran, dass die Zahl der männlichen Studienanfänger mit + 23 % deutlich stärker zunahm als die der weiblichen mit "nur" + 9 %.
Das hat zur Folge, dass unter den StudieanfängerInnen nun 53,4% Männer sind (nach 50,5% im Vorjahr). 2002 war übrigens das einzige Jahr, in dem die Männer leicht in der Minderheit waren. Dadurch steigt der Männeranteil auch über alle Studierende betrachtet auf nun 52,7% (nach fast konstant 52,2% in den Vorjahren).
Im Westen deutlich, im Osten nur wenig mehr oder Stagnation
Nachdem das Saarland im letzten Jahr das Land mit der stärksten Steigerung bei der Zahl der Erstsemester aufwies (auch in Folge des doppelten Abiturjahrgangs 2009, der sich wegen damals noch bestehender Wehrpflicht teilweise erst 2010 auswirkte), konnte es dieses hohe Niveau nicht halten und verliert diesmal sogar Erstsemester. Aber eben von einem hohem Niveau kommend.
Die Bundesländer im Osten konnten dieses Jahr ihre Studienanfängerzahlen wieder etwas steigern, Thüringen als einzige Ausnahme hatte dafür im letzten Jahr ein Plus, in dem alle anderen im Osten z.T. deutliche Verluste hinnehmen mussten. Allerdings ist die Zahl der weiblichen Erstsemester weiter gesunken, nur in Mecklenburg-Vorpommern konnten sowohl mehr neue Studentinnen wie auch Studenten begrüßt werden.
Die extrem hohe Steigerung in Bayern dürfte vor allem auf den doppelten Abitur-Jahrgang zurück gehen. In Niedersachsen gab es den auch, die Auswirkungen sind aber schwächer, vielleicht sind Niedersachsen auch eher in anliegenden Bundesländer ausgewichen. Durchaus bemerkenswert ist die starke Steigerung in Nordrhein-Westfalen, dort steht ein doppelter Abiturjahrgang erst 2013 an. Möglicherweise haben die Hochschulen dort aber ihr Angebot schon vorab stärker ausgeweitet als in anderen Bundesländern, auch die Abschaffung der Studiengebühren zum aktuellen Wintersemester könnte mit dazu beigetragen haben.
Bundesland | Veränderung zum Vorjahr Studienanf. (weiblich) |
Thüringen | -0,5% (-5,4%) |
Saarland | -0,2% (-1,1%) |
Brandenburg | 0,0% (-3,9%) |
Sachsen | 3,8% (-1,8%) |
Sachsen-Anhalt | 4,1% (-2,9%) |
Berlin | 6,4% (3,3%) |
Mecklenburg-Vorpommern | 7,4% (4,2%) |
Bremen | 8,3% (-1,4%) |
Rheinland-Pfalz | 8,4% (-0,7) |
Schleswig-Holstein | 8,4% (3,7%) |
Hamburg | 10,4% (4,9%) |
Hessen | 11,1% (7,9%) |
Baden-Württemberg | 14,7% (7,0%) |
Niedersachsen | 19,0% (13,0%) |
Nordrhein-Westfalen | +22,3% (13,8%) |
Bayern | +32,4% (23,5%) |
Die wichtigsten Zahlen der letzten 16 Jahre
Wegen der doppelten Abiturjahrgänge ist die Studienanfängerquote zur Zeit nur begrenzt aussagekräftig. Gemeint ist damit ja der Anteil der Studienanfänger an der gleichaltrigen Bevölkerung. Durch die doppelten Abiturjahrgänge gibt es aktuell mehr Studienberechtigte eines Jahrgangs als sonst. Ein Großteil des Sprungs von 45,2% vom letzten Jahr auf die aktuellen 55,3% geht wohl auch darauf zurück. Bezogen auf die männliche Bevölkerung ist die Studienanfängerquote wegen des zusätzlichen Effekts der Aussetzung der Wehrpflicht besonders deutlich gestiegen: von 44,7% auf 57,3%.
Studienjahr | Studierende | AnfängerInnen | Quote1 |
1995 | 1.857.906 | 262.407 | 26,8% |
1996 | 1.838.099 | 267.469 | 28,1% |
1997 | 1.824.107 | 267.445 | 28,5% |
1998 | 1.801.233 | 272.473 | 29,2% |
1999 | 1.773.956 | 291.447 | 31,3% |
2000 | 1.799.338 | 314.956 | 33,5% |
2001 | 1.868.666 | 344.830 | 36,1% |
2002 | 1.939.233 | 358.946 | 37,1% |
2003 | 2.019.831 | 377.504 | 38,9% |
2004 | 1.963.598 | 358.870 | 37,1% |
2005 | 1.986.106 | 356.076 | 37,0% |
2006 | 1.979.445 | 344.967 | 35,7% |
2007 | 1.941.763 | 361.459 | 37,1% |
2008 | 2.025.742 | 396.800 | 40,3% |
2009 | 2.121.190 | 424.273 | 43,0% |
2010 | 2.220.270 | 444.719 | 45,2% |
20112 | 2.384,530 | 515.833 | 55,3% |
Quelle: Schnellmeldungsergebnisse der Hochschulstatistik - vorl. Ergebnisse - Wintersemester 2011/2012 (PDF- oder Excel-Datei des Statistischen Bundesamtes)
1 StudienanfängerInnequote - gemeint ist der Anteil der StudienanfängerInnen an der gleichaltrigen Bevölkerung (die Abgrenzung ist hier aber nicht gerade einfach, auch in Anbetracht von doppelten Abitur-Jahrgängen)
2 Vorläufige Ergebnisse
Quellen und mehr zum Thema
- Zahl der Erstsemester steigt im Studienjahr 2011 um 16% (Pressemitteilung Nr. 433 des Statistischen Bundesamtes vom 23.11.2011)
- Die Daten im Detail (als Excel oder PDF-Datei beim Statistischen Bundesamt downloadbar)
- GEW: "Hochschulen ausbauen statt Studierendenberg untertunneln" (Pressemitteilung, 23.11.2011)
- Neuer Rekord bei Erstsemestern: Soziale Infrastruktur muss mitwachsen! (Pressemitteilung des Deutschen Studentenwerks, 23.11.2011; als PDF)
- Neuer Rekord: 2,22 Millionen Studierende in Deutschland (Artikel von Studis Online zu den Studienanfängerzahlen 2010)