Licht und Schatten11. Studierendensurvey veröffentlicht
Von Florian Muhl
Die Studierenden haben sowohl gelobt, als auch einiges Verbesserungspotential benannt.
Am 15. März wurde die Kurzfassung des 11. Studierendensurveys an Universitäten und Fachhochschulen "Studiensituation und studentische Orientierungen" der Öffentlichkeit vorgestellt. Die ausführlichen Ergebnisse werden voraussichtlich Mitte des Jahres erscheinen. Erstellt wird die Langzeitstudie seit 1982 im Auftrag des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von der Arbeitsgruppe Hochschulforschung an der Universität Konstanz. Im Wintersemester 2009/2010 wurden 28.000 Fragebögen versandt. Insgesamt 7590 Studierende an Universitäten und Fachhochschulen beteiligten sich an der Befragung.
Inhaltliche Schwerpunkte der Kurzfassung der Erhebung sind u.a. "Anforderungen und Studierbarkeit", "Studieneffizienz und Studienbewältigung", "Studienqualität und Lehrevaluation", "Berufs- und Arbeitsmarkterwartungen" und "Entwicklung der Auslandsaktivitäten".
Die "soziale Schere" bleibt geöffnet
Das Sozialprofil der Studierenden stand zwar nicht im Mittelpunkt des Studierendensurveys. Trotzdem lassen sich auf Grundlage der erhobenen Daten einige Aussagen zur sozialen Herkunft der Studierenden treffen. Im Jahr 2010 waren an Universitäten 58% der Studierenden Kinder von Eltern mit Studienerfahrung. An Fachhochschulen betrug der Anteil 40%. Im Survey wird von einer Zunahme der "Bildungsvererbung" und "akademischen Reproduktion" gesprochen. Bei Studierenden der Medizin ist sie am Höchsten: 63% von ihnen hatten ein Elternteil mit Universitätsabschluss. (Genaueren Aufschluss über die soziale Herkunft der Studierenden gibt die 19.Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks aus dem Jahr 2010.)
Entwicklung der Studienabschlüsse
Der Anteil der Studierenden in Bachelor-Studiengängen hat im Verlauf der vergangenen Jahre immer mehr zugenommen. Waren es 2004 noch 4% an Universitäten und 5% an Fachhochschulen, befanden sich 2010 bereits 42% der Studierenden an Universitäten und 79% der Studierenden an FHs in einem Bachelor-Studium. Einen Master strebten im Wintersemester 2009/2010 an Universitäten 8% der Studierenden und 11% an Fachhochschulen an. Der Anteil der Studierenden in Diplom-Studiengängen ist von 47% an Universitäten und 92% an FHs im Jahr 2004 auf 23% an Universitäten und 19% an FHs im Jahr 2010 zurückgegangen. Die Zahl der Studierenden, die das Staatsexamen als Abschluss anstreben, ist nur leicht – von 32% (2004) auf 26% (2010) – zurückgegangen. (Vgl. 11.Studierendensurvey, S.5)
Immer mehr Studierende überlastet
Die Bachelor-Studierenden geben deutlich häufiger als Diplom- oder Magister-Studierende an, durch die Anforderungen, die in ihren Studiengängen Faktenerwerb, Arbeitsintensität und Leistungsnachweise mit sich bringen, überfordert zu sein. Studierende in Staatsexamen-Studiengängen wie z.B. Medizin geben zu gleich großen oder größeren Teilen an, durch die Anforderungen ihres Studiums überlastet zu sein. (Vgl. ebd. Tabelle 15 auf S.14) Der Druck durch Prüfungen wird von Studierenden an Universitäten und FHs gleichermaßen von über 40% als große Belastung genannt. Ein weiteres Problem, das vorrangig Bachelor-Studierende an Universitäten betrifft, ist die Reglementierung des Studiums, die sich aus der Neustrukturierung der Studiengänge ergibt: 43% der Bachelor-Studierenden an Unis geben an, "einige" oder "große" Schwierigkeiten damit zu haben. (Vgl. ebd., S.16) Infolgedessen macht sich jeder zweite Studierende Sorgen darum, das Studium überhaupt zu schaffen.
Qualität der Lehre zufriedenstellend, aber auch einige Kritik, insbesondere bei Betreuung und Beratung
Auch wenn das BMBF betont, die Studienqualität wäre weiterhin auf hohem Niveau, so zeigen die Detailergebnisse durchaus einiges Verbesserungspotential.
So finden schon im Schnitt aller Befragten nur 51% die Betreuung und Beratung im eigenen Studiengang mindestens "eher gut" (und immerhin insgesamt 25% eher schlecht oder sogar schlecht, sehr schlecht; siehe ebd., S. 30f.). Da ist noch Potential, denn den Inhalt des eigenen Studiengangs finden 72% eher gut oder gut bzw. sehr gut. Insbesondere ist die Zufriedenheit (mind. eher gut) mit Beratung/Betreuung an Universitäten mit nur 48% deutlich schlechter als an Fachhochschulen mit 64%. Besonders schlecht kommt die Beratung/Betreuung bei Studiengängen im Bereich Rechtswissenschaften an Unis weg: Nur 30% sind dort zufrieden. Aber auch bei Medizin (36%) und Wirtschaftswissenschaften (37%) sieht es ziemlich schlecht aus.
Die Überlastung durch zu viele Prüfungen ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass nur 56% der Bachelor-Studierende an Unis den Studienaufbau für eher gut oder besser halten, wohingegen mit dem Studienaufbau der Diplom-Studiengänge an Unis 69% zufrieden sind.
Erwartungen und Ansprüche an Arbeitsmärkte und Beruf
Studierende, die ein Staatsexamen anstreben, sind in Bezug auf ihre Berufschancen überwiegend zuversichtlich: 52% erwarten "kaum Schwierigkeiten" beim Berufseinstieg. Negative Erwartungen hinsichtlich des Berufsstarts bestehen am Häufigsten bei den Studierenden in Magisterstudiengängen – nur 9% der Befragten geben an, "kaum Schwierigkeiten" zu erwarten – und dort insbesondere in den Kulturwissenschaften.
Die Studierenden in universitären Bachelor-Studiengängen sind etwas pessimistischer als diejenigen in Diplomstudiengängen: 24% bzw. 31% erwarten "kaum Schwierigkeiten" beim Berufseinstieg. An Fachhochschulen ist das Verhältnis ausgewogen: 27% der Studierenden äußern dort die Erwartung, ohne Schwierigkeiten ins Berufsleben starten zu können. (Vgl. ebd. S.53)
Die Ansprüche an den zukünftigen Beruf haben sich im Laufe der letzten 10 Jahre verändert: Ein sicherer Arbeitsplatz wurde 2010 von 67% der Befragten als (sehr) wichtiger Anspruch an den Beruf genannt. 2001 waren es noch 51% gewesen. Materielle Aspekte wie ein hohes Einkommen und gute Aufstiegsmöglichkeiten wurden 2010 von ca. einem Drittel – an FHs etwas mehr als an Universitäten – als sehr wichtig bewertet. Der Anspruch, im Rahmen der späteren beruflichen Tätigkeit selbstständig Entscheidungen treffen zu können, ist seit 2001 um zehn Prozentpunkte – von 70% auf 60% – zurückgegangen. Gleichzeitig werden soziale Werte höher bewertet: etwas für das Allgemeinwohl zu tun bzw. anderen zu helfen, wird 2010 von etwa der Hälfte der Befragten als wichtig für die eigene berufliche Praxis genannt. 2001 waren es noch 40% bzw. 42%. Dabei zeigen sich jedoch unterschiedliche Akzente bei den Studierenden der verschiedenen Fächern. (Vgl. ebd. S.57)
Reaktionen und Konsequenzen
Das Deutsche Studierendenwerk unterstrich nach der Vorstellung des Studierendensurveys seine Forderung an Bund und Bundesländer, über die Hochschulpakte zusätzliche Kapazitäten insbesondere für die Psychologischen und Sozialberatungsstellen zur Verfügung zu stellen, die immer wichtiger würden. Es kann jedoch nicht beim Ausbau des Angebots von z.B. Seminaren zum Zeit- und Stressmanagement bleiben. Gleichzeitig müssen die Ursachen für diese Belastungen angegangen werden. Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) erneuert denn auch die bereits im Zuge der letzten Bildungsproteste gestellten Forderungen nach einer umgehenden Reduzierung des Konkurrenz- und Leistungsdrucks durch die engen Studienpläne und die hohe Prüfungsdichte.
Eine wichtige Erkenntnis, die in der Kurzfassung nicht ausgeführt wird, aber nach Auskunft der AG Hochschulforschung in der Langfassung des Surveys, die Mitte des Jahres erscheint, Erwähnung finden wird, ist folgende: Über 90% der Bachelor-Studierenden an Universitäten und 75% derjenigen an Fachhochschulen geben an, einen Master-Abschluss anzustreben – entweder direkt im Anschluss (67%) oder später (20%). Vor dem Hintergrund der in vielen Studiengängen extrem begrenzten Master-Kapazitäten dürfte dies zu einem nicht unerheblichen Teil mit dem erlebten Leistungsdruck zusammenhängen. Auch an dieser Stelle wäre ein Nachsteuern dringend notwendig: Die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Master-Platz steht noch immer im Raum.
Quellen und Materialien
- Studiensituation und studentische Orientierungen - 11. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen, 2011, 72 Seiten
- Homepage der AG Hochschulforschung (Uni Konstanz)
2009 war von der AG Hochschulforschung eine Studie, die den Fokus ausschließlich auf die Situation und Erfahrungen der Bachelor-Studierenden richtet, veröffentlicht worden: "Bachelor-Studierende - Erfahrungen in Studium und Lehre"