Dialogorientiertes ServiceverfahrenKein Bewerbungschaos mehr zum Wintersemester?
Der Nachfolger der ZVS, die Stiftung für Hochschulzulassung (besser bekannt unter hochschulSTART.de), wird ab April ein neues Portal online stellen, über das die Bewerbungen koordiniert werden sollen. Nach Aussage des Pressesprechers der Stiftung dürfte die Software planmäßig einsatzbereit sein. Auch wenn in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit dieser Bewerbungsplattform immer wieder von Kritik einiger Hochschulen zu hören war, sieht es inzwischen so aus, dass wahrscheinlich die meisten dabei sein werden.
Der Start der "Basisfunktionalität" (das ist der Abgleich aller Bewerbungen) ist nicht gefährdet. Streit (und darüber berichteten einige Medien) gibt es nur um einige Erweiterungen, deren Einführung erst im nächsten Jahr kommen soll. Dieses schrittweise Vorgehen dürfte aber sogar sinnvoll sein: Die Einführung eines komplett neuen Systems ist komplex genug, erst einmal wäre es gut, die Basis im Griff zu haben, Erweiterungen sind dann einfacher möglich, als wenn man alles auf einmal einführen will.
Was besser werden soll
Die Hochschulen ertranken in den letzten Jahren in Bewerbungen - weil sich die BewerberInnen teilweise an dutzenden Hochschulen bewarben. In Zukunft könnte die Bewerbungsflut zumindest eingedämmt werden.
Durch das neue System soll es möglich werden, dass die Vergabe der Studienplätze insgesamt schneller abläuft und nach Möglichkeit am Ende annähernd alle Plätze auch wirklich vergeben sind. Zusätzlich ist es für die BewerberInnen noch einige Zeit während des Auswahlverfahrens möglich, die eigene Wunsch-Rangfolge zu verändern – das dürfte so manchen Studienplatztausch unnötig machen.
Im Gegensatz zum dezentralen Verfahren, wo die Bewerbungen jeweils von der Hochschule vollständig bearbeitet werden, weiss das System immer, wer schon einen Studienplatz angenommen hat und kann diesen Bewerber aus den Listen der Hochschulen streichen, an denen er sich auch beworben hatte. Beim dezentralen Verfahren dagegen mussten die Hochschulen immer ihre Frist abwarten, bis sie definitiv wussten, wer zugesagt hat.
Das dialogorientierte Serviceverfahren
Beim neuen Verfahren ist wie bisher eine Bewerbung für das Wintersemester bis 15. Juli notwendig (für einzelne Fächer kann es ausnahmsweise einen früheren Anmeldeschluss geben!). Die Anmeldung erfolgt entweder direkt bei hochschulSTART.de oder (auch) bei der Hochschule, die das jeweilige Fach anbietet (evt. ist letzteres zwingend erforderlich; trotzdem werden die Daten bei teilnehmenden Hochschulen an hochschulSTART.de weitergeleitet). Je nach individuellem Verfahren der Hochschule müssen evt. noch Unterlagen an die Hochschule gesendet werden, damit man tatsächlich eine gültige Bewerbung abgegeben hat.
Nach Bewerbungsschluss kommt es zunächst zur Koordinierungsphase 1 (bis 15.08.). In dieser prüfen die Hochschulen die eingegangenen Bewerbungen und ordnen sie in einer Rangliste an. Sobald die Rangliste für ein Studiengang an einer Hochschule festliegt, können die BewerberInnen sehen, ob sie eine direkte Zusage erhalten würden und können diese auch direkt annehmen. Wer annimmt, für den ist das Verfahren direkt abgeschlossen. Alle weiteren Bewerbungen dieses Bewerbers verfallen (und die Ranglisten, auf denen der Bewerber noch vorkam, werden angepasst).
In der zweiten Phase (Entscheidungsphase, 16.-18.08.) müssen die BewerberInnen endgültig festlegen, welche Prioritäten ihre Bewerbungen haben. Nötig ist das dann, wenn die Reihenfolge anders sein soll, als es der Reihenfolge der Bewerbungen entspricht. Denn wenn keine eigene Reihenfolge festgelegt wird, ergibt sich die Priorität aus dem Zeitpunkt der Bewerbung. Die früheste Bewerbung ist dann als die bevorzugte festgelegt.
Dann kommt es zur Koordinierungsphase 2 (3* 3 Tage, bis 27.08.). In dieser Zeit wird nur noch der höchstmöglich erfüllbare Wunsch angezeigt. Wünsche, die laut eigener Rangfolge weiter hinten liegen, werden für andere BewerberInnen freigegeben. Falls noch nicht der erste Wunsch erfüllt werden kann, hat man die Wahl, ob man trotzdem gleich annimmt oder ob man noch abwartet. Sofern andere ihr Angebot schon nutzen, kann in der nächsten 3-Tage-Periode sogar noch ein besserer Wunsch erfüllt werden (der dann das "schlechtere" ersetzt, was wiederum jemanden anderen angeboten wird).
Die Studienplätze, die nach diesen Phasen nicht vergeben wurden, werden schließlich in einer abschließenden Clearingphase an InteressentInnen verlost. Hier können auch noch Interessierte teilnehmen, die den Bewerbungsschluss für das reguläre Verfahren (in der Regel 15. Juli) verpasst haben. Auch die TeilnehmerInnen des regulären Verfahrens müssen dann explizit angeben, am Clearingverfahren teilnehmen zu wollen und dafür eine Priorisierung angeben.
Es besteht Hoffnung – jedenfalls für das Wintersemester 2011/2012
Das dialogorientierte Verfahren kann das Bewerbungschaos der letzten Jahre (siehe z.B. unseren Artikel Nichts als Ärger von 2008; 2009 und 2010 war es nur geringfügig besser) nur dann wirksam verhindern, wenn die meisten zulassungsbeschränkten Studiengänge auch tatsächlich daran teilnehmen. Nur dann bringt ja der Abgleich etwas. Nehmen viele Hochschulen nicht teil, ist wie bisher unklar, wie viele Mehrfachbewerbungen jeweils am Start sind und wie viele derer, denen ein Platz angeboten wird, ihn überhaupt annehmen werden.
Die Teilnahme der einzelnen Hochschulen (genauer gesagt der einzelnen zulassungsbeschränkten Studiengänge) am dialogorientierten Serviceverfahren ist freiwillig. In einigen Bundesländern gibt es einen mehr oder weniger großen Druck für die Hochschulen, sich auch tatsächlich zu beteiligen (so bspw. in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern). In anderen steht es den Hochschulen vollkommen frei.
Was dafür spricht, dass sich zum Start wirklich viele beteiligen werden, ist die Tatsache, dass die Teilnahme zumindest 2011 für die Hochschulen kostenfrei möglich ist. Durch die Anschubfinanzierung des Bundes (u.a. auch für die Entwicklung der Software) ist das noch gedeckt. Auch die Tatsache, dass die Hochschulen mit besonders vielen Bewerbungen rechnen müssen (doppelte Abi-Jahrgänge in Bayern und Niedersachsen, dazu noch die Aussetzung der Wehrpflicht), könnte die Motivation erhöhen, am zentralen Verfahren teilzunehmen.
Ob eine ausreichende Beteiligung tatsächlich erreicht wird, um die Vorteile des zentralen Abgleichs nutzen zu können, wird man aller Voraussicht Ende März wissen. Bis dahin müssen die Hochschulen mit hochschulSTART.de Verträge geschlossen haben. Ab Anfang April können zunächst die Hochschulen das System nutzen, um die Angaben zu ihren beteiligten Studiengängen ein zu pflegen. Mitte April wird das Portal dann für die BewerberInnen geöffnet sein.
Weitere Zukunft steht noch in den Sternen
Schwieriger könnte es in den folgenden Jahren werden, denn wer genau dann die Kosten tragen muss, ist noch umstritten. Zusätzlich will hochschulSTART.de dann den Hochschulen noch weitere Services anbieten, die den BewerberInnen das Verfahren weiter vereinfachen würden (insbesondere, wenn alle Hochschulen sich daran beteiligen). Aber auch dafür werden Kosten anfallen.
Betrachtet man sich das lange andauernde Ringen zwischen Bund und Ländern um die BAföG-Erhöhung, aber auch die finanzielle Lage der Hochschulen, so ist es noch offen, wie es nach dem Start weitergehen wird. Man kann nur hoffen, dass eine Lösung gefunden wird, die die Beteiligung der Hochschulen nicht schrumpfen lässt.
Quellen und mehr Hintergrund-Artikel
- Das dialogorientierte Serviceverfahren (ausführliche Darstellung bei hochschulSTART.de)
- Recht auf Studium bald abgeschafft?: Beschränkungen beim Studienzugang nehmen zu (07.12.2010; hier geht es zwar nicht um hochschulSTART.de, aber um die Problematik der zunehmenden Zugangsbeschränkungen. Würde es ausreichend Studienplätze für alle geben oder zumindest nicht flächendeckend so wenige wie aktuell, wäre das dialogorientierte Serviceverfahren gar nicht nötig)
- Eine Lösung, die fast keine ist: Durchbruch bei Zulassungsverfahren? (03.03.2009; damals wurde das nun kommende Verfahren erstmals angekündigt und für die Zwischenzeit eine Übergangslösung - die aber kaum Hilfe brachte; daher auch die negative Überschrift des Artikels)
- Nichts als Ärger: Zulassungsverfahren und ihre Tücken (18.08.2008; auch 2009 und 2010 hätte man ähnliche Artikel schreiben können)