Wissenschaftliche Texte besser verstehenDas Textverständnis erhöhen
Von Sabine Grotehusmann
1. Kurz + knapp
Wissenschaftliches Lesen lässt sich in fünf Schritte aufteilen. Wenn du einen wissenschaftlichen Text liest, musst du das Geschriebene nachvollziehen, verstehen, behalten, wiedergeben und kritisch hinterfragen. Du musst dich also mit dem Text auseinandersetzen.
Lesen wird oft als passiver Prozess gesehen. Beim wissenschaftlichen Lesen, musst du jedoch aktiv dabei sein. Um dies zu erleichtern, hilft es, einen Dialog mit dem Text aufzubauen. Schreibe dir Notizen zum Text an den Rand, damit du kurze Notizen leichter zuordnen kannst. Textpassagen oder -stellen markieren hilft ebenfalls dabei. Einen Text mehrmals zu lesen ist ein weiterer wichtiger Punkt. Dadurch wird es dir auch mit den Markierungen einfacher fallen, wenn du den Text schon ein Mal gelesen oder überflogen hast. Dadurch kannst du auch deine Motivation für den Text steigern.
Nein. Beim Lesen von einem neuen Text solltest du die Frage-Methode nicht verwenden. Fragen an den Text zu stellen eignet sich erst als Mittel, wenn du dich mit der Thematik bereits gut auskennst. Wenn dem nicht so ist, wird es nur frustrierend für dich. Wenn du dich schon einmal mit dem Text auseinandergesetzt hast, dann bringt dir die Frage-Methode viel mehr und bereitet dein Hirn auf die Aufnahme von neuen Informationen vor.
2. Was ist wissenschaftliches Lesen?
Der Prozess des wissenschaftlichen Lesens lässt sich in fünf Schritte unterteilen. Es geht darum, die Gedanken des Autors
nachzuvollziehen
zu verstehen
zu behalten
wiederzugeben
kritisch zu hinterfragen
Um diese fünf Schritte erfolgreich zu gehen, ist es notwendig sich mit dem Text gedanklich auseinanderzusetzen.
3. Wissenschaftliches Lesen ist ein aktiver gedanklicher Prozess
Hier liegt der Knackpunkt. Oft wird Lesen als passiver Prozess verstanden und so auch ausgeführt. Doch wer passiv liest und nur die Schrift aufnimmt, der wird den Text weder verstehen, noch behalten und schon gar nicht mit eigenen Worten wiedergeben können. Jeder hat schon passive Leser in der Bibliothek gesehen: Sie setzen sich wach an den Tisch, schlagen das Buch auf und werden nach kurzer Zeit unglaublich müde. Der Kopf fällt auf die Brust und sie schlafen über ihrem Buch ein. Wie kann das Lesen aktiv und lebendig gestaltet werden?
Tritt mit dem Text in einen Dialog! Und hab nicht zu viel Respekt vor ihm!
Mit dem Text in einen Dialog zu treten bedeutet, dass die Leser am Rand notieren, was Ihnen dazu einfällt, sie entgegnen etwas, pflichten einigen Argumenten bei, ergänzen weitere Beispiele und notieren auch einmal ein verärgertes „So ein Quatsch“ oder „Drück dich mal klarer aus!“. Dadurch bleibt die Konzentration hoch, die Gedanken des Autors werden nachvollzogen und – was besonders wichtig für das Behalten ist – mit dem eigenen Wissen zum Thema verknüpft. Außerdem können auch Emotionen wie Ärger über unverständliche Formulierungen abgeladen werden. Unwichtige Stellen oder unnötige Wiederholungen sollten durchgestrichen werden. Das kann befreiend wirken.
Die Bedeutung der Randnotizen und Markierungszeichen wird oft verkannt
Gerade Randnotizen und Markierungszeichen bringen den Verstehensprozess voran. Auch zum Behalten sind sie wertvoll, da nach der Lektüre mittels der Randnotizen die Argumentationsstruktur oder die neuen Informationen noch einmal nachvollzogen werden können. Das eigene, individuelle Markierungssystem sollte auf die Persönlichkeit und das Fachgebiet abgestimmt sein.
4. Übung: Markierungszeichen
Suche dir deshalb aus der folgenden Liste zwölf Begriffe heraus, die für deine Texte wichtig sein könnten oder notiere eigene Anmerkungen. Entwerfe dann passende Markierungszeichen dazu!
Begriffe, für die Markierungszeichen sinnvoll sein können:
wichtig
unklar / unverständlich / fraglich
Grund / Ursache
Folge / Konsequenz
Forderung
Ergebnis / Fazit
Widerspruch
Wiederholung
These
Definition
Erläuterung, Erklärung
Beispiel
Gegenargument / Gegenüberstellung
Bewertung / Kritik
Ausblick / Prognose / Vision
Mein Verweis auf anderen Text / Wissenschaftler
Meine Assoziationen dazu
Übe an zwei Texten noch heute die Markierung mit deinen persönlichen Zeichen. Mit der Zeit wirst du immer neue Zeichen entwickeln und einige ändern.
In Frankreich, wo die Studenten die Vorlesungen im Grundstudium fast wörtlich mitschreiben und auswendig lernen, hat übrigens jeder Student ein ausgeklügeltes Kürzelsystem! Frage französische Kommilitonen danach!
5. Aktives Lesen bedeutet auch, Wichtiges zu unterstreichen – Aber: Vorsicht!
Der häufigste Fehler besteht darin, dass zu viel unterstrichen wird. Der Grund liegt auf der Hand. Erst aus dem Gesamttext wird oft klar, welche Stellen besonders wichtig sind. Deshalb gibt es zwei verschiedene Arten, wie du sinnvoll und sparsam unterstreichen kannst:
Bei wenig Vorwissen (zu Beginn der Lernphase) solltest du mit dem Bleistift die wichtigen Passagen markieren und beim zweiten Lesen die Schlüsselwörter mit dem Textmarker anstreichen. Oder du überfliegst den Text erst einmal und markierst beim zweiten Lesen das Wesentliche.
Bei viel Vorwissen ist auch sofortiges Markieren mit Textmarker möglich, da die Leser wissen, wonach sie suchen und die Bedeutung von neuen Informationen gut beurteilen können.
Sabine Grotehusmann (Köln) arbeitet als Autorin, Studienrätin und Trainerin mit den Schwerpunkten: Lernen und Kreativität.
www.derpruefungserfolg.de
Ein konkretes Leseziel zu formulieren ist Unsinn.
In allen Ratgebern zum Thema Lesen wird empfohlen, vor dem Lesen Fragen an den Text zu stellen und diese während des Lesens zu beantworten. Dieser Ratschlag hilft nur den wenigsten Lesern. Gerade zu Beginn einer Lernphase kann diese Methode eher frustrieren, wenn einem keine Fragen einfallen oder zu den Fragen, die man gestellt hat, im Text keine Antworten gegeben werden. Die Frage-Methode ist erst geeignet, wenn man sich in einem Thema gut auskennt und noch einzelne Beispiele, Argumente oder anderes Spezialwissen sucht.
Warum wird die Frage-Technik dennoch überall empfohlen?
Dahinter steckt ein guter Ansatz. Das Gehirn soll durch die Fragen auf die Aufnahme neuer Informationen vorbereitet werden. Da unser Gehirn in der Regel Neues erst einmal ablehnt, besteht der Trick darin, bereits vorhandenes Wissen zu diesem Thema zu aktivieren. Daran können die neuen Informationen dann leicht angeknüpft werden. Außerdem führt eine konkrete Aufgabe beim Lesen nachweislich zu erhöhter Konzentration. Es verhindert, dass die Gedanken abschweifen.
Fragen zu stellen ist jedoch nicht die optimale Methode, da im Text sicherlich viele Informationen enthalten sind, die der Leser noch nicht kennt. Sinnvoller wäre es, ein Brainstorming oder eine ABC-Liste zum Thema des Textes anzulegen, um das eigene Wissensnetz im Gehirn zu aktivieren.
6. Vier Tipps als schnelle Hilfe!
Wie kannst du dich noch besser zum Lesen motivieren?
Verschaffe dir den Überblick über die zu lesenden Texte möglichst einen Tag vor Lesebeginn!
Lege den als erstes zu lesenden Text am Abend vorher auf den Arbeitsplatz, dazu Textmarker und Bleistift. Das Buch sollte an der richtigen Stelle aufgeschlagen sein oder der kopierte Text richtig sortiert ganz oben liegen.
Lege dir ein Blatt für Fragen bereit. Farbiges Papier eignet sich gut, da man das dann schnell zwischen den Papieren wiederfindet. Notiere beim Lesen alle Punkte darauf, die dir unklar sind. Vieles davon wird sich beim Lesen klären. Den Rest muss man aus anderen Büchern oder von Kommilitonen, Tutoren oder Dozenten erfahren. Das verhindert, dass du beim Lesen ein ungutes Gefühl hast oder dich an einigen Stellen zu lange aufhältstt.
Wissenschaftliche Hilfsmittel sind unabdingbar! Sieh zu, dass du beim Lesen Fachbegriffe- und Fremdwörterlexika zu Hand habt! Zu viele unbekannte Wörter verhindern das Verständnis!
Artikelreihe Lerntechniken auf Studis Online
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