PrüfungsrechtAbbruch oder Rücktritt von einer Prüfung
Wer sich für eine Prüfung im Studium angemeldet hat, muss diese auch schreiben. Muss? Naja – zwingen tut dich niemand. Aber es ist sehr ratsam, an der Prüfung teil zu nehmen, weil du ansonsten durchfällst. Und in der Regel hast du nur zwei bis drei Versuche bevor eine drakonische Zwangsexmatrikulation als Worst Case folgen könnte.
Bevor wir dich mit Infos überschütten noch drei wichtige Disclaimer:
Zum einen kennen wir nicht deine individuelle Situation, noch deine Studien- bzw. Prüfungsordnung. Auch wissen wir nicht, ob die Ordnungen auch rechtens sind, was auch der Fall sein kann. Deswegen musst du unbedingt deine eigene Studienordnung prüfen. Und du kannst dich auch an deine Fachschaft oder die Rechtsberatung der studentischen Vertretung wenden.
Wenn du einen starken Verdacht hast, dass die:der Prüfer:in ungerechtfertigte Entscheidungen trifft, kannst du dich an dein:e Pro- bzw. Studiendekan:in wenden. Vielleicht kann so auch vermittelt werden. Im Zweifelsfall kannst du einen Widerspruch beim zuständigen Prüfungsausschuss einlegen.
Recht haben heißt nicht immer Recht bekommen. Das heißt, du benötigst im Zweifelsfall Beweise, wie beispielsweise ein Attest. Andererseits kannst du theoretisch jede Benotung vor jedes Gericht und vor jede Instanz bringen. Aber dieser Weg kann sehr mühsam sein – und sehr viel deiner wertvollen Zeit fressen.
Dieser Artikel ist in drei Hauptabschnitte unterteilt:
1. Rücktritt von der Prüfung
Du bist für eine Modulprüfung angemeldet? Und möchtest zurücktreten?
a) Am einfachsten: Rücktritt ohne Angabe von Gründen
Prüfe in deiner Studien- oder Prüfungsordnung, ob und bis wann du auch ohne Angabe von Gründen von der Prüfung zurücktreten kannst. Schaue auch nach, wie du dich abmelden musst. Diese Variante ist meist wesentlich einfacher als ein Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen.
b) Oft komplizierter: Rücktritt bei Krankheit
Wenn du krank bist, kannst du in der Regel auch kurzfristiger von der Prüfung zurücktreten. Dies musst du beim Prüfungsamt beantragen.
Es gibt hier jedoch sehr wichtige Punkte bzw. Einschränkungen:
Es kann sein, dass du mit der Kenntnis von deiner Prüfungsunfähigkeit – also mit Beginn der Erkrankung – unverzüglich (!) den Antrag stellen musst. Selbst ein Tag später kann schon zu spät sein.
Entweder benötigst du ein aussagekräftiges ärztlichen Attest – unter Umständen sogar ein amtsärztliches. Es kann sein, dass deine Hochschule ein Formular bereithält, welches deine Ärztin bzw. dein Arzt bestätigen muss. Wenn es ein solches Formular nicht gibt, urteilt das zuständige Prüfungsamt über deine Prüfungs(un)fähigkeit auf Grundlage eines Attests.
Der Anwalt Achelpöhler weist darauf hin, dass oft erst die Aussagekraft eines Attests angezweifelt wird, wenn bereits öfters von der Prüfung zurückgetreten wurde. Auf Nummer sicher geht, wer die im folgenden Akkordeon genannten Kriterien berücksichtigt.
Das Attest muss die Krankheit benennen und darüber Auskunft geben, wie diese deine Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Es muss dokumentiert werden, wie die Diagnose getroffen wurde und wie die Erkrankung die Prüfung beeinträchtigt.
Des weiteren: „Mitzuteilen sind dabei die ärztlichen Erkenntnisgrundlagen, insbesondere Angaben darüber, seit wann und wie häufig der Patient sich in ärztlicher Behandlung befunden hat, welche Art von Befunderhebung stattgefunden hat, ob die den Patient*innen geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, der Behandlungsbedürftigkeit, dem bisherigen Behandlungsverlauf geben. Eine nähere Beschreibung der Beeinträchtigung und deren Auswirkung kann nur ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn bereits aufgrund der mitgeteilten Diagnose einer akuten Krankheit die Prüfungsunfähigkeit offensichtlich ist. Die Notwendigkeit der Angabe von Befundtatsachen folgt nach der Rechtsprechung bereits aus der Nachweisfunktion des ärztlichen Attestes. Zur Erfüllung der Nachweisfunktion reicht es daher nicht, wenn sich ein Attest allgemein auf die Angabe der Arbeits- und Prüfungsunfähigkeit beschränkt. Genügt ein Attest diesen Anforderungen nicht, geht dies zu Lasten der Studierenden. (OVG NRW Urteil vom 29.01.2020, Az. 19 A 3028/15 Rnr. 46.)“ (Quelle: Achelpöhler, 2024, S. 8)
Der Zeitpunkt: Noch komplizierter wird es, wenn du während der Prüfung aus Krankheitsgründen abbrichst oder nachträglich eine Prüfungsunfähigkeit geltend machen möchtest. Springe in den zweiten Abschnitt, wenn du mehr Infos brauchst.
Auch wenn es unfair klingt: Eventuelle „Dauerleiden“, wie chronische oder psychische Erkrankungen, welche bereits offenkundig sind, können in der Regel nicht angeführt werden.
Des weiteren gilt in der Regel, dass nur Erkrankungen die Prüfungsfähigkeit offiziell beeinträchtigen, wenn sie erheblich sind.
Den Prüfungsrücktritt musst du selbst erklären. Nicht deine friends, Kommiliton:innen oder Nachbarn – selbst auch nicht deine Eltern!
2. Prüfung abbrechen
a) Abbruch wegen plötzlicher Prüfungsunfähigkeit
Wer während der Prüfung merkt, dass sich der gesundheitliche Zustand verschlechtert und sich nicht prüfungsfähig fühlt, kann diese theoretisch (!) abbrechen. Hier gelten je nach Hochschule ebenfalls Fristen und Vorgaben, welche du in deiner zuständigen Prüfungsordnung recherchieren musst.
Wie so eine Regelung etwas beispielhaft aussehen kann, zeigt hier der Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der FU Berlin:
„Wenn Sie sich während einer Prüfung aus Krankheitsgründen nicht mehr in der Lage fühlen, die Prüfung zu beenden und diese abbrechen, müssen Sie den nachträglichen Wegfall der Prüfungsfähigkeit nachweisen. Dazu müssen Sie dem Prüfungsbüro innerhalb von drei Werktagen (inkl. Klausurtag und Samstage) eine schriftliche Stellungnahme und ein ausführliches ärztliches Gutachten zusenden. Das Gutachten muss den Krankheitsverlauf, die Symptome und deren plötzliches Auftreten während der Prüfung eindeutig erklären.“
(Quelle, aufgerufen am 01.07.2024)
Die Hürden für das Attest sind schon beim Rücktritt vor der Prüfung hoch. Aber nun sind sie noch höher, weil du nachweisen musst, dass dir deine Prüfungsunfähigkeit nicht vor Antritt bekannt war.
b) Nachträglicher Prüfungsrücktritt
Der Rechtsanwalt Achelpöhler geht davon aus, dass es nahezu ausgeschlossen ist, wenn jemand nach Vollendung der Prüfung von dieser nachträglich aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten möchte:
„Die Rechtsprechung geht davon aus, wenn ein Prüfling in Kenntnis seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung die Prüfung angetreten hat, nachträglich nicht mehr von der Prüfung zurücktreten kann.“ (Quelle: Achelpöhler, 2024, S. 19f.)
Somit wären nur Szenarien begründbar, wenn den Geprüften die Prüfungsunfähigkeit nicht bekannt gewesen sei.
Wer auf das Ergebnis der Prüfung wartet, um danach anschließend einen Prüfungsrücktritt beantragt, dessen ärztliches Gutachten wird wahrscheinlich noch kritischer beäugt.
c) Wegen unzumutbaren Prüfungsbedingungen einen Rücktritt erklären
Dir läuft während der Prüfung der Schweiß von der Stirn – nicht wegen der Aufgaben sondern weil der Hörsaal fast so heiß wie ein Backofen ist? Oder kannst du deinen eigenen Gedanken nicht lauschen – weil direkt neber dir eine Baustelle ist? Die Aufgaben auf den Klausurbögen sind wegen einem Kopierpatzer kaum leserlich, unvollständig oder fehlerhaft?
Wenn du der Meinung bist, dass die Prüfungsbedingungen unzumutbar sind, solltest du eines auf keinen Fall machen: Warten, bis das Ergebnis da ist.
Stattdessen solltest du umgehend die Prüfer:innen darüber informieren – mit dem Wunsch, dass dein Einspruch ins Prüfungsprotokoll aufgenommen wird. Zudem müsste die Hochschule für Maßnahmen der Abhilfe sorgen oder einen Ausgleich anbieten.
Wenn dies nicht stattfindet oder der Ausgleich als unzureichend gesehen wird, kannst du eine Rüge beim Prüfungsamt einreichen. Die Hoffnung, dass eine solche Rüge eine bessere Bewertung ergibt, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Es ist häufiger der Fall, dass Prüfungen wegen unzumutbarer Bedingungen, welche eine Chancengleichheit der Prüflingen verletzt, wiederholt werden.
Verbunden mit einer Rüge musst du dich entscheiden, ob du von der Prüfung zurück treten möchtest. Wenn du das möchtest und der genannte Prüfungsmangel als triftig anerkannt wird, kannst du die Prüfung wiederholen. Auf keinen Fall solltest du auf das Prüfungsergebnis warten und dich erst dann darauf berufen, dass es während der Prüfung zu warm oder zu laut war.
Exkurs: Befangenheit der Prüfer
Solltest du erst in der Prüfung bemerken, dass ein Prüfer befangen ist, wie bspw. durch einen abwertenden Kommentar („Geben Sie doch gleich auf...“): Es wird nicht von dir verlangt, dass du diese Befangenheit sofort rügst, immerhin bist du in einer angespannten Prüfungssituation. Je nach Prüfungsordnung gibt es Fristen, bis wann Verfahrensrügen gemacht werden können.
Ebenfalls kann es sein, dass du erst nach einer Prüfung von einer Befangenheit erfährst, welche du rügen kannst.
Aber Achtung: Solltest du vor Prüfungsantritt nachvollziehbare Sorgen und belastbare Anzeichen haben, dass eine Befangenheit vorliegt, musst du dies unverzüglich rügen – ähnlich wie beim bereits besprochenen Thema Erkrankung. Gründe erst im Nachhinein anführen hat nicht nur das Geschmäckle, du wolltest erst schauen, wie deine Note ausfällt – sondern auch deutlich schlechtere Karten für deine Argumentation beim Prüfungsausschuss. (vgl. studienscheiss.de)
3. Härtefallantrag als Lösung?
Ein Härtefallantrag kommt für dich überhaupt nur theoretisch infrage, wenn deine Prüfungsordnung diesen beinhaltet – und das ist leider nur an sehr wenigen Hochschulen der Fall.
Leider gibt es dann meist auch viele Hürden: Die Härtefallantrag greift erst „dann ein, wenn davon auszugehen ist, dass die bisherigen Prüfungsversuche keinen hinreichenden Aufschluss über die Eignung des Prüflings gegeben hat.“ (Achimpöhler S. 20) Schönes Jura-Deutsch, oder? Wir versuchen das mal zu übersetzen:
Das Prüfungsergebnis war nahe an der Bestehens-Grenze und es ist im Bereich des Denkbaren, dass eine Wiederholung zu einem Bestehen führen könnte. Noch eindeutiger wäre es, wenn im Lauf der Wiederholungsversuche diese sich verbessert haben.
In der Regel ist es so, dass für einen Härtefall keine Erkrankungen anerkannt werden, welche durch die Regeln eines unverzüglichen (!) Rücktritts der Prüfung durch Krankheit abgedeckt sind (siehe oben). Im Gegensatz dazu stellst du den Härtefallantrag erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses innerhalb der erforderlichen Frist.
Als Gründe können Umstände angeführt werden, welche dein Leistungsvermögen vorübergehend einschränkt, wie eine persönliche Krise, ein Trauerfall in der Familie oder ähnliches.
Zu guter letzt nochmals der Rat
Dass ein Antrag aufgrund von Erkrankung oder Härtfall sofort durchkommt, ist natürlich nie gewiss. Deswegen solltest du dies nie als reguläre Lösung deiner Probleme betrachten sondern nur als Notlösung.
Und je häufiger du Anträge beim Prüfungsamt stellst, desto kritischer werden nachfolgende beäugt.
Auch nicht vergessen: Du fühlst dich für eine Klausur schlecht vorbereitet? Oder du hast einen dollen Unfall und es ist noch lange hin zur Klausur? Prüfe in deiner Prüfungsordnung, ob und bis wann du dich stressfrei ohne Atteste und Begründung abmelden kannst!
Viel Erfolg für deine nächste Klausur!
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