Verkaufe deinen Prüfern eine Rolex!Mündliche Prüfungen im Studium
Auf die inhaltliche und mentale Vorbereitung kommt es an!
Der Termin einer mündlichen Prüfung nähert sich – und das flaue Gefühl im Magen wird mit jedem Tag immer größer? Kein Problem, wenn du dich darauf vorbereitest: Um auf die Fragen in der Prüfung antworten zu können, ist ausreichend Lernen unabdingbar – Tipps hierzu findest du in unserer großen Artikelreihe Lerntipps.
Daneben ist es ebenfalls hilfreich, wenn du dich vorab mental mit dem Setting der Prüfung auseinandersetzt. Eine mündliche Prüfung kann für manche durch den direkten Kontakt mit den DozentInnen eine sehr herausfordernde Situation darstellen, während andere mit schriftlichen Klausuren auf Kriegsfuß stehen. Je nach dem, welcher Prüfungstyp du bist, gilt es einen individuellen Umgang heraus zu arbeiten. Die Prüfungscoachin Sabine Grotehusmann schlägt vor, sich die Begegnung als Verkaufsgespräch vorzustellen.
Eine mündliche Prüfung ist ein Verkaufsgespräch. Die Ware, die angeboten wird, ist das Prüfungswissen. Es geht folglich darum, das eigene Wissen möglichst überzeugend darzustellen. Die Prüfer sollen den Eindruck bekommen, dass die Ware solide ist und von hoher Qualität. Wenn sie das Wissen entgegennehmen, sollten sie ein gutes Gefühl haben, wie beim Einkauf eines Qualitätsproduktes.
Kleinere Mängel gilt es bei einer Prüfung – wie bei einem Verkaufsgespräch – zu übergehen. Kein Verkäufer wird von sich aus auf die Schwachstellen seines Produktes hinweisen!
Leichter fällt die mündliche Prüfung, wenn man sie als ein Rollenspiel versteht. Der Prüfling übernimmt dabei die Rolle des Verkäufers, selbst wenn er kein Verkäufertyp ist. Der erste Schritt des Rollenspiels ist die Vorbereitung. Es gilt, sich über die Rahmenbedingungen zu informieren.
sabine-grotehusmann (Köln) arbeitet als Autorin, Studienrätin und Trainerin mit den Schwerpunkten: Lernen und Kreativität.
www.derpruefungserfolg.de
Informationen zur Prüfung und ihrem Ablauf einholen
Um dich gut vorzubereiten, hole mithilfe der folgenden Checkliste zunächst möglichst viele prüfungsrelevanten Informationen ein.
Allgemeines zur Prüfung
Prüfungsort, -raum (falls online: Plattform und Zugangsdaten)
Prüfungsbeginn (Wann muss ich spätestens von zuhause losgehen?)
Prüfungsdauer
Zeitvorgabe für die einzelnen Prüfungsteile und deren Gewichtung
Vorbereitungszeit
Erlaubte Hilfsmittel (Gesetzestexte, Wörterbuch, Taschenrechner, Stifte…)
Anzahl der Prüfer, davon frageberechtigte Personen
Die Wellenlänge Deiner Prüfer
Spezialgebiete und Lieblingsthemen der Prüfer
Gibt es einen (ungeschriebenen) Dresscode?
Haben die Prüfer Humor?
Der Prüfungsverlauf
Nimm vorher als Gast an anderen Prüfungen teil (Das ist oft erlaubt, jedoch vielen Studierenden unbekannt).
Wird ein Kurzvortrag gewünscht?
Ist die Prüfung als Gespräch angelegt?
Wird mehr Detail- oder Überblickswissen abgefragt?
Welche Fragen wurden ehemaligen Prüflingen gestellt? (Besorge dir Prüfungsprotokolle oder nehme Kontakt mit ehemaligen (erfolgreichen) Prüflingen auf.)
Der Prüfungsinhalt: Antworten antizipieren
Der wichtigste Punkt ist natürlich die inhaltliche Vorbereitung. Die geht am leichtesten, wenn man weiß, wonach gefragt wird. Versuche, die Antworten zu antizipieren. Auch wenn du die genauen Fragen nicht kennst, kannst du die Antworten gut vorbereiten. Der gute Verkäufer kennt auch nicht die Fragen seiner Kunden. Er kennt jedoch alle Eigenschaften und Vorzüge seines Produktes. Er weiß genau, was er dem Kunden erzählen wird!
Kenne die wichtigsten Teilbereiche deiner Fachgebiete!
Verinnerliche die dazugehörigen Schlüsselbegriffe und Fachvokabeln!
Beherrsche die Namen der wichtigsten VertreterInnen des Fachgebietes! (Bei ausländischen Namen vergewissere dich vorher, wie man sie ausspricht. Das verleiht dir Souveränität und Sicherheit).
Sammle gute Beispiele! (Ein gutes Beispiel zeichnet sich dadurch aus, dass es zu 100% auf den dargestellten Sachverhalt passt. Gute Beispiele sind einfach und klar. Standardbeispiele aus Lehrbüchern eignen sich meistens sehr gut. Übernehme sie und versuche nicht, dir kreative Beispiele auszudenken. Deine Kreativität kannst du zum Beispiel bei der Bewertung von Theorien einsetzen. Prüfer knüpfen an Beispiele übrigens gern weitere Fragen. Sollte dein Beispiel nicht genau passen, könnten sie dich auf dem falschen Fuß erwischen!)
Überlege dir, wo es Verknüpfungspunkte zwischen den einzelnen Teilbereichen gibt!
Verdeutliche dir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Theorien!
Wo liegen Schwachstellen bei den Theorien? Wie ist deine eigene Position?
Das Prüfungsgespräch:
Verkaufe deinen Prüfern eine Rolex
Verkaufe das richtige Modell ;)
Versuche die Kommission von deinem Wissen zu begeistern. Je nachdem, welche Note du anstrebst, verkaufe deinen Prüfern eine Rolex – oder halt 'ne Swatch ... 😅. Gerade wenn du kein geborener Verkäufer bist, mache dir bewusst, dass du nicht deine Person verkaufen willst, sondern dein Wissen. In vielen Ratgebern steht, dass es in der mündlichen Prüfung um Selbstdarstellung geht. Das ist nicht richtig. Es geht nicht um die Darstellung deiner Persönlichkeit, sondern um die überzeugende Darstellung eines Themengebietes.
Das Prüfungsgespräch entwickelt sich in der Regel zum Großteil aus dem, was du sagst. Deine Antworten inspirieren die Prüfer zur nächsten Frage. Aus diesem Grund lohnt es sich, das Verhalten in der Prüfung vorher zu trainieren. Das kannst du praktisch in einer Prüfungssimulation oder mental tun. Trainiere ein aktives Verhalten!
Übernehme als Prüfling eine aktive Rolle! Dazu gehört, das eigene Wissen anzubieten. Damit ist gemeint, dass du auf eine Frage nicht nur knapp antwortest, sondern dein weiteres Wissen mitlieferst. Hier zwei Beispiele einer Prüfung zum Thema Kommunikation:
Negativbeispiel
Prüfer: Wie würden Sie diese Aussage einstufen? Eine Frau steht mit ihrem Auto an der Ampel. Es wird grün. Ihr Mann sagt: „Die Ampel ist grün.“
Prüfling: Der Mann appelliert an die Frau loszufahren.
Die Antwort ist zwar richtig, doch versäumt es der Prüfling, sein geballtes Wissen zu präsentieren. Außerdem gibt er die Zügel wieder aus der Hand und versucht nicht, das Gespräch zu lenken.
Positivbeispiel
Prüfling: „Nach dem Vier-Seiten-Modell (= Schlüsselbegriff) von Schulz von Thun (= wichtiger Vertreter) steht hier für mich die Appellseite (= Fachvokabel) im Vordergrund.
Der Mann fordert seine Frau auf, loszufahren. Die anderen drei Seiten einer Nachricht sind die Beziehungsseite, der Sachinhalt und die Selbstoffenbarung“ (Aufzählung weiterer Fachvokabeln als Angebot zu weiterführender Frage und zum Zeigen des komprimierten Fachwissens).
Der Dreischritt als Antwortstruktur
Es gibt keine allgemeingültige Regel für Prüfungsantworten. Zum Trainieren eines aktiven Prüfungsverhaltens hat sich jedoch der Dreischritt als hilfreich erwiesen.
Schritt: Ordne die gestellte Frage zunächst allgemein ein. Nenne das übergeordnete Gebiet, zu dem die Frage gehört. Verwende dazu einen Schlüsselbegriff.
Zähle als nächstes die wichtigsten Punkte auf, die die Frage beantworten. In der Regel werden hier Fachvokabeln erforderlich.
Gib zuletzt ein gutes Beispiel, das den Sachverhalt der Frage erhellt.
In der Prüfung kannst du nach jedem Punkt unterbrochen werden. Deshalb dient der Dreischritt als eine gute Richtlinie. Klammere dich jedoch nicht daran fest, denn es wird auch deine Flexibilität geprüft. Verlasse deine Linie, sobald deine Prüfer das Gespräch in eine andere Richtung lenken.
Aktives Prüfungsverhalten
Biete Dein Wissen an. Komprimiere es in Aufzählungen. Es geht darum, in kurzer Zeit einen kompetenten Eindruck zu hinterlassen.
Leite zu anderen Fragen über: „In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach …“.
Sage das Wichtigste zuerst. Deine Prüfer können dich jederzeit unterbrechen.
Gib anschauliche Beispiele, besonders zu theoretischen Ausführungen. Daran erkennt die Kommission, dass du verstehst, wovon du redest.
Stell dich auf Gedankensprünge der Prüfer ein. Nur so kann die Kommission sehen, ob du die Zusammenhänge verstanden hast.
Verwende Fachvokabeln.
Nenne von dir aus nur die Schlüsselwörter und Fachvokabeln, die du auch erklären kannst. Es ist möglich, dass der Prüfer an einer Stelle nachhakt.
Sende positive Körpersignale. Sieh dem Prüfer in die Augen. Sitze aufrecht, nach vorne gelehnt und lächle, falls es sich anbietet. (Vermeide es, auf die Uhr zu schauen. Das könnte deine Prüfer zu weiteren Fragen provozieren.)
Schreckgespenst Blackout
Die Angst vor einem Blackout in der mündlichen Prüfung ist weit verbreitet. Falls es eintritt, geschieht dies meistens in den ersten fünf Minuten. Manchmal wird es gerade durch eine gut gemeinte Einstiegsfrage ausgelöst.
Viele Prüfer stellen als erstes eine sehr allgemeine Frage, damit der Prüfling sich gut in die Situation einfindet. Gerade damit rechnen die wenigsten. Fragen wie: Was haben Sie als letztes gelernt? Erzählen Sie uns etwas über die Epoche der Romantik! oder ähnlich offene Fragen verwirren manchen Prüfling. Stelle dich auf eine derartige Eröffnung ein.
Artikeltipp: Blackout bei Prüfungen
Viele Studierende erleben bei Prüfungen große Anspannung – erst recht bei letzten Versuchen, den sogenannten Totprüfungen. Bei Einigen ist der Druck so stark, dass plötzlich ein Blackout eintritt und alles Wissen wie weggeblasen scheint. Lies hier, was du dagegen machen kannst. weiter
Wenn die Prüfungskommission reglos bleibt: Wie läuft die Prüfung gerade?
Einstieg mißglückt? Unser Tipp aus der Redaktion:
Die Prüfung wird ausgerechnet mit einem für dich unbeliebten Thema eingeleitet, von welchem du fast nichts weißt. Sowas kann passieren. Eine vorzeitige Kapitulation ist jetzt aber nicht angeraten: Immerhin werden in der Regel in einer Prüfung mehrere Themen abgehandelt – und wer bei Frage 1 schon aufgibt, verschenkt den sämtlichen Rest.
Allgemeine Tipps hier zu geben ist schwer, da auch der Stil der PrüferInnen mit einbezogen werden muss und recht fach-disziplinär geprägt ist. Hier musst du entscheiden, ob du durch das Einwerfen von Stichpunkten verwandter Gebiete den Prüfungsverlauf auf ein für sich sicheres Terrain zu lenken versuchst.
Aber bedenke: Hier liegt die Unsicherheit drin, dass darauf die PrüferInnen nicht eingehen (möchten).
Oder du fragst direkt an, ob ihr dieses Thema nach hinten verschiebt und mit einem anderen Thema startet, damit du zuerst in den Redefluss kommst, der für die Prüfungssituation ziemlich wichtig ist. Somit verschenkst du keine wertvolle Zeit mit einem unsicheren Gestammel – sondern zeigst, dass du viel im Kopf hast!
Laut Prüfungsordnung ist es den Prüfern in der Regel nicht gestattet zu zeigen, ob das Gesagte richtig oder falsch ist. Es kann durchaus vorkommen, dass weder verbal noch mit einem Lächeln oder Kopfnicken auf deine Antworten reagiert wird. Lass dich davon nicht beeinflussen. Es gibt andere Zeichen, an denen du ablesen kannst, wie die Prüfung gerade läuft.
Wenn du Theorien bewerten sollst, also keine Wiedergabe oder Anwendung von Wissen mehr gefragt wird, bist du bei der Problematisierung angekommen. Das ist eindeutig ein gutes Zeichen, denn sie entspricht der höchsten Anforderungsstufe.
Solltest du kein gelerntes Wissen wiedergeben können, werden die Prüfer sehr lange bei dieser ersten Stufe verweilen. Sie werden versuchen, irgendetwas zu finden, was du weißt. Das ist kein gutes Zeichen.
Ein weiteres Signal sind die sogenannten „Einhilfen“. Der Prüfer macht eine Einhilfe, wenn er dir mit einer Frage bei der Beantwortung der vorigen hilft. Je weniger Einhilfen dir gegeben werden, desto besser ist in der Regel das Prüfungsergebnis.
Was auch immer passiert – viel Erfolg bei deiner mündlichen Prüfung!
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Anmerkung der Redaktion:
Der Artikel wurde am 25. August 2010 erstmalig auf Studis Online veröffentlicht. Das oben genannte Datum zeigt die letzte Aktualisierung seitens der Redaktion an.