Ob Hans oder Hänschen!Lernen kann man lernen
Von Turid Müller
1. Häufige Fragen
Es gibt verschiedene Techniken, um sich zum Lernen zu motivieren. Ein Klassiker ist das Erstellen eines Zeitplans. Auch das Vergegenwärtigen des langfristigen Ziels (Wofür benötige ich das später?), die Wahl eines passenden angenehmen Lernorts und das Setzen von Belohnungen können bei der Motivation helfen.
Tatsächlich ist Kaffee nur in Maßen eine Hilfe – und es kommt auf das Timing an: Wer literweise braune Brühe konsumiert, bevor es an den Schreibtisch geht, ist auf dem Holzweg. Studien legen nahe: Was wirkt, ist der Kaffee danach: Zwei Tassen nach dem Lernen verbessert die Erinnerung.
Zwischen Lernphasen solltest du nicht zu wenige Pausen machen. Jedoch sollten diese gut genutzt werden. Am besten machst du Bewegungs- und Entspannungsübungen. Danach fühlst du dich fitter und ausgeglichener und kannst mit frischem Elan wieder an die Arbeit.
2. Was ist Lernen?
„Unter Lernen versteht man den absichtlichen und den beiläufigen Erwerb von neuen Fertigkeiten“, weiß Wikipedia. Beim Studieren ist es natürlich der absichtliche Erwerb, der uns am meisten umtreibt. Eines der psychologischen Standard-Werke, der Zimbardo, kommt diesbezüglich zu folgendem Schluss: „Lernen lässt sich an den Verbesserungen der Leistungen ablesen“ (Zimbardo, 1992, S. 227). „Ach was“, möchte man da im Sinne Loriots antworten.
Das Wort „Lernen“ geht auf die gotische Bezeichnung für „ich weiß“ (lais) sowie auf das indogermanische Wort für "gehen" (lis) zurück. Die Herkunft des Wortes weist darauf hin, dass Lernen ein Prozess ist.
Beim Lernprozess werden Informationen von den Lernenden aktiv „zu eigenem Wissen umgewandelt, d.h. in bestehende Wissensstrukturen eingegliedert. Erfahrungsbezug ist demnach zentral für die Verankerung und somit Bedeutung der Lerninhalte. Ferner ist für den nachhaltigen Erfolg des Lernens die Haltung der Person entscheidend“.
Wie ihn aber strukturieren, diesen Prozess? Der alte Konfuzius inspirierte die jüngeren Generationen von Lehrenden mit seinem Dreisatz: „Sage es mir - Ich werde es vergessen! Erkläre es mir - Ich werde mich erinnern! Lass es mich selber tun - Ich werde verstehen!“
3. Ein bisschen Spaß muss sein!
Da Lernen der aktiven Teilnahme der Lernenden bedarf, ist – wie so oft – die Basis Motivation. Dazu findest du auf unserer Plattform bereits viele spannende Artikel. Zum Beispiel diese:
Die Hirnforschung hat sich dem Thema angenommen und herausgefunden, dass bei Motivation und Lernen, Spaß nicht nur ein netter Nebeneffekt in Zeiten der Spaßgesellschaft, sondern sogar eine wichtige Voraussetzung ist. So betonen auch einige Neurowissenschaftler das Entstehen neuronaler Verknüpfungen durch Freude im Lernprozess.
4. Lernen im Schlaf
Das sprichwörtliche Buch unterm Kopfkissen bringt uns zwar nichts ein als einen steifen Nacken. Aber empirische Untersuchungen legen nahe: Schlafen spielt beim Lernprozess eine zentrale Rolle. Beim Schlafen treffen wir „von all dem Input des Tages eine Auswahl: Das Wichtige wird ins Langzeitgedächtnis übertragen, das Unwichtige nicht“. Netzwerkaktivitäten, die während des Lernens sichtbar sind, treten in ganz ähnlicher Form im Schlaf auf.
Turid Müller – Schauspielerin und Diplompsychologin – arbeitet an den Schnittstellen von Kommunikation und Kreativität. Unter anderem als Leiterin von Kreativitäts- & Präsentationstrainings.
Und als „Teilzeitrebellin“ im Bereich Chanson/Musikkabarett:
Wissenschaftler vermuten, dass so ein am Tag erlebtes Ereignis erst konsolidiert und dann ins Langzeitgedächtnis übertragen wird. Vor allem beim deklarativen Lernen scheint dabei der Hippocampus eine wichtige Rolle zu spielen. Diese Hirnregion fungiert sozusagen als Zwischenspeicher. Wenn wir zum Beispiel Vokabeln lernen, sind viele verschiedene Bereiche des Neocortex aktiv. „Bis wir schlafen, merkt sich der Hippocampus, dass diese Einzelteile zusammengehören.
In der Nacht dann löst die Hirnregion die gleichen Cortex-Aktivitäten aus. Vermutlich werden dort erst die Einzelinformationen als eine zusammenhängende Episode abgespeichert“, verrät Susanne Diekelmann vom Institute for Medical Psychology and Behavioural Neurobiology der Uniklinik Tübingen.
Faktenwissen wird wohl vor allem in Tiefschlafphasen gefestigt. Beim Lernen von Abläufen (z.B. Klavierspielen) sind wohl vor allem die REM-Phasen wichtig, also die Phasen, in denen wir träumen. Susanne Diekelmann und Jan Born haben zahlreiche Studienergebnisse ausgewertet und kommen zu der Hypothese, dass das Wissen gerade durch den Wechsel der Schlafphasen konsolidiert wird.
Fest steht also: Schlaf kann unser Erinnerungsvermögen schärfen. Im Schlaf zu lernen, ist also kein Humbug, sondern absolut möglich. Dabei sollten wir allerdings nicht übertreiben: Wer direkt bis zur letzten Minute vorm Einschlafen lernt, verwehrt Körper und Seele das Herunterfahren. Diese Entspannung ist allerdings notwendig, um einen erholsamen Schlaf zu gewährleisten.
5. Kopf-Salat vermeiden
Alte Überzeugungen über uns und das Lernen sowie negative Lern-Erlebnisse können uns das Lernen schwer machen. Viele von uns tragen noch als Erwachsene mit sich herum, was wir von unseren ersten Lern-Erfahrungen erinnern:
Die strengen Eltern, die uns vermittelt haben, dass wir nur dann etwas wert sind, wenn wir etwas leisten.
Die Lacher der MitschülerInnen, die wie eine kalte Woge über uns zusammenschlugen, als wir uns an der Tafel blamiert haben.
Die Musiklehrerin, die uns eingeredet hat, dass wir nicht singen können.
Die endlosen Schulstunden mit ihren in Stein gemeißelten Stundenplänen, die uns die Lust am Lernen genommen haben bis wir vergessen haben, dass wir neugierige und wissbegierige Menschen sind.
Das Bild, das wir auf diese Weise von uns, von unseren Fähigkeiten, von unseren Lern-Möglichkeiten, von Lehrpersonen und Lerngruppen gewonnen haben, beeinflusst stark unser Erleben und Verhalten in der Gegenwart. Und es kann dazu führen, dass wir beim Lernen blockiert sind.
Manchmal gibt es spezielle Auslöser, die eine solche Blockade triggern. Das kann schon der Umstand sein, für eine Prüfung lernen zu müssen oder auch das Erlebnis, einen Satz im Lehrbuch nicht sofort zu verstehen: Zack! Schon sitzen wir wieder in der Schulbank und der alte Glaubenssatz greift nach uns: ‚Du lernst das nie! Du kapierst es einfach nicht!‘
Wer das kennt, der fängt am Besten damit an, zu beobachten, wodurch die Blockaden ausgelöst werden. Je besser ich verstehen kann, warum ich so ticke, desto eher ist es mir möglich, den alten Glaubenssatz zu korrigieren und durch positive Lernerfahrungen zu überschreiben.
Wer allein nicht weiter kommt, kann sich dabei Unterstützung holen. An vielen Unis wird Lern-Beratung angeboten. Auch gibt es spezielle TherapeutInnen, die sich auf Lernstörungen spezialisiert haben.
Es ist ganz natürlich, beim Lernen auf Narbengewebe aus der Schulzeit zu stoßen. Das Schulsystem ist nicht immer pädagogisch wertvoll. Und Eltern auch nicht! Aber jetzt sind wir erwachsen. Und wir können uns das geben, was die Großen damals nicht geschafft haben: Die Umstände, die wir fürs Lernen brauchen. Und den Glauben an uns und unsere Fähigkeiten.
6. Hausmittel – Mythos oder Methode?
Es gibt viele bekannte Strategien und Binsenweisheiten zum richtigen Lernen. Stellen wir sie auf dem Prüfstand! Welche halten stand? Untersuchen wir das mal an drei der üblichen Verdächtigen:
Studentenfutter! – Nahrung fürs Gehirn?
Im Examensstress sind beliebte Helferlein wie beispielsweise Traubenzucker nur bedingt sinnvoll oder sogar eher kontraproduktiv.
Aber: Brainfood ist tatsächlich etwas, mit dem wir unser Lernen unterstützen können. Es gibt eine Vielzahl empfohlener Lebensmittel – dazu gehören auch Nüsse. Diese enthalten Spurenelemente, Mineralstoffe, B- und E-Vitamine sowie ungesättigte Fettsäuren. Die Kombination dieser Wirkstoffe versorgt das Gehirn mit Energie, fördert Konzentration und Lernfähigkeit und Nervenfunktion.
Besonders die Aminosäure Phenylalanin ist wertvoll fürs Gehirn. Sie ist wichtig für die Kommunikation der Nervenzellen und unterstützt die Aktivität des Gehirns. Das wiederum stärkt das Gedächtnis. Es stimmt also: Studentenfutter hat sich den Namen also wirklich verdient. Aber es gibt noch viele andere kulinarische Tricks.
Wer nicht richtig faulenzen kann, kann auch nicht richtig arbeiten. – Die Pomodorotechnik:
Beim effektiven Arbeiten und Lernen sind Pausen besonders wichtig. Nach 45 bis spätestens 90 Minuten ist der Speicher voll. Zwischendurch muss der Geist zumindest kurz abschalten können. Wer das strukturiert angehen möchte, kann sich beispielsweise nach der sogenannten Pomodorotechnik richten. Ihr Name rührt von einem Kurzzeitwecker her, den ihr Erfinder benutzt hat und der wie eine Tomate geformt war („pomodoro“ ist italienisch für „Tomate“).
Folgende Schritte umfasst die Methode: Als erstes formuliert man schriftlich die geplante Aufgabe. Anschließend stellt man einen Kurzzeitwecker auf 25 Minuten und arbeitet in dieser Zeit konzentriert. Dann macht man fünf Minuten lang Pause und gestaltet diese Zeit am besten mit einer Bewegungs- oder Entspannungsübung.
Um nach der Pause schnell wieder in den Lernstoff zu finden, sollte man am Ende jeder Lerneinheit mit einem Kreuz oder einer anderen Markierung die Stelle kennzeichnen, an der man aufgehört hat. Dann kommt die nächste 25-Minuten-Einheit. Jeweils nach vier „Tomaten ist eine längere Pause von mindestens 15 Minuten sinnvoll.
Hallo wach! – Der Kaffee danach…
Tatsächlich ist Kaffee nur in Maßen eine Hilfe – und es kommt auf das Timing an: Wer literweise braune Brühe konsumiert, bevor es an den Schreibtisch geht, ist auf dem Holzweg. Studien legen nahe: Was wirkt, ist der Kaffee danach: Zwei Tassen nach dem Lernen verbessert die Erinnerung.
7. Fazit
Was bedeuten diese Informationen konkret für unseren Lern-Alltag? Veränderung ist am Leichtesten in kleinen Schritten zu erreichen. Und indem wir alte Muster durch neue ersetzen.
Vielleicht also mit etwas beginnen, das uns leichtfällt. Statt wie sonst vor Klausuren in der Bibliothek durchzuarbeiten bis uns der Schädel brummt, könnten wir also öfter mal Pausen einlegen.
Das klappt am besten, wenn es dafür eine konkrete Planung gibt: Wann mache ich Pausen? Wie lange und wie oft? Wie verbringe ich sie? Die Chancen, dass ich mich an die Vereinbarung mit mir selbst halte, ist besonders groß, wenn ich mich mit einer Pausenbeschäftigung locken kann, die mir Appetit macht. Wollte ich nicht schon immer mal diese Yogaübung ausprobieren, die ich neulich beim Hochschulsport gelernt habe? – Das wär‘ doch was!
Denn wie Kästner schon sagte: „Der Mensch soll lernen, nur die Ochsen Büffeln.“
8. Checkliste ☑️ – Wie man richtig lernt
Lernstoff strukturieren, Zeitplan erstellen und Wiederholungszeit einplanen!
Stoff mit der Hand und in eigenen Worten aufschreiben!
Lernkartei der wichtigsten Inhalte erstellen und damit wiederholen – auch unterwegs!
Zusammenfassen des Inhalts auf einem DIN-A4-Spickzettel gibt Sicherheit und clustert.
Abends lernen, um im Schlaf zu verankern; kurz vorm Schlafen aber runterkommen!
Lernzeiten dem eigenen Biorhythmus anpassen!
Feste Arbeitszeiten und Routine helfen gegen den inneren Schweinehund.
Zahlen und Formeln singend zu Musik lernen, die als Gedächtnisstütze fungiert.
Sich mit einem Lernpartner über das Gelernte auszutauschen, übt und motiviert.
Fachfremden (z.B. der eigenen Mutter) erzählen, was man in der Uni macht übt erklären.
Pausen machen!
Lernmaterialien griffbereit am ordentlichen Arbeitsplatz lagern – potenzielle Ablenkungsherde haben dort zudem nichts verloren.
Mit allen Sinnen lernen: Bilder & grafische Darstellungen, Geschichten, Farben, Symbole, Unterstreichungen, Markierungen, gehend lernen, Lernort wechseln, lautes Vorsprechen. Eselsbrücken, Merksätze und andere Merkhilfen nutzen – neuerdings gibt’s die auch online und als App.
Brainfood statt Junkfood – die richtigen Lebensmittel liefern, was wir zum Lernen brauchen.
Koffein in Maßen und zum richtigen Zeitpunkt.
Weiterführendes
Selbstmotivation, Selbstorganisation und Lernstrategien:
- Was tun bei Prokrastination? – Selbstmotivation beim Lernen erhöhen!
https://www.studis-online.de/Studieren/Lernen/selbstmotivation.php - Selbstmotivation, Selbstorganisation und Lernstrategien
https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/campus/lernen-lernen-114.html
Lernen und Gedächtnistechniken:
- Lerntechniken für Studierende – von Alternativen zum Auswendiglernen bis zum Speed-Reading
https://www.studis-online.de/Studieren/Lernen/lerntechniken.php - Verschiedene Gedächtnistechniken
https://www.lernen-heute.de/lernen.html
Lernstrategien, Lerntypen, Lernstile:
- Wie lerne ich richtig? – Den eigenen Lerntyp erkennen!
https://www.studis-online.de/Studieren/Lernen/lerntypen.php - Arbeitsblätter für die richtige Lernstrategie
https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Lernstrategien.shtml
Buchtipps
Buchtipps sind redaktionell ausgewählt. Wir erhalten eine kleine Provision, wenn über den Link auf Amazon eingekauft wird.
Hinweis der Redaktion:
Der Artikel wurde erstmalig am 02.11.2020 auf Studis Online veröffentlicht und wird seitdem von der Redaktion aktualisiert, zuletzt am oben genannten Datum.