Pauken im Stand-By?Lernmethoden für Vielbeschäftigte
Von Andreas Baulig
Fast allen Studentinnen und Studenten ist bewusst, dass sich konstante Bestleistungen im Studium nur durch langfristige Vorbereitung und intensive Beschäftigung erzielen lassen. Doch das Leben auf und um den Campus ist geprägt von vielen kleinen Zeitfressern, die jeden noch so guten Vorsatz, sich frühzeitig um die Bearbeitung des Klausurstoffes zu kümmern, sehr schnell vergessen lassen.
Mit ein wenig Vorbereitung kann man fast überall lernen und so auch vermeintlich verlorene Zeiten nutzen.
Neben der Bewältigung der vielen Vorlesungen, Seminare und Hausarbeiten haben die meisten Studierenden auch noch einen eigenen Haushalt zu führen – mit allem was dazugehört: der Einkauf will erledigt sein, das Bad geputzt, das Zimmer vom Staub befreit und die Stromrechnung beglichen werden. Studierende mit Kinder haben erst recht mehr als genug zu tun. Wer dazu noch nicht auf die Unterstützung durch die Eltern oder auf das BAföG vertrauen kann, um im Studium finanziell über die Runden zu kommen, der muss sich zwangsläufig seinen Lebensunterhalt anderweitig verdienen. Auch dies kann zeitintensiv und kraftraubend sein.
Da liegt es oft nahe, zunächst an der Zeit zu sparen, die man „eigentlich“ für die langfristige Vorbereitung auf Prüfungen einsetzen wollte. In Ruhe zu Hause die relevante Literatur durchzugehen ist dann häufig nicht mehr drin. Stattdessen muss es genügen, drei Tage vor der Klausur Nachtschichten einzulegen und die Zusammenfassung des Vorlesungsskripts durchzugehen, in der Hoffnung, irgendwie zu bestehen. Keine befriedigende Situation. Dabei gibt es durchaus einige Möglichkeiten, Zeit zum Lernen zu finden.
Lernen im „Stand-By“?
Egal ob es sich um das Pendeln zur Uni, das Herumsitzen im Wartezimmer beim Arzt, oder das Einkaufen im Supermarkt handelt: die meisten der kleinen Zeitfresser des Alltags, die uns das Leben so schwer machen, lassen sich in folgende zwei Kategorien einteilen:
Wartezeiten
Unser Leben ist geprägt von Untätigkeit. Wir warten eigentlich ständig. Vor der Ampel. Am Kopierer. In der Mensa. Im Zug. An der Kasse. All diese Momente und Augenblicke sind für sich genommen relativ kurze Zeiträume. Auf den gesamten Tag betrachtet summieren sie sich aber zu einer nicht zu verachtenden Zahl von Minuten oder gar Stunden auf.Routinen
Des Weiteren verbringen wir einen großen Teil unseres Tages damit, bestimmten Routinetätigkeiten nachzugehen, die aktiven Körpereinsatz erfordern und dementsprechend von rein passiven Wartezeiten abzugrenzen sind. Dazu zählen beispielsweise das Putzen und Staubsaugen der Wohnung, der Wocheneinkauf oder das Joggen am Abend.
Unsere alltäglichen Beschäftigungen und Gewohnheiten sind der Hauptgrund dafür, dass uns die die Zeit fürs Lernen förmlich durch die Finger rinnt.
Auf den ersten Blick scheint es hier keine Abhilfe zu geben. Die Routine ist notwendig, um unser Leben zu managen und Wartezeiten sind allgegenwärtig und unvorhersehbar. Zu diesen Zeitpunkten wird der Lernprozess im Studium scheinbar zwangsläufig auf "Stand-by" gesetzt. Doch es gibt tatsächlich Möglichkeiten, selbst Situationen wie diese zu nutzen, um sich langfristig auf Prüfungen vorzubereiten!
Lernmethoden für Nebenbei
Es gibt die unterschiedlichsten Mittel und Wege, um aus Routinetätigkeiten oder Wartezeiten nützliche Lernzeiten zu machen. Dabei werden verschiedene Ansätze verfolgt:
Ein-Punkt-Lektionen
Wann immer der Alltag uns zwingt, wieder und wieder für einige Minuten an ein und demselben Ort zu verharren, ist dies die optimale Gelegenheit dafür, eine Ein-Punkt-Lektion einzurichten. Bei dieser Methode wird an einem fixen Ort eine visuelle Lektion platziert, die während der Durchführung einer Routinetätigkeit betrachtet und durchgegangen wird.
Beispiel:
Zum morgendlichen Ablauf der meisten Menschen gehören selbstverständlich die tägliche Dusche und das Zähneputzen. Bei beiden Aktivitäten handelt es sich um Prozesse, die im Durchschnitt am Tag 15 bis 20 Minuten Zeit kosten können.
Wenn man diese Zeit sinnvoll in die Wiederholung des Vorlesungsstoffes investieren könnte, so würde man pro Woche bereits zwei Stunden an zusätzlicher Zeit für die Prüfungsvorbereitung gewinnen!
Und das geht so: hefte einfach deine Lernzusammenfassungen und Mindmaps um deinen Badezimmerspiegel herum an die Wand oder von außen an die Dusche, so dass du sie innerhalb der Duschkabine lesen kannst. Fertig ist die Installation der Ein-Punkt-Lektion!
Kurz nach dem Aufstehen ist unser Gehirn besonders aufnahmefähig und frei. Die besten Ideen werden morgens in der Dusche oder vor dem Spiegel beim Zähneputzen geboren. Mithilfe der soeben angebrachten Ein-Punkt-Lektion kann dieser Zeitraum nun dazu genutzt werden, um diverse Studieninhalte effektiv und langfristig zu wiederholen. Statt in der Dusche tiefsinnig über das Leben zu philosophieren, wird so jeden Morgen die Erinnerung an den Inhalt zentraler Mindmaps aufgefrischt. Der ständige Blick auf Vorlesungsnotizen während des Zähneputzens wird sich langfristig positiv auf die Studienleistungen niederschlagen.
Besonders effektiv ist diese Methode, wenn sie mit der Loci-Methode kombiniert wird. Der fixe Ort, an dem die Ein-Punkt-Lektion installiert ist, wird so zu einem Meilenstein auf der imaginären Route, die bei der Anwendung der Loci-Methode beschritten wird.
Weitere bewährte Möglichkeiten Ein-Punkt-Lektionen einzusetzen sind beispielsweise die Ablage von Lern-Karteikarten neben der Toilette, das Anbringen von lehrreichen Klebezetteln am Kühlschrank oder auf Türen. Auch Notizen auf Fensterscheiben (wie z.B. im Film „A Beautiful Mind“) sind mit wasserlöslichen Stiften gar kein Problem. Der Fantasie sind diesbezüglich keine Grenzen gesetzt.
Mobile Lernmedien
Obwohl kleine Zeitfresser in den Wirren des Alltags scheinbar zufällig und damit unvorhergesehen auftauchen, ist es sehr unpraktisch, ständig schwere Lehrbücher mit sich zu führen, um plötzlich entstehende Pausen zu überbrücken.
Es ist leicht absehbar, dass man bei einem Arzttermin einige Zeit im Wartezimmer verbringen muss. Dementsprechend kann man sich darauf vorbereiten und etwas Vorlesungsmaterial mitnehmen, um diese Zeit sinnvoll zu nutzen. Aber was ist, wenn man durch eine Situation plötzlich zum Warten gezwungen wird? Wer zum Shoppen unterwegs in die nächste Großstadt ist und dabei durch verspätete Züge aufgehalten wird, der hat selten ein Buch dabei. Trotzdem lässt sich diese Zeit sinnvoll nutzen!
Gerade heute besitzen die meisten Studierenden ein modernes Smartphone, auf dem dank Internetanbindung und großem Bildschirm problemlos E-Books oder Vorlesungsskripte heruntergeladen und gelesen werden können. Das macht es zum hervorragenden Begleiter im Studium. Da das Handy sowieso stets mitgeführt wird, eignet es sich hervorragend als mobiles Lernmedium. Es gibt unzählige Lern-Applikationen, die zum Beispiel aus einem Smartphone einen mobilen Karteikasten zum Fakten- oder Vokabel-Lernen machen können. Die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.
Eine große Gefahr dieses Mediums besteht jedoch in dessen hohem Ablenkungspotential. Soziale Netzwerke und Spiele-Apps stellen ein großes Risiko dar, wenn es darum geht, die notwendige Konzentration und den benötigten Fokus fürs Lernen aufrecht zu erhalten. Unter Umständen ist es daher sinnvoll, diese Gefahrenquellen frühzeitig zu entschärfen, indem man diese gar nicht erst auf dem Gerät installiert.
Wer hingegen auf Nummer sicher gehen will, der lässt auch vom Smartphone die Finger weg und steckt sich stattdessen drei bis vier Seiten Lernzusammenfassungen oder Mindmaps zusammengefaltet ins Portemonnaie oder in die Hosentasche. Wenn im Handgepäck noch etwas mehr Platz ist, dann lässt sich dieses Repertoire auch noch durch einen Stapel Karteikarten oder ein kleines Notizbuch erweitern.
Auf diese Weise ist man für jede unerwartete „Stand-By“-Zeit gerüstet und kann diese zum Lernen nutzen.
Passives Audio-Lernen
Bei dieser Lernmethode handelt es sich um eine der am wenigsten praktizierten, aber dafür wirkungsvollsten Lerntechniken, die es gibt. Der Grund dafür, dass sie kaum angewandt wird, liegt in der Tatsache begründet, dass der Lernende eine gewisse Vorbereitung leisten muss, bevor diese Methode erfolgreich genutzt werden kann.
Die Rede ist vom passiven Lernen durch Audio-Aufnahmen des Vorlesungsstoffes. Man ahnt es bereits – das bedeutet ein wenig Aufwand, ist aber die ideale Möglichkeit, um jede Form von Routine, die es physisch unmöglich macht, die Nase in ein Buch zu stecken, trotzdem zum Lernen zu nutzen.
Egal ob beim Joggen, beim Putzen der Wohnung, beim Autofahren oder im Supermarkt: man steckt sich kurz die Kopfhörer eines MP3-Players in die Ohren und schon kann das Lernen beginnen.
Die technische Vorbereitung an sich ist meist weniger kompliziert, als sie auf den ersten Blick erscheint. Wer zuhause seine eigenen Lernzusammenfassungen einsprechen und aufnehmen will, kann dies mithilfe eines günstigen Mikrofons (15,- Euro in den meisten Elektronik-Märkten) oder Headsets an seinem Computer tun. Die notwendige kostenlose Software zum Aufnehmen und Schneiden einfacher Audio-Dateien findet sich mithilfe von Suchmaschinen bei den verschiedensten Anbietern binnen weniger Minuten.
Wer bereits ein modernes Smartphone sein Eigen nennen darf, der kann mithilfe einiger Apps sein Handy blitzschnell in ein Diktiergerät verwandeln. Über die MP3-Funktionalitäten dieser Geräte können die so erstellten Aufnahmen wieder und wieder angehört werden, bis der Stoff tief ins Unterbewusstsein eingedrungen ist.
Oft besteht sogar die Möglichkeit, mit der Erlaubnis des Dozenten ganze Vorlesungen auf diese Art und Weise mitzuschneiden und später noch einmal in Ruhe durchzugehen. Dies ist besonders empfehlenswert, weil noch einmal exakt nachvollzogen werden kann, wo der betreffende Dozent eventuell Akzente beim Vorlesungsstoff setzt. Dies dient als erster Anhaltspunkt, wenn man beim Lernen gewisse inhaltliche Schwerpunkte setzen will.
Zu beachten ist, dass diese Technik ihre wahre Kraft nur durch intensive Wiederholung entfaltet. Was zwei Wochen lang jeden zweiten Tag beim Joggen gehört wurde, bleibt irgendwann ganz von selbst im Kopf hängen. Es wird zum Ohrwurm, den man einfach nicht mehr loswird.
Eine fortgeschrittene Variante dieser Methode besteht darin, die Audio-Aufnahmen des Lernstoffes bei erhöhter Geschwindigkeit abzuspielen. Selbst bei fast doppelter Sprechgeschwindigkeit lässt sich mit ein wenig Training innerhalb weniger Wochen ein klares Hörverständnis erzielen. Auf diese Art und Weise bewältigt man denselben Stoff in deutlich kürzerer Zeit.
Wer sich selbst nicht die Mühe machen will, Lernzusammenfassungen einzusprechen, der kann auf Software zurückgreifen, die in der Lage ist Texte (mit meist weiblicher, wohl klingender Stimme) vorzulesen und als Audio-Datei zu speichern. Spätestens hierfür muss aber sehr wahrscheinlich auf kommerzielle Software zurückgegriffen werden.
Lernen im Nebenjob
Viele Studierende sind darauf angewiesen, sich ihr Studium durch einen Nebenjob zu finanzieren. Das sind unzählige Stunden, die den Betroffenen auf den ersten Blick nicht mehr zur Verfügung stehen, um sich langfristig auf die bevorstehenden Prüfungen vorzubereiten. Je nach Art des Nebenjobs gibt es aber vielleicht doch Möglichkeiten.
Und zwar vor allem dann, wenn der Nebenjob möglichst wenig Kontakt mit Menschen erfordert und möglichst von Passivität oder Routine geprägt ist. Ein nach diesen Kriterien „perfekter“ Nebenjob ist beispielsweise der des Nachtportiers in Hotels. Diese Tätigkeit ist vor allem von langen Wartezeiten geprägt. Wer dafür bezahlt wird, nachts stundenlang am Rezeptionsschalter zu sitzen, um ab und an einen Anruf oder eine Gästeanfrage zu beantworten, der hat jede Menge Zeit, um gleichzeitig zu lernen. Auf diese Weise lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Routinetätigkeiten sind zwar von hoher körperlicher Aktivität geprägt, erfordern jedoch keine größere geistige Beschäftigung mit der Tätigkeit selbst. Unter diese Kategorie fallen typische „Fließbandarbeiten“, d.h. sich wiederholende, manuelle Abläufe. Während Hände und Augen beschäftigt sind, besteht wiederum die Möglichkeit, mithilfe der zuvor vorgestellten Methode des passiven Audio-Lernens den Vorlesungsstoff effektiv zu wiederholen.
Selbstverständlich erfordert diese Vorgehensweise das Einverständnis des Arbeitgebers. Des Weiteren darf diese Methode natürlich nicht die Qualität der eigenen Arbeitsleistung negativ beeinflussen. Erfahrungsgemäß erweisen sich hier jedoch die meisten Chefs als durchaus kooperativ. Mit diesem entgegengebrachtem Vertrauen muss dementsprechend auch verantwortlich umgegangen werden.
Langfristige Vorbereitung trotz Zeitnot
Ziel der vorgestellten Lernmethoden ist es, bisher ungenutzte Zeiten für das Lernen nutzbar zu machen und sich auch bei vermeintlicher Zeitnot frühzeitig und umfassend auf anstehende Prüfungen vorbereiten zu können.
Zentrale Leitsätze dabei sind die Nutzung von „Stand-by“-Zeiten des Alltags zum Lernen, sei es durch die Installation von Ein-Punkt-Lektionen, durch das ständige Mitführen mobiler Lernmedien wie Smartphone oder MP3-Player oder durch die Wahl eines Nebenjobs, der das beiläufige Lernen ermöglicht.
Wir wünschen dir viel Erfolg bei der Umsetzung dieser Hinweise!