Gruppenarbeit! – Furchtbar oder fruchtbar?Lerngruppen und Projekte effektiv gestalten
Von Turid Müller
Wer kennt das nicht…?
Dass man sich vor Prüfungen zusammentut, um gemeinsam zu lernen ist das eine. Eine ganz andere Nummer aber ist der immer mehr um sich greifende ‚Gruppen-Zwang‘: Die Didaktische Bandbreite mancher Profs scheint sich ja auf Referate in Arbeitsgruppen zu reduzieren. Und wenn das Los entscheidet, zieht man schon mal den Kürzeren – nicht nur was das Thema angeht…
Jaaa: Schon, klar! Gruppenarbeit ist eine wertvolle Erfahrung, bei der wir mehr lernen als beim klassischen Frontalunterricht. Und: Logisch, auch fürs spätere Berufsleben ist es von Vorteil, mit anderen klarzukommen. Aber: Mal ehrlich! Manchmal nervt's! Und Lernen macht nicht immer „Ah!“, sondern auch manchmal „Bäh!“. Wenn das Team jedoch in den Flow kommt und gut abliefert … einfach genial! Gemeinsam macht‘s mehr Spaß, als allein in den eigenen vier Wänden über einem Buch zu vereinsamen oder im Seminar auf die x-te PowerPoint-Präsi zu starren. Und die Schwarmintelligenz stopft die eigenen Wissenslücken. – Was gibt es besseres?
In diesem Beitrag erfährst du mehr über das, was Gruppen so schwierig und so wertvoll macht. Fakten und Modelle, die dir hoffentlich helfen, wenn es das nächste Mal heißt: „Hefte raus! Gruppenarbeit!“
Mehr als die Summe ihrer Teile?
Unter den beliebtesten Modewörtern der Gegenwart befinden sich die vielbeschworenen Synergieeffekte – die wir natürlich unbedingt nutzen sollten…! Und spätestens seit Mark Uwe Klings Känguru Chroniken1 ist uns allen klar, welches Softskill in unserer Bewerbung unter keinen Umständen fehlen darf: Die Teamfähigkeit.
Aber: Verderben viele Köche nicht den Brei?
In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Forschungsergebnisse zu diesen Fragen, diskutieren psychologische Phänomene in Gruppen, erarbeiten Methoden zur Verbesserung der Gruppenleistung und gehen auf ein paar ebenso wohlvertraute wie vertrackte Gruppen-Konstellationen ein, die du vermutlich aus eigener Erfahrung kennst:
Turid Müller – Schauspielerin und Diplompsychologin – arbeitet an den Schnittstellen von Kommunikation und Kreativität. Unter anderem als Leiterin von Kreativitäts- & Präsentationstrainings.
Und als „Teilzeitrebellin“ im Bereich Chanson/Musikkabarett:
1. Forschungsergebnisse zur Gruppenarbeit
Vielfalt first? – Diverse Dynamiken diversen Gruppen
Der beliebteste Satz, um in den Geisteswissenschaften eine Antwort einzuleiten, ist auch bei der Frage angebracht, ob Diversität ein Garant für erfolgreichere Teams ist: Es kommt darauf an.
Heterogene Teams profitieren von breitgefächertem Wissen, „intensiveren Diskussionen von Entscheidungen“ und „vielfältigeren Ideen“. Dafür sind homogenere Gruppen in ihrer Kommunikation effektiver, konfliktloser, haben eine niedrigere Fluktuation und einen geringeren Krankenstand zu und zeigen eine „höhere Leistung bei der Umsetzung von konkreten Prozessen“2.
Das gilt so oder so ähnlich für verschiedene Formen der Zusammensetzung – ob es um die Durchmischung von Altersgruppen, um Gender-Diversity oder kulturelle Vielfalt geht.
Tendenziell zeichnet sich der Trend ab, dass demographisch durchmischtere Gruppen besonders kreativ und innovativ sind, dass bei der darauffolgenden konkreten, reibungslosen Umsetzung allerdings homogenere Teams vorne liegen. Je nach Aufgabe machen demnach verschiedene Gruppenzusammensetzungen Sinn:
Für tiefgehende Entscheidungsprozesse eignen sich heterogene Gruppen besonders gut, für schnelle Beschlüsse homogene. „In früheren Phasen“ der Zusammenarbeit, „bei der eine Umsetzung vorbereitet wird“2, ist es ratsam, diversere Teams einzusetzen, für die Ausführung sollte eher auf homogene Teams zurückgegriffen werden.
Wenn die demografischen Merkmale zu einer Polarisierung in zwei Lager führen, statt zu einer balancierten Zusammensetzung, können die Effekte eher hinderlich sein: Die Zusammensetzung aus sehr alten und sehr jungen Menschen beispielsweise, die nicht durch eine Gruppe von Menschen mittleren Alterns verbunden sind, kann zu einer Frontenbildung führen. Das kann die Zusammenarbeit behindern.
Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Teams hat allerdings auch eine Zeit des Sich-Einspielens: Kulturell gemischte Gruppen beispielsweise scheinen sich nach einigen Monaten zusammenzuraufen: Die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit gleichen sich an.
Diversität verbinden wir oft mit bestimmten einschlägigen Merkmalen, die damit gemeinhin in Zusammenhang gebracht werden. Aber tatsächlich hat Diversity nicht nur etwas mit Geschlecht, Nationalität und Alter zu tun. Auch viele andere Eigenschaften spielen dabei eine Rolle: Introvertiertheit versus Extrovertiertheit, Fakten-basiert versus intuitiv? Oder auch die Tatsache, ob ich gern ins Detail gehe oder eher der „big picture-Typ“ bin. „Man hat schon vor Jahren festgestellt, dass, wenn man ein Team nach kognitiven Präferenzen durchmischt, die besten Sachen herauskommen“.3
Neben den üblichen Verdächtigen und der eben beschriebenen kognitiven Präferenz spielen bei Diversität auch andere Einflüsse ins Gewicht: „Soziale Herkunft, Einkommen, Hobbys, Angewohnheiten, Familienstand und sonstige Erfahrungen. Genauso bringen natürlich auch Menschen aus verschiedenen Abteilungen neue Perspektiven auf ein Projekt“ (Gekeler).
Damit diese Blickwinkel ihre Wirkung entfalten können, braucht es zuweilen Moderation. Damit auch die Introvertierten, Leisen, Unerfahrenen und Schüchternen gehört werden.
Wenn Diversität wie hier beschrieben achtsam eingesetzt und begleitet wird, scheinen sich wertvolle Effekte zu ergeben. Um ein Beispiel zu nennen: Eine Studie von McKinsey4 hat ergeben, dass bei 10-prozentiger Steigerung der Frauenquote im Führungsteam der Gewinn höher war.
Wichtig ist also: Auch diverse Teams stehen und fallen mit ihrer Führung.5 Sie kann eine weise Zusammensetzung bewirken und auftretende Konflikte moderieren – oder eben nicht.
Was wir bei solchen wie den hier beschriebenen empirischen Ergebnissen nie außeracht lassen sollten ist: Es handelt sich um Statistik! Also um eine Wahrscheinlichkeit – nicht um eine Garantie. Einzelne Teams oder Teammitglieder können sich ganz anders verhalten als der durchschnittliche Trend. Und auch dieser kann durch andere Untersuchungen widerlegt werden. Also: Vorsicht bei der Anwendung in der echten Welt! Stigmatisierung kann nicht das Ziel sein.
Grundsätzlich scheint sich der Mut zu lohnen, sich auch mal mit Menschen zu umgeben, die nicht so ticken wie wir.
Teamwork! – Bringt das was?
Studien haben ergeben: Die Leistung in Gruppen hängt vor allem von zwei Faktoren ab: Von der Identifizierbarkeit der individuellen Leistungen und von der Komplexität der Aufgabe. „Wenn die Einzelleistung innerhalb einer Gruppe bewertet werden kann, führt dies bei einfachen Aufgaben eher zur Leistungssteigerung, bei komplexen Aufgaben eher zur Leistungsminderung. Wenn die Einzelleistung nicht beurteilt werden kann, ist das Umgekehrte der Fall.“ 6 Ob bei uns oder anderen – dieses Naturgesetz haben wir vermutlich alle schon in Aktion erlebt: Wenn niemand merkt, dass ich nichts mache, mache ich nix. Oder zumindest weniger.
Daran zeigt sich: „Gruppenphänomene sind mitentscheidend für den Lernerfolg von Gruppen und sollten bei der didaktisch-methodischen Planung berücksichtigt werden“.6
2. Psychologische Phänomene
Social Loafing & Social Facilitation
Ob wir im Rahmen einer Gruppe gut performen, kann also abhängig sein von den Quasi-Naturgesetzen der Seele und des zwischenmenschlichen Interagierens.
Eine Gruppe kann uns fauler machen, weil alle sich auf die anderen verlassen. Wie wir oben gesehen haben, kann dem Effekt entgegengewirkt werden, indem die individuelle Leistung sichtbar gemacht wird.
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https://youtu.be/ECGpVPKytrM
Ein anderer psychologischer Mechanismus, der Einfluss auf unsere Leistung in einer Gruppe haben kann, ist Social Facilitation. Wenn du in der Bücherei oder in einem Café besser lernst als im stillen Kämmerlein, dann hast du das bereits erlebt. Eine Gruppe kann dazu führen, dass wir motivierter sind. Manchmal reicht ihre bloße Anwesenheit.
Die gegenteilige Wirkung tritt auf, wenn wir Angst haben, uns vor der Gruppe zu blamieren. Hier kann Training helfen, um uns daran zu gewöhnen, uns vor anderen zu exponieren. Denn: Gegen Nervosität kann Mensch was tun.
Social Proof: Die Mehrheit hat nicht immer recht!
Gruppen haben so ihre Schwächen. Manche davon müssen wir nicht in Kauf nehmen. Wenn sie uns bewusst sind, können wir verhindern, dass wir ihnen zum Opfer fallen.
Dazu gehört das Wissen um gruppenbezogene Wahrnehmungs- und Denkfehler. Einer der bekannteren ist zum Beispiel Social Proof: Wir sind so gestrickt, dass wir in bestimmten Situationen im Zweifel eher der Gruppe vertrauen als uns selbst.
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https://youtu.be/I40g6U3K7hc
Aber: Die Mehrheit hat eben nicht immer recht. Und wenn wir dem Drang zur Selbstzensur nachgeben, laufen wir Gefahr, dass die Gruppe geschlossen in die falsche Richtung rennt. Zumindest ist es sehr wahrscheinlich, dass unser Beitrag wertvoll gewesen wäre, und verloren ist, wenn wir ihn aufgrund eines empfundenen Gruppendrucks verschweigen.
Unten findet Ihr eine Brainstorming-Technik, die dabei helfen kann, diesen Bug in unserem Betriebssystem auszutricksen.
Das ist nur eine Phase!
Aber… es gibt Hoffnung: Nicht eingehaltene Absprachen oder andere Probleme sind nicht unbedingt ein K.o.-Kriterium. Gut zu wissen ist, dass ein Team gemeinsam viele Veränderungen durchläuft. Dabei sind Spannungen vorprogrammiert und gehören dazu.
Nicht jede Unstimmigkeit muss also ein Zeichen dafür sein, dass die Zusammenarbeit nicht funktioniert. Im Gegenteil: Tuckmann beschreibt in seinem Modell sechs Phasen der Teamentwicklung. Nach dem Zusammenfinden und dem Aufwärmen kommt es dabei nicht selten zur sogenannten Storming-Phase. Das gehört zur normalen Entwicklung. Die Gruppe ruckelt sich hier zurecht; da kann es schon mal hoch hergehen. Wichtig ist, dass diese Phase in die Norming-Phase überführt sind, wo Absprachen für die Unstimmigkeiten getroffen werden. Dann kann die Gemeinschaft gemeinsam erfolgreich performen.
Um den Schritt von der Storming- zur Norming-Phase zu gehen, müssen die Konflikte der Storming-Phase zugelassen werden. Wie so oft ist es hier von besondere Bedeutung, dass alle eingebunden sind und gemeinsam Lösungen entwickeln. 7
Die Gruppenphasen zu kennen, kann besonders die Person, die die Leitungsrolle übernommen hat, sehr dabei unterstützen, die Gruppe dabei zu begleiten, was gerade dran ist. Die Rolle der Leitung verändert sich ebenfalls im Lauf des Gruppenprozesses: In der Performing-Phase ist es beispielsweise nicht förderlich, wenn die Leitung zu stark eingreift. Wenn alles gut läuft, ist die Gruppe inzwischen allein arbeitsfähig und wird durch zu starke Interventionen nur gestört. Mehr zum Thema Gruppenleitung im nächsten Kapitel:
3. Tipps & Tools
Es kommt doch auf die Größe an…
Schon bevor es losgeht, können wir viel falsch – oder eben auch richtig – machen: Expert*innen raten zu kleineren Gruppengrößen – gerade in Bezug auf Lerngruppen. Zwei können reichen. Drei bis vier Menschen sind optimal.
Auch hier gilt: Das ist eine durchschnittliche Angabe. Hör im Zweifelsfall auf dich!
Wer ist hier der Boss?
Wie wir gesehen haben, ist eine Gruppe allein durch ihre Zusammensetzung nicht einfach besser oder schlechter. Ein wichtiger Punkt ist, wie die Gruppenmitglieder miteinander interagieren.
Auch wenn nicht alle Teams eine Führungskraft haben, kann doch jemand die Moderation übernehmen – gegebenenfalls auch reihum. Zentral ist, dass alle das Verfahren mittragen.
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl anderer Techniken, die einer Gruppe ermöglichen, das Beste aus sich herauszuholen. Ein paar davon stelle ich hier vor:
Augen auf bei der Berufswahl!
Wichtig ist, dass die Aufgaben klar verteilt und für alle verständlich sind. Das klingt vielleicht banal – aber wer schon mal mit einer Gruppenarbeit an die Wand gefahren ist, weiß, dass der Teufel hier durchaus im Detail stecken kann.
Außerdem sind bei der Verteilung die Qualitäten guter Führungskräfte gefragt: Stärken und Schwächen der Gruppenmitglieder sollten bei der Zuordnung bedacht werden – und zwar auf wertschätzende Art und Weise.
Dabei lohnt es sich, nicht nur die verschiedenen Bereiche der inhaltlichen Arbeit im Blick zu haben (Leseratten recherchieren, Entertainer*innen präsentieren), sondern auch die Rollen in der Zusammenarbeit: Wer achtet auf die Zeit? Wer ist Kummerkasten? Wer korrigiert die Arbeit vor Abgabe …
Mehr als nur Bla Bla
Wie im Rest des Lebens auch: Wenn es hakt, hakts meist an der Kommunikation. Das ist die Sollbruchstelle menschlichen Miteinanders. Hier ein klares Vorgehen zu abzustimmen, baut also vor. Vielleicht möchtet Ihr vorab festlegen, welche Form des Datentransfers für alle in Frage kommt – denn nicht alle genießen den 24/7-rundum-Beschuss in WhatsApp-Gruppen. Oder Ihr wollt Euch Kommunikationsregeln geben.
Dabei müsst Ihr das Rad nicht neu erfinden, sondern könnt auf Eure Erfahrungen und bestehende Kommunikationstechniken zurückgreifen. Jede Runde braucht etwas anderes. Während es für die einen reicht, sich darauf zu einigen, Wortmeldungen zu machen bevor jemand was sagt, wollen andere sich vielleicht in die gewaltfreie Kommunikation einarbeiten.
Artikeltipp: Gewaltfreie Kommunikation
„Softskills“ – ein Modewort, das Career Services und Personalabteilungen umtreibt. Und tatsächlich sind soziale neben fachlichen Kompetenzen oft karriereentscheidend. Ein Feigenblatt im Lebenslauf kann das nicht leisten. Gewaltfreie Kommunikation aber schon: GFK kann Konflikte und Selbstsabotage lösen und tragfähige Beziehungen aufbauen. weiter
Gerade beim Umgang mit Problemen ist es wichtig, dass wir uns zuhören, ausreden lassen und verstehen. Manchmal kann auch eine kurze Pause Wunder wirken und die erhitzten Gemüter abkühlen.
Zuweilen kann es sinnvoll sein, den Ernstfall vorzudenken: Was machen wir, wenn wir uns mitten im Prozess zerstreiten? Hier bereits einen Notfallplan in der Schublade zu haben, kann so viel Sicherheit geben, dass die Schublade nie geöffnet werden muss. Wie kann so ein Notfallplan aussehen? Je nachdem, woran ihr arbeitet und was Ihr braucht, überlegt ihr Euch Antworten auf Fragen wie: Wer behält die Rechte an dem bereits Erarbeiteten, falls wir getrennte Wege gehen? Wollen wir vorab einen Menschen unseres Vertrauens fragen, ob er uns im Konfliktfall mit Mediation zur Verfügung stehen würde? Was macht uns sonst noch Sorgen und möchte bedacht werden?
Spätestens das Berufsleben kann uns vor solche Fragen stellen. Aber auch im Uni-Kontext gibt es Kooperationen, die solche Überlegungen nötig machen – zum Beispiel das gemeinsame Schreiben an einer Abschlussarbeit.
Stille Wasser…
Brainstorming, wie wir es aus der Schule kennen, funktioniert oft so, dass eine Person vorne steht und vor der ganzen Gruppe Einfall um Einfall sammelt und visualisiert. Um (gerade in diversen Gruppen) aber das volle Potenzial der Schwarmintelligenz abzuschöpfen, ist eine andere Herangehensweise angebracht: Introvertierte oder aus anderen Gründen zurückhaltende Gruppenmitglieder, bringen sich andernfalls nicht so ein wie es wünschenswert wäre. Dadurch gehen viele Impulse verloren. Daher ist es hilfreich, wenn alle zunächst allein brainstormen und ihre Ideen schriftlich festhalten.
Gut ist, die Regel zu etablieren, dass auch dabei bereits nicht zensiert wird. Alles darf aufs Blatt – und sei es noch so blöd! Im schlimmsten Fall macht es den geistigen Kanal frei für andere Inhalte, zieht es eine Erleuchtung nach sich oder stößt bei jemand anderem später etwas an.
Erst wenn alle fertig sind, werden die Notizen zusammengetragen – auch das am besten wieder vollständig, notfalls mit Wiederholungen und ohne Zensur. So werden alle gleichermaßen gehört. Das geht sogar ohne Moderation. Es reicht, wenn die Regeln klar sind.
4. Die üblichen Verdächtigen
Traum oder Albtraum?
Nicht alle lieben Gruppenarbeit. Introvertierten aber auch hoch empathischen Menschen8 kommt es eher entgegen, allein zu arbeiten. Auch hängt es vom Lerntyp ab, ob wir von Gruppenarbeit profitieren: Alleinlerner*innen ziehen – wie der Begriff schon vermuten lässt – andere Formate vor.9 Das wird in den Systemen, in denen wir lernen und jobben allerdings nicht unbedingt berücksichtigt. Um so wichtiger, dass wir es auf dem Schirm haben!
Wenn Du zu einer der oben beschriebenen Menschengruppen gehörst, ist es wichtig, dass du dich kennst und verstehst. Je besser du weißt, was du brauchst, desto besser kannst du für dich sorgen und deiner Arbeitsgruppe verständlich machen, welche Rahmenbedingungen aus dir einen echten Gewinn machen. Denn du bringst in die Gruppe etwas Besonderes ein, das sie diverser macht. Dazu braucht es aber Voraussetzungen, damit du deine Superkräfte entfalten kannst. Vielleicht magst du unter diesen Umständen dann sogar eine Leitungsfunktion in der Gruppe übernehmen.
Hilfreich kann sein, dass du vor einem Treffen vorbereitest, was du sagen möchtest, und dass du dir vornimmst, dich im Austausch zu Wort zu melden, bevor das Treffen vorbei ist. Wenn es dir unangenehm ist vor anderen zu sprechen, helfen leider hauptsächlich die üblichen drei Dinge: Üben, üben, üben. Je öfter du dich solchen Situationen aussetzt, desto mehr gewöhnst du dich daran. Achtung! Hierbei ist es wichtig, in kleinen Schritten vorzugehen, um sich nicht zu überfordern!
Wenn wir uns zu Trainingszwecken in ein Haifischbecken stürzen, ist es gut möglich, dass künftig schon der Anblick eines Goldfischglases bei uns Panikattacken auslösen kann. Damit ist niemandem geholfen.
Arbeitest du besser und lieber allein? Dann mach deiner Gruppe doch den Vorschlag, einen Teilbereich zu übernehmen, den du allein durchführen kannst, um ihnen zuzuarbeiten – das Layout der PowerPoint-Präsi Beispiel. Wenn du die Möglichkeit hast, statt in der Gruppe allein zu arbeiten, möchtest du diese eventuell nutzen, weil es dir mehr entspricht.
Lass die anderen wissen, dass das nichts mit ihnen, sondern allein mit dir zu tun hat – dann fällt es dir vermutlich leichter, dich zurückzuziehen. Denn du kannst die Sorge loslassen, sozial den Anschluss zu verpassen oder die falschen Signale zu setzen.
Wenn du introvertiert bist, kann es sein, dass du Gruppenarbeit bis zu einer bestimmten Gruppengröße oder mit bestimmten Menschen gut vertragen kannst. Versuch dir diese Voraussetzungen zu schaffen. Vielleicht möchtest du aber auch ab und an über deinen Schatten springen, und dich ein bisschen aus der Reserve locken, um dich zu trainieren?
Dass deine Mentor*innen und Buddys im Zweifelsfall wissen, was du erreichen möchtest, damit deine Zurückhaltung nicht mit mangelnden Ambitionen verwechselt wird, kann ebenfalls von Vorteil sein. An der Hochschule kann es sich dabei um Dozent*innen handeln, die dich fördern, um die Arbeitgeber*innen und Vorgesetzten im Praktikum oder beim HiWi-Job, um Betreuer*innen in deinem Mentoring-Programm oder die um die Menschen, die dich bei deiner Bachelor- oder Masterarbeit begleiten.
Still oder nicht – deinen Entwicklungswunsch zu teilen hilft dir dabei um dich in die gewünschte Richtung zu bewegen und um bei der Vergabe von Aufgaben und Posten und Chancen nicht übersehen zu werden.
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https://youtu.be/oiLWwtqunpw
Wenn du nicht selbst betroffen bist, sondern die Gruppe leitest oder andere Teammitglieder unterstützen möchtest, ihr Bestes zu geben oder sich wohl zu fühlen, ist es auch Gold wert, über diese Persönlichkeitseigenschaften Bescheid zu wissen. Bring dein Wissen ein und sorg dafür, dass alle Mitglieder der Gruppe sich so einbringen können, wie es ihnen entspricht.
Gegeneinander oder miteinander?
Differenzen beim Vorgehen sind natürlich und können unterschiedliche Gründe haben. Wichtig ist, dass sie zugelassen werden. Nur was wir wahrnehmen und anschauen, können wir lösen.
Oft scheitern Gruppenarbeiten daran, dass die Mitglieder unterschiedliche Zielvorstellungen haben. Der eine will nur irgendwie die Creditpoints mitnehmen, die andere will mit guten Noten brillieren. Darum ist es wichtig, die unterschiedlichen Ziele abzustimmen. Optimalerweise gleich am Anfang – aber im Zweifelsfall eben zu dem Zeitpunkt, wenn sich Reibungspunkte ergeben. Meist äußert sich das darin, dass eine Person zu viel und eine zu wenig macht. Nicht selten sind alle Beteiligten unzufrieden.
Darum ist es schlau, sich über die Ziele einig zu werden. Das braucht eventuell etwas Mut. Denn etwas anzusprechen, das potenziell zu einer Auseinandersetzung führen könnte, ist nicht für alle ein Leichtes. Trotzdem ist gut beraten, wer das gleich klärt – sonst wartet die böse Überraschung eben unter dem Teppich auf euch und kommt wohlmöglich zu einem Zeitpunkt zu Tage, wenn ihr nur noch mit Mühe gegensteuern könnt. Kurz vor Abgabe einer Projektarbeit sollte diese Bombe nicht platzen. Da ist das Stresslevel ohnehin hoch genug! Und ihr habt kaum mehr Zeit, das einzufangen.
Wenn Ihr dabei seid, Ziele abzugleichen, ist es übrigens auch von Vorteil, sich gleich auf Termine zu einigen: Struktur ist eine gute Prävention gegen alle möglichen gruppenbedingten Kinderkrankheiten wie die bekannte Aufschieberitis.
Faultiere 🦥
Ein bekanntes Wesen aus der Sphäre der Gruppenarbeit ist das Faultier. Egal wie klar die Aufgaben verteilt sind, glänzt es durch Abwesenheit, Vergessen oder eben Verschieben. Übernommene Arbeiten bleiben liegen.
Leider gibt es kein Wundermittel gegen Menschen, die uns das Leben schwer machen. Die einzige Wunderwaffe ist Kommunikation – und hier haben wir wie immer nur 50% der Verantwortung auf unserer Seite. Diese aber können wir nutzen und zunächst freundlich nachfragen: Manchmal liegt einfach ein Missverständnis vor. Oder die Person hat schlicht Schwierigkeiten, die Verpflichtungen einzuhalten und hat dies (zum Beispiel aus Scham) noch nicht kommuniziert. Dann lässt sich gemeinsam eine Regelung finden.
Läuft ein Gespräch aber ins Leere, ist es ratsam, die Inhalte gerecht auf alle Schultern zu verteilen – wenn sie denn unbedingt erledigt werden müssen. Den Rest regelt hoffentlich das Karma – die Lehrkraft jedenfalls empfiehlt es sich, wenn möglich, rauszuhalten. Schließlich dienen Gruppenarbeit zum Training späterer beruflicher Kooperationen. Und da läuft man ja auch nicht wegen jeder Kleinigkeit zur Führungsetage…
Gruppen verstehen, Teamarbeit verbessern!
Modelle, Methoden und Material:
Das Situationsmodell von Schulz von Thun hilft beim Moderieren von Gruppen
Das Werte- & Entwicklungsquadrat liefert eine gute Basis zum Verständnis von Gruppenkonflikten.
Das Riemann-Thomann-Modell hilft beim Dolmetschen zwischen sehr unterschiedlichen Gruppenmitgliedern.
Die Teamrollen nach Belbin geben Anhaltspunkte für eine sinnvolle Aufgabenverteilung.
Gutes Feedback fördert die Zusammenarbeit, giftiges Feedback kann ihre Basis zerstören.
Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis benennen: Feedback geben mit Gewaltfreier Kommunikation nach Rosenberg.
Technische Helferlein unterstützen Struktur, Kommunikation & Datentransfer, wie zum Beispiel dropbox oder doodle.
Auch Lerngruppen brauchen Pausen! Mehr über diese und andere Lern-Strategien: Lernen lernen – mit Spaß fast im Schlaf 😇 auf Studis Online
Gemeinsam blödelt es sich am besten: Spaß und Begeisterung unterstützen das Knüpfen neuer Synapsen (vgl. Interview mit Prof. Dr. Gerald Hüther).
Gruppen-Kommunikation verbessern durch Paraphrasieren (Wiedergabe des Inhalts). Aktiven Zuhören hilft gegen Missverständnisse.
5. Fazit
Und? Wie lautet dein Fazit am Ende dieses Artikels? Macht Gruppenarbeit Sinn? Siehst du eine Möglichkeit, dich stimmig in eine Gruppenarbeit einzubringen?
Ich fürchte, ich muss mit einer typischen Psychologinnen-Antwort schließen und habe kein klares Ja oder Nein am Start. Ob wir in Gruppen zurechtkommen, hängt – wie wir gesehen haben – von vielen verschiedenen Einflussfaktoren ab. Und das hier waren längst nicht alle!
Verlässlich ist: Wie immer im Leben können wir die anderen nicht ändern, sondern müssen bei uns selbst anfangen. Darum lautet mein Tipp: Wenn du in der Gruppe arbeiten musst oder möchtest, sorg dafür, dass du so teamfähig bist wie möglich:
Bleib in Kommunikation. Auch wenns mal knirscht – äußere dich konstruktiv. Konzentriere dich auf die Stärken deiner Mitstudierenden und nimm an, was sie nicht so gut können. Und vor allem: Kenne dich selbst und sorg' für dich. Was du brauchst, um volle Power zu geben, weiß niemand so gut wie du.
Weiterführendes zum Thema
Literaturtipps
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Links
Quellen und Links
1 Marc Uwe Kling: Känguru Chroniken. Youtube.
2 Team-Diversity gewinnt? Diversität als zweischneidiges Schwert. Wirtschaftspsychologische Gesellschaft (WPGS)
3 Diversity: Vielfältige Teams treffen bessere Entscheidungen. Senta Gekeler auf humanresourcesmanager.de
4 Why diversity matters. McKinsey.
5 Vorteile heterogener Teams: naiver-management.net
6 Gruppenarbeit. Mario Sorgalla.
7 Die Norming-Phase: Ein Miteinander entsteht. teamentwicklung-lab.de
8 Are You an Empath? Take the 20 Question Empath Test. Judith Orloff.
9 Lernen in Gruppen. Mario Sorgalla.
10 Teamwork – So kostet dich die Gruppenarbeit nicht den letzten Nerv. potenzial-magazin.de