Gedächtnis und DenkenFünf Alternativen zum Auswendiglernen
Von Sabine Grotehusmann
Einige Studiengänge erfordern in ihren Prüfungen die Wiedergabe von Faktenwissen, von Details und auch von Abläufen oder Prozessen. Speziell für Staatsexamensprüfungen führt scheinbar kein Weg am Auswendiglernen vorbei. Deshalb ist der Buchmarkt voll mit Büchern von Gedächtnistrainern. Immer neue Techniken werden präsentiert, um einfacher, schneller und besser auswendig zu lernen. Dabei wird betont, dass die Fähigkeit leicht trainiert werden kann und auch nichts mit Intelligenz zu tun hat.
Möchtest du dein Studium ohne Mnemotechniken absolvieren? Um sich Lernstoff einzuprägen, muss man nur eine einzige Sache tun: Man muss sich geistig mit dem Stoff auseinandersetzen. Aus diesem Grund funktioniert es in der Regel auch nicht, sich den Stoff einfach nur mehrfach durchzulesen. Sich geistig damit auseinanderzusetzen bedeutet, den Stoff zu durchdringen, ihn sich zu eigen zu machen, ihn mit dem eigenen Verstand nachzuvollziehen.
Im Folgenden lernst du fünf Wege kennen, wie du deinen Lernstoff umwälzen kannst und ihn dir dadurch aneignest.
1. In Kürze: Häufige Fragen zum Auswendiglernen
Es gibt eine Vielzahl an Techniken zum Auswendiglernen. Du kannst dir bspw. eigene Lückentexte erstellen oder dies zusammen mit einem/einer LernpartnerIn tun. Manche Menschen lernen auch besser mit der ABC-Technik, der Struktur-Lege-Technik oder der Re-Strukturierung. Auditive Lerntypen können klassischerweise am besten mit Audio-Aufnahmen lernen – in Zeiten des Smartphones leichter denn je.
Mit ABC-Listen lernt man vor allem spielerisch. Du findest im Lernprozess mit den ABC-Listen zu einem Thema zu jedem Buchstaben des Alphabets ein Wort. Du kannst das mit jedem Text, jeder Zusammenfassung und jedem Fachgebiet machen. Im Gegensatz zum wiederholten Durchlesen deiner Zusammenfassungen, beschäftigst du dich auf diese Weise aktiv mit dem Stoff. Wichtig ist, wie gesagt, dass du spielerisch vorgehst und großzügig alles notierst.
Du notierst alle wichtigen Begriffe zu einem Thema auf kleinen Zetteln. Du kannst die Begriffe zum Beispiel spontan notieren und dann mithilfe deiner Lernunterlagen ergänzen. Lege die Begriffe dann strukturierend zusammen. Es soll erkennbar werden, welche Begriffe inhaltlich zusammengehören und in welchem Verhältnis sie stehen (Über-/Unterordnung, Gleichstellung, Voraussetzung, Folge…). Erkläre jemandem deine Struktur, fotografiere sie und hebe die Kärtchen auf.
2. Lückentexte
Erstelle aus deinen Unterlagen Lückentexte. Das geht besonders einfach bei Lernstoff, der bereits in digitaler Form vorliegt. Überlege zunächst, für welche Themen sich dieses Verfahren in deinem Fall eignet – schon bei diesen Überlegungen wälzt du übrigens deinen Prüfungsstoff mit dem Verstand um. Ermittle dann, welche Begriffe wichtig sind und welche du noch nicht beherrschst – und auch bei diesem Vorgang setzt du dich geistig mit dem Stoff auseinander.
Erstelle danach mithilfe kostenloser Programme deine eigenen Lückentexte. Nutze zum Beispiel kostenlos „lueckentexte.de“. Die verschiedenen Schritte sind zwar nicht immer super übersichtlich. Dennoch ist die Benutzeroberfläche einfach gehalten und es gibt einige sinnvolle Features. Du hast z.B. Möglichkeit, Bilder neben dem Lückentext zu platzieren, um auch visuelle Reize beim Lernen zu integrieren.
Beispiel für einen Lückentext
Das geht besonders einfach bei __________________ , der bereits in digitaler Form ________________ . Überlege zunächst, für welche Themen ________ dieses Verfahren in deinem Fall ____________ – schon bei diesen Überlegungen wälzt ____ übrigens deinen Prüfungsstoff mit dem ________________ um. Ermittle dann, welche Begriffe ______________ sind und welche du noch __________ beherrschst und auch bei diesem Vorgang __________ du dich geistig mit dem __________ auseinander. Erstelle danach mithilfe kostenloser __________________ deine eigenen Lückentexte.
du / eignet / Lernstoff / nicht / Programme / setzt / sich / Stoff / Verstand / vorliegt / wichtig
Du wirst jetzt vielleicht denken: „Was für ein Aufwand! So viel Zeit habe ich nicht!“
Das stimmt. Es kostet Kraft und Zeit, aber auf diese Weise eignest du dir das Wissen beim Erstellen der Lückentexte bereits an. Du wirst dich dabei konzentrieren können und kommst entscheidende Schritte beim Lernen weiter. Der sichtbare Erfolg, wenn du deine eigenen Lückentests richtig ausfüllst, wird dich zum Weiterlernen motivieren.
Mit anderen Lernern zusammen könnt ihr euch auch gegenseitig Lückentexte erstellen. Dadurch wirst du vielleicht auf Themen aufmerksam, die du selbst vergessen hattest oder von denen du glaubtest, sie zu beherrschen, aber doch noch Übungsbedarf hattest. Wenn du die Lückentexte der anderen jedoch fehlerfrei löst, dann wirst du im Lernen weiter positiv bestärkt.
3. Re-Strukturierung der Zusammenfassungen
Wie bekomme ich die Zusammenfassung meines Lernstoffes in den Kopf? Strukturiere sie neu! Zum Teil prägt sich der Stoff bereits dadurch ein, dass man die Zusammenfassung erstellt, denn es handelt sich dabei um eine geistige Auseinandersetzung par excellence.
Es muss entschieden werden, was weggelassen werden kann, wie die Zusammenfassung strukturiert wird, welche Fachbegriffe unbedingt aufgenommen werden müssen. Aus verschiedenen Gründen bleibt nicht jeder Lernstoff allein durch das Zusammenfassen hängen. Die Frage, die sich daran anschließt ist: Was macht man mit den Zusammenfassungen?
Der Stoff muss weiter durchdrungen werden. Wälze den Lernstoff um, indem du deine Zusammenfassungen neu strukturierst. Gerade vor mündlichen Prüfungen oder vor Multiple-Choice-Klausuren bietet sich diese Methode an.
Ein Beispiel aus der Pharmazie: Im Bereich der Analytik kann es sinnvoll sein, aus den Nachweisen der einzelnen Stoffe, Listen zu den verschiedenen Niederschlagsfarben zu erstellen: gelb, grün, rot, blau, weiß.
4. ABC-Listen
Eine weitere Technik, um Lernstoff aktiv umzuwälzen, ist das Erstellen von ABC-Listen.
Bleiben wir bei dem Beispiel der Pharmazie. Du musst dir Wissen über Elemente aneignen. Schreibe alles, was z.B. die Borgruppe betrifft in Form einer ABC-Liste auf. Du schreibst das ABC untereinander auf. Dann notierst du das Thema oben drüber. Als nächstes versuchst du zu jedem Buchstaben ein Wort zu finden, das zu deinem Thema gehört. Wichtig ist, dass du spielerisch vorgehst und großzügig alles notierst.
Auch wenn etwas nicht ganz zum Thema gehört, schreibe es ruhig auf. Dadurch wird dein Gedächtnis sozusagen angezapft. Wenn du einige Begriffe hingegen selbst zensierst, blockierst du damit den Erinnerungsprozess.
Du kannst das mit jedem Text, jeder Zusammenfassung und jedem Fachgebiet machen. Im Gegensatz zum wiederholten Durchlesen deiner Zusammenfassungen, beschäftigst du dich auf diese Weise aktiv mit dem Stoff. Ein Nebeneffekt ist, dass du dich besser konzentrieren kannst und bei der Sache bleibst, da du etwas Konkretes zu tun hast. Deine Gedanken sind an die Aufgabe gebunden und können nicht so leicht abschweifen, wie es beim Durchlesen der Fall ist.
Als letzten Schritt ergänzt du deine Liste mithilfe deiner Aufzeichnungen. Du kannst zum Vertiefen deine ABC-Listen wiederholt durchlesen oder erneut Listen zu denselben Themen erstellen. Der Vergleich der Listen gibt dir Aufschluss über deinen Lernstand.
Hier findest du eine ABC-Vorlage, damit du es gleich einmal ausprobieren kannst.
Ein Beispiel dazu:
Die Informationen für das Beispiel-ABC stammen aus dem Text Borgruppe von chemische-experimente.com.
5. Struktur-Lege-Technik
Die sogenannte Struktur-Lege-Technik hat drei Auswirkungen: Zum einen dient sie den Lernenden dazu, Zusammenhänge zu verstehen.
Zum anderen werden diese Zusammenhänge durch diese Arbeitsform auch behalten. Außerdem werden durch sie wichtige Schlüsselwörter und Fachbegriffe vertieft.
Beispiel für die Struktur-Lege-Technik
Wie funktioniert die Struktur-Lege-Technik? Dazu notierst du alle wichtigen Begriffe, die zu einem Thema gehören, auf kleinen Zetteln oder Karten. Hast du gerade keine zu Hand, bietet es sich auch an, nicht mehr gebrauchte bedruckte Blätter zu nehmen und sie auf eine kleine Größe zuzuschneiden.
Du kannst die Begriffe zum Beispiel spontan notieren und dann mithilfe deiner Lernunterlagen ergänzen. Lege die Begriffe dann strukturierend zusammen. Es soll erkennbar werden, welche Begriffe inhaltlich zusammengehören und in welchem Verhältnis sie stehen (Überordnung, Unterordnung, Gleichstellung, Voraussetzung, Folge…).
Im Idealfall erklärst du jemandem deine Struktur. Fotografiere sie und hebe die Kärtchen auf. Du kannst die Übung zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal machen und deine beiden Ergebnisse miteinander vergleichen. Was ist jetzt anders? Warum? Wichtig ist, dass es meistens nicht die eine richtige Lösung gibt. Im nebenstehenden Bild wurde das Thema „Lebendiger Vortrag“ mittels Struktur-Lege-Technik bearbeitet.
6. Lernstoff als Audio-Aufnahme
Die folgende Alternative zum Auswendiglernen kommt gerade dank der Smartphones wieder in Mode. Es handelt sich darum, sich den Lernstoff selbst auf Band zu sprechen und sich wiederholt anzuhören. Mit den Handys und Tablets ist das heutzutage sehr einfach und es bedarf weder eines Diktiergerätes oder anderer technischer Gerätschaften.
Sprich dir die Texte, Regeln, Definitionen, Gesetze, Formeln, Reaktionen, mit denen du besondere Schwierigkeiten hast, aufs Handy. Höre dir deine Aufnahme zunächst mehrfach nebenbei an. Das heißt, dass du nicht konzentriert lauschst und versuchst, das Gesprochene nachzuvollziehen, sondern dass du das Gesprochene nur hörst. Der Stoff sollte gehört werden, während du mit anderen Dingen beschäftigt bist (Einkaufen, Putzen, Bahnfahren). In einem zweiten Schritt höre dir deine Aufnahme kurz vor dem Einschlafen oder kurz nach dem Aufwachen an. Die Aufnahme sollte jeweils zwischen 5 und maximal 20 Minuten dauern.
Es hat sich auch gezeigt, dass das Gehirn in diesen Phasen besonders aufnahmefähig ist. Das hat mit den Hirnfrequenzen zu tun, die dann niedriger sind als tagsüber. Versuche dabei, den Stoff zu verstehen. Gehe gedanklich mit, soweit es dir ohne große Anstrengung möglich ist.
Diese Technik kannst du gut mit den anderen vorgestellten Verfahren kombinieren. Probiere es aus, wenn du auf Pauken und Eintrichtern keine Lust hast.
Die Autorin dieses Artikels
Sabine Grotehusmann (Köln) arbeitet als Autorin, Oberstudienrätin und Skype-Prüfungscoach mit den Schwerpunkten: Lernen und Kreativität.
www.derpruefungserfolg.de.
Artikelreihe Lerntechniken auf Studis Online
Quelle und Lese-Tipp:
Hinweis: Der Artikel wurde am 3. November 2015 erstmalig auf Studis Online veröffentlicht. Das oben genannte Datum zeigt die letzte Aktualisierung seitens der Redaktion an.