Fürs Gemeinwohl arbeiten ... mit Sicherheit!Einstieg in den öffentlichen Dienst
Von Anja Schreiber
Inhalt
1. Oft gestellte Fragen
Es gibt sehr viele Studiengänge, manche haben nur verschiedene Namen, manchmal ist der Fokus anders gesetzt. Du kannst unter anderem wählen zwischen Public Management, European Studies, Polizeivollzugsdienst, Steuerwesen, Sozialmanagement und vielen mehr.
Du kannst an einer Ausbildungsstelle des öffentlichen Dienstes (dual) studieren, nach einem bereits abgeschlossenen Studium direkt einsteigen, ein Referendariat oder Traineeprogramm absolvieren.
Häufig bist du im öffentlichen Dienst verbeamtet. Meist wird dir eine hohe Verlässlichkeit und Sicherheit geboten, genauso wie eine die Möglichkeit auf Teilzeit. Dazu ist im öffentlichen Dienst die „Gender Pay Gap“ geringer als in der freien Wirtschaft.
2. Enge Verzahnung von Theorie und Praxis
Der 28-jährige Benjamin Günther hat zum Beispiel Arbeitsmarktmanagement an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit in Schwerin studiert. „Für mich war dieses Studium genau richtig“, betont der aus Wismar stammende Bachelor-Absolvent. „Es hatte eine klare Struktur und einen festen Stundenplan. Nach drei Studienjahren hatte ich den Abschluss auch wirklich erreicht.“
Außerdem schätzte er die enge Verzahnung von Theorie und praktischer Tätigkeit. „Das Studium gab mir spannende Einblicke in BWL, VWL und Sozialwissenschaften, aber auch in öffentliches Recht und Integrationsmanagement.“ Und atmosphärisch stimmte es ebenfalls: „Der Kontakt zu den Professoren war eng und die Stimmung an der Hochschule familiär.“
Zuvor hatte Günther an der Universität Rostock Geschichte und Evangelische Religion für das Lehramt an Gymnasien belegt. „Dieses erste Studium war ein Fehlgriff“, erklärt der Mitarbeiter der Arbeitsagentur Berlin Süd. „In erster Linie lag das an der falschen Fächerwahl.“
Dass er sich nach dem Studienabbruch für ein duales Studium bei der Bundesagentur für Arbeit beworben hat, verdankt er seiner damaligen Berufsberaterin. Denn diese machte ihn auf diese Studienmöglichkeit aufmerksam. „Schon nach meinem Abitur wollte ich eigentlich in den öffentlichen Dienst. Denn das Schulfach Sozialkunde hat mir immer gelegen“, so Günther, der früher Schülersprecher war. „Doch damals bekam ich keinen Studienplatz.“ Umso mehr freute er sich, als es bei Bundesarbeitsagentur klappte.
Heute arbeitet der Arbeitsvermittler im Arbeitgeber-Service „Asyl“: „Ich konnte diese spezielle Anlaufstelle für Unternehmen, die Geflüchtete einstellen wollen, mit aufbauen“, berichtet der Bachelorabsolvent. „Mit dem Image einer verstaubten Amtsstube hat meine Arbeit nichts zu tun.“ Das Einzige, was an eine Behörde erinnere, sei das Stempelkarussel auf seinem Schreibtisch.
Vielfältige Einstiegsmöglichkeiten
„Für viele junge Menschen ist der öffentliche Dienst interessant, weil er sehr vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten bietet“, erklärt Kathleen Kuhnt, Studien- und Berufsberaterin bei der Jugendberufsagentur Berlin. Neben den klassischen Behörden wie Polizei, Feuerwehr und Finanzamt gibt es auch Einstiegschancen bei der Deutschen Rentenversicherung oder dem Bundesnachrichtendienst.
Die verschiedensten Landes- und Bundeseinrichtungen, aber auch landeseigene Betriebe bieten sowohl duale Studiengänge als auch den Berufseinstieg für Hochschulabsolventen an. „In der Regel müssen sich KandidatInnen bei der jeweiligen einstellenden Behörde bewerben“, so die Berufsberaterin.
Die eigenen Interessen beachten
So braucht der Wetterdienst AkademikerInnen mit einem naturwissenschaftlichen oder technischen Studium. Anderswo sind ÄrztInnen, PsychologInnen, SozialwissenschaftlerInnen oder KunsthistorikerInnen gefragt. Deshalb sei es wichtig, sich vorab zu erkundigen, welche Profile in der jeweiligen Behörde gebraucht werden.
Kuhnt empfiehlt KandidatInnen, sich an ihren eigenen Interessengebieten zu orientieren. „Wollen diese zum Beispiel lieber Menschen beraten oder im Controlling tätig sein?“ Grundsätzlich hätten allerdings AbsolventInnen mit einem juristischen, sozialwissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Studium mehr Chancen als GeisteswissenschaftlerInnen.
3. Direkteinstieg oder Traineeprogramm
Bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) besteht ebenfalls die Option des Direkteinstiegs. „Es bieten sich dafür etwa die Bereiche Beratung, ärztlicher Dienst, und berufspsychologischer Service sowie IT an“, erklärt Andrea Friedrich, bei der BA zuständig für Rekrutierung. In der Vermittlung und Beratung ist ohnehin ein Hochschulstudium Grundvoraussetzung für den Direkteinstieg. So haben auch Sozial- und Geisteswissenschaftler Aussicht auf Beschäftigung.
HochschulabsolventInnen mit vorzugsweise Masterabschluss können sich zudem für ein zweijähriges Traineeprogramm bewerben. „Ziel ist es, diese Akademiker auf Führungs- oder Expertenaufgaben vorzubereiten, indem sie verschiedene Abteilungen wie etwa Vermittlung oder Leistungsgewährung durchlaufen“, so Friedrich.
Für BewerberInnen mit Hochschulreife gibt es neben dem dualen Studium „Arbeitsmarktmanagement“ insbesondere für Menschen mit erster Berufserfahrung einen weiteren dualen Studiengang: „Beratung für Bildung, Beruf und Beschäftigung“. „Er richtet sich an jene, die in erster Linie beraten wollen. Er kommt zum Beispiel auch für StudienabbrecherInnen infrage“, betont Friedrich.
Im Land Nordrhein-Westfalen besteht ebenfalls die Möglichkeit des Direkteinstiegs: „Hochschulabsolventen können sich natürlich auf ausgeschriebene Stellen direkt bewerben ... wenn etwa der Verfassungsschutz eine IslamwissenschaftlerIn sucht oder Behörden IT-SpezialistInnen brauchen“, berichtet Dr. Marten Pfeifer, zuständig für Aus- und Fortbildung beim Innenministerium des Landes. Das seien aber vergleichsweise wenig Stellen.
4. Der Klassiker: Duales Studium oder Referendariat
Meist führt der Weg in den öffentlichen Dienst über ein duales Studium oder über ein Referendariat. So bietet das Land beispielsweise ein Verwaltungsreferendariat an. „Das kommt zum Beispiel für Wirtschafts- und VerwaltungswissenschaftlerInnen infrage“, erklärt Pfeifer. Bei den dualen Studiengängen können SchulabgängerInnen zwischen den Bereichen Verwaltung, Finanzverwaltung, Polizei, Informatik oder Technik wählen.
Wer über ein duales Studium in den Staatsdienst einsteigen will, studiert an speziellen Verwaltungshochschulen wie etwa der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (HS Bund). Sie bildet den akademischen Nachwuchs für die Bundesbehörden aus und hat ihren Hauptstandort im nordrhein-westfälischen Brühl. An der HS Bund gibt es zum Beispiel Studiengänge für die Bundespolizei, den auswärtigen Dienst, den Bundesnachrichtendienst sowie für den Zoll und den Verfassungsschutz.
„Ein großer Fachbereich ist die Allgemeine Innere Verwaltung. Hier kann man Verwaltungsmanagement studieren“, berichtet Frank Simon von der HS Bund. „Diese AbsolventInnen können in der inneren oder allgemeinen Verwaltung der verschiedenen Ministerien und Ämter eingesetzt werden.“
Die Studierenden der HS Bund stehen in einem BeamtInnenverhältnis auf Widerruf und verdienen mehr als 1200 Euro im Monat. Simon: „Anders als an Massenuniversitäten sind unsere Kurse mit 20 bis 30 TeilnehmerInnen überschaubar. Grundsätzlich ist das Studium verschult.“
Interesse am Allgemeinwohl
Um an der HS Bund studieren zu können, müssen die InteressentInnen einen schriftlichen Test und ein Interview bestehen. „Einen Numerus Clausus haben wir nicht, aber wir legen großen Wert auf Allgemeinwissen im Bereich Deutsch, Mathe und Gesellschaft“, betont Simon. „In den Einzelinterviews ist uns vor allem die Motivation wichtig. Die lebenslange Jobgarantie ist für uns kein ausreichender Grund, um beim Bund zu arbeiten.“
Kuhnt ergänzt: „Im Anschreiben sollten KandidatInnen ihr Interesse am Gemeinwohl erkennen lassen und zum Beispiel von ihren Erfahrungen im Ehrenamt berichten.“ Praktika spielen im Gegensatz zu Unternehmen meist keine große Rolle. „Anders als in der Wirtschaft ist es im Staatsdienst oft aus rechtlichen Gründen nicht möglich, Praktika zu machen.“
Kommunikationsstark, belastbar und flexibel
Buchtipp:
Buchtipps sind redaktionell ausgewählt. Wir erhalten eine kleine Provision, wenn über den Link auf Amazon eingekauft wird.
Pfeifer erwartet außerdem eine gute mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit, Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie Computeraffinität. „Das Thema Digitalisierung der Verwaltung spielt bei uns eine große Rolle. Deshalb wünschen wir uns vom Nachwuchs, dass er die anstehenden Veränderungen aktiv mitgestaltet.“
Wichtig ist, dass die BewerberInnen belastbar und flexibel sind. Denn sie können im Laufe ihres Berufslebens an verschiedene Orte versetzt werden. Sie sollten zudem teamfähig sein und die Bereitschaft zur Weiterbildung mitbringen, so Simon. Sein Tipp: Wer dual studieren möchte, sollte sich etwa ein Jahr vor Studienbeginn bewerben.
Nach einem dualen Studium bieten sich den AbsolventInnen verschiedene Karrieremöglichkeiten. „Sie können zum Beispiel später noch ein berufsbegleitendes Masterstudium zum Beispiel in ‚Public Administration‘ absolvieren. Eine automatische Beförderung gibt es aber nicht“, so Simon. „Auch im öffentlichen Dienst herrscht das Leistungsprinzip. Es hängt also vom eigenen Engagement ab, ob man aufsteigt. Das ist bei uns genauso wie in der Wirtschaft.“
5. Chancen und Risiken im öffentlichen Dienst
Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat 2016 in einer Branchenanalyse eine kritische Bestandsaufnahme gemacht, die nach wie vor ein Blick wert ist.
Die Autorin dieses Artikels
Anja Schreiber arbeitet seit vielen Jahren als freie Fachjournalistin zu den Themen Bildung, Studium und Beruf. Sie schreibt unter anderem für die Berliner Zeitung, Stuttgarter Zeitung und Süddeutsche Zeitung, aber auch für Hochschulmagazine und eine wissenschaftliche Publikation. Sie ist zudem die Autorin mehrerer Ratgeber. So hat sie zum Beispiel „Die Sehnsuchtsstrategie für Studierende und Hochschulabsolventen“ geschrieben. Das Buch hilft, den Berufseinstieg passgenau vorzubereiten.
Weitere Infos unter: anjaschreiber.de
Praktisch überall im öffentlichen Dienst gibt es eine Tendenz zur Überalterung der Belegschaft. Das ist Chance wie Risiko zugleich: Chance in dem Sinne, dass Neuanstellungen vorgenommen werden müssen und sich die Belegschaft im Laufe der nächsten Jahre wieder etwas verjüngen dürfte. Aber Risiko dadurch, dass mit diesem Übergang auch Wissen verloren gehen kann. Disruptiv wird der öffentliche Dienst wohl nie sein: Vorschriften sind Vorschriften. Im besten Fall heißt das aber auch: Verlässlichkeit und Sicherheit.
Im öffentlichen Dienst ist Teilzeit verbreiteter als in der freien Wirtschaft. Die Rückkehr in den Job nach einer Erziehungspause ist ebenfalls deutlich leichter. Ein „Gender Pay Gap“ besteht nur in geringem Maße. So verwundert es nicht, dass der Frauenanteil im öffentlichen Dienst recht hoch ist und weiter wächst.
6. Weitere Informationen
Studienmöglichkeiten
Informationen über Stellenangebote im öffentlichen Dienst
- Interamt – Das Stellenportal des öffentlichen Dienstes
- www.wir-sind-bund.de
- www.bund.de
- Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung
- Karriere bei der Bundesagentur für Arbeit
Literatur
Buchtipps sind redaktionell ausgewählt. Wir erhalten eine kleine Provision, wenn über den Link auf Amazon eingekauft wird.
- Hans-Georg Willmann: Duden Trainer - Einstellungstests für den öffentlichen Dienst. Assessment-Center & Co. erfolgreich bestehen, 608 Seiten, Duden, Berlin 2016 (via amazon.de [Werbung])
- Branchenanalyse Öffentlicher Dienst der Länder – Eine Untersuchung zur Arbeitssituation aus Sicht der Beschäftigten (Hans-Böckler-Stiftung, 2016, kostenloses PDF)
Anm. der Redaktion:
Der Artikel ist erstmalig am 16.05.2017 auf Studis Online veröffentlicht worden. Das oben genannte Datum zeigt lediglich den letzten Aktualisierungsstand an. Die Zitate sind unverändert aus der Originalversion des Artikels übernommen, die Personen können daher inzwischen in anderen Positionen sein, als im Artikel erwähnt.