Gap Year in DeutschlandMit FSJ, BFD oder Praktikum die Zeit zum Studium überbrücken
Von Michael Wudi
Du möchtest vor dem Studium noch etwas anderes machen, als sofort mit dem Büffeln anzufangen? Du weißt noch nicht, was du studieren willst und benötigst noch Zeit zur Orientierung? Oder du hast noch kein Studienplatz in der Tasche?
Ein Gap Year im Inland zu machen hat die Vorteile, dass es meist kostengünstiger und leichter zu organisieren ist. Jedoch gilt: wer sich früher informiert und bewirbt, hat meist eine größere Auswahl.
Wie du die Zeit zum Studium im Inland gut nutzen oder überbrückt kannst, erfährst du nun hier – und wir geben dir erste Hinweise zu sozialrechtlichen Fragen, wie Kindergeld oder Familienversicherungen. Genauere Details zu diesen Themen und auch inwieweit ein Gap Year einen Einfluss auf die Studienbewerbung hat, erfährst du im Artikel Gap Year-FAQ.
1. Kurz + knapp
Na klar! Ein Gap Year ist ja nichts anderes, als eine Auszeit nach dem Schulabschluss oder dergleichen. Nicht wenige nutzen die Zeit, um die weiteren Schritte danach zu planen und sich auszuprobieren. Hierfür kann ein Freiwilligendienst hilfreich sein, ein Praktikum, ein Studienkolleg oder auch ein Orientierungsstudium.
Bei einem Freiwilligendienst gehst du einer gemeinnützigen Tätigkeit nach. Was genau du dabei machst, hängt stark von der Tätigkeit ab, die du übernimmst. Typische Orte für deinen Freiwilligendienst sind Seniorenzentren, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Kulturzentren, Naturschutzzentren, Gedenkstätten und vieles mehr.
Du solltest einen Freiwilligendienst nur dann beginnen, wenn du dich für einen der Bereiche interessierst und du dich wirklich engagieren möchtest. Falls die tatsächlichen Tätigkeiten von deinen Vorstellungen stark abweichen oder wie es im Vorstellungsgespräch besprochen worden ist, solltest du etwas unternehmen. Nehme Kontakt mit der Einsatzstelle auf und kläre ab und suche das Gespräch. Immerhin machst du das ja freiwillig.
Ein Praktikum bietet dir einen guten Weg, den Berufsalltag eines Jobs kennenzulernen. Auch ist für manche Studiengänge ein Praktikum zwingend für eine Immatrikulation nötig. In deinem Vertrag für das Praktikum steht, wie lange das Praktikum läuft und was deine Tätigkeiten sein werden.
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Freiwilligendienste: Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilliges Ökologisches Jahr & Co. und Bundesfreiwilligendienst
Um was geht's
Ihr leistet gemeinnützige Arbeit an einer Einsatzstelle. Die Tätigkeit ist stark abhängig von den Einrichtungen – typische Orte sind Seniorenzentren, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Kulturzentren, Naturschutzzentren, Gedenkstätten und vieles mehr.
Einen Freiwilligendienst solltet ihr am besten nur machen, wenn ihr euch für einen betreffenden Bereich mit Engagement einbringen möchtet. Wichtig ist zudem, dass ihr mit den Einsatzstellen absprecht und verhandelt, welche Tätigkeiten von euch gefordert werden. Das tolle an allen staatlich-geförderten Freiwilligendiensten ist, dass ihr Fortbildungen und Bildungstage in der Zeit macht.
Programme
Es gibt viele unterschiedliche geförderte Bundesprogramme, unter deren Dach Freiwilligendienste angeboten werden:
Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ)
sowie die Varianten FSJ Kultur / Politik / Schule / Sport / Denkmalpflege / Wissenschaft, Technik und Nachhaltigkeit
Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ)
Bundesfreiwilligendienst (BFD)
Für wen?
FSJ & Co. können alle zwischen 16 und 26 Jahren machen;
der BFD hingegen kann zwar ebenfalls ab 16 Jahren aber auch von über 27 Jährigen gemacht werden.
Dauer
12 Monate (im BFD sind auch Dienste ab 6 Monaten möglich)
Vergütung
Taschengeld bis zu 453 Euro (Stand: 2024), oft jedoch weniger;
in einigen Fällen kann dir eine Unterkunft gestellt werden.
Weiteres Plus: Du erhaltest einen Freiwilligenausweis, der dir oft Vergünstigungen für Eintritte bringt sowie für den ÖPNV ... leider aber nicht für das 49 Euro-Ticket. Auch inklusive ist die Teilnahme an Seminaren und Fortbildungen.
Bewerbungstipps
Für alle Freiwilligendienste wird empfohlen, sich frühzeitig zu informieren – und leider gibt es keine zentralen Stellenbörsen. Trotzdem kann sich eine kurzfristige Suche immer lohnen, da auch noch knapp Restplätze frei sein können. Nicht immer können sich Interessierte bei der Einsatzstelle direkt bewerben – manchmal sind es zentrale Auswahlverfahren mit teilweise frühzeitigen Bewerbungsfristen.
Damit es kein Griff ins 🚽 wird
Die Saarbrücker Zeitung hat berichtet, dass ungefähr jede*r dritte „Bufdi“ den Dienst vorzeitig abbricht. Die Gründe liegen wahrscheinlich teilweise an persönlichen Gründen, wie eine späte Studienplatzzusage. Jedoch sind vielleicht auch manche von der Realität enttäuscht.
Unsere Tipps:
Sprich im Bewerbungsgespräch genau über deine Vorstellungen und Wünsche und lass dir den Arbeitsalltag detailiert schildern.
Wenn dich die Aufgaben unter- oder überfordern, zu monoton sind etc., rede frühzeitig mit deine Vorgesetzten. Du kannst nix verlieren!
Falls sich nichts ändert: Vielleicht hast du Glück und findest eine andere Freiwilligenstelle.
Trägersuche / Stellensuche
Weitere Informationen / Links
Sozialversicherung und Kindergeld
Alle Beiträge der Sozialversicherung (Krankenkasse etc.) werden von deiner Einsatzstelle übernommen. Wenn du noch jung genug bist, kannst du während dieser Zeit auch Kindergeld erhalten.
Bürgergeld / Wohngeld
Du kannst versuchen Bürgergeld oder Wohngeld zu beantragen – hierzu findest du mehr im Artikel Gap Year-FAQ.
Praktikum
Um was geht’s?
Ein Praktikum bietet nach der Schulzeit die Gelegenheit, Einblicke in ein konkretes Arbeitsfeld zu bekommen. Es kann so der Orientierung bei der Studienwahl dienen – und für einige Studiengänge ist ein Praktikum zwingend vor der Immatrikulation erforderlich.
Ein Praktikum ist in der Regel auf eine bestimmte Dauer beschränkt und im Praktikumsvertrag werden Tätigkeiten und Lernziele mit der Stelle vereinbart.
Ihr solltet darauf achten, dass ihr im Betrieb nicht als un(ter)bezahlte KaffeekocherInnen und KopiereInnen ausgenutzt werdet – dafür ist eure Lebenszeit einfach zu schade. Vielleicht kennt ihr jemand in eurem Umfeld, der schonmal wo ein Praktikum gemacht hat und Empfehlungen für euch hat. Oder schaut euch auf Bewertungsportalen im Internet um.
Für wen?
alle
Dauer
Je nach Vereinbarung
Vergütung
Für freiwillige Praktika muss der Mindestlohn bezahlt werden (seit 2024 sind es 12,41 €/Stunde) – außer wenn die Dauer weniger als 3 Monate beträgt oder das Praktikum Teil einer Maßnahme vom Arbeitsamt / Jobcenter ist.
Auch für Pflichtpraktika vor oder während des Studiums entfällt diese rechtliche Vorgabe – aber verhandeln hat noch nie geschadet.
Weitergehende Tipps
Bewerbung fürs Praktikum – We can work it out. Tipps zur Bewerbung
Sozialrechtliches
Auf die Frage, ob du Kindergeld, Bürgergeld oder Wohngeld erhalten kannst, gibt es keine eindeutige Antwort, da dies individuell geprüft wird.
Ausführlichere Infos findest du hier und auch im Artikel Gap Year FAQ.
Kindergeld
Mit einem Praktikum befindest du dich in einem Ausbildungsverhältnis und bist somit theoretisch kindergeldberechtigt.
Krankenversicherung
In der gesetzlichen Familienversicherung kannst du bleiben, wenn du nicht mehr als 505 Euro verdienst und unter 23 Jahre alt bist.
BAföG
Du kannst nur für ein Praktikum BAföG erhalten, wenn dieses zwingend für die Studienaufnahme vorausgesetzt wird (zum Beispiel oft für Soziale Arbeit). Die Regelung ist jedoch immer hochschulabhängig.
Wenn das Pflichtpraktikum zu einem späteren Zeitpunkt im Studium absolviert werden kann (es vor dem Studium zu machen also nur empfohlen aber nicht Pflicht ist), kannst du kein BAföG erhalten.
Bürgergeld / Wohngeld
Mit der Einführung des Bürgergelds 2023 hat sich nicht so viel geändert. Eine einheitliche Regelung und einen Anspruch auf Bürgergeld gibt es nicht: wer mehr als 15 Stunden die Woche arbeitet, ist nicht arbeitslos – egal wie hoch das Einkommen ist. Wer ein Praktikum macht. steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung und kann somit kein Bürgergeld beziehen – außer wenn es vorher beim Sachbearbeiter beantragt wurde und dem Ziel dient, die Arbeitsmarktchancen zu verbessern. Es kann somit sein, dass eher nur kurze Praktika genehmigt werden.
Eine leicht höhere Chance hast du bei einem Antrag auf Wohngeld – hierfür musst du jedoch nachweisen, dass du genügend Geld im Monat für den sonstigen Lebensunterhalt zur Verfügung hast.
WWOOF – Arbeiten auf Biohöfen
Um was geht’s?
Woofen – klingt erstmal seltsam. Ausgeschrieben steht es für World-Wide Opportunities on Organic Farms. Die Organisation ist ein Zusammenschluss von Ökolandbauern, die Menschen die Möglichkeit bieten, ökologische Landwirtschaft praktisch und nah zu erleben oder überhaupt kennenzulernen. Das Netzwerk bietet jedoch „nur“ die Adresse – Kontaktaufnahme und Organisation liegen in deiner Hand. Woofen kannst du nicht nur im Ausland sondern auch in Deutschland.
Für wen?
Das Mindestalter bestimmt jeder Hof selbst.
Dauer
Wird individuell abgesprochen.
Vergütung
Einen Lohn bekommst du für die Mitarbeit nicht – jedoch in der Regel komplett Kost & Logis.
Kosten
Um Einblick in die Datenbank der Höfe zu bekommen, musst du Mitglied bei WWOOF-Deutschland werden. Die jährliche Mitgliedschaft kostet 30 Euro pro Jahr (Stand 2023).
Kindergeld
Kindergeldberechtigt bist du nur, wenn du ein Praktikum oder FÖJ machst – ob dies möglich ist, musst du mit dem Betrieb absprechen.
Versicherung
In der gesetzlichen Familienversicherung kannst du in der Regel bleiben (wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, da du in der Regel kein Einkommen hast), solange du unter 23 Jahre alt bist. Achtet vielleicht darauf, dass der Hof eine Unfallversicherung für Helfer abgeschlossen hat.
Weitergehende Infos
Ausführliche Informationen findest du auf der deutschen WWOOF-Seite:
Studienkolleg
Um was geht’s?
Mit dem Begriff Studienkolleg sind meist Einrichtungen gemeint, in denen sich StudienbewerberInnen aus dem Ausland auf ein Studium in Deutschland vorbereiten können. Es gibt jedoch ein paar wenige Kollegs, wo sich Leute nach dem Abitur orientieren können und teilweise sogar schon Uni-Luft schnuppern können. Meist bieten die Kollegs auch Unterkünfte für die TeilnehmerInnen an.
Für wen?
Wer seine Hochschulreife in der Tasche hat
Dauer
1 Jahr (meist September - Juli)
Kosten
je nach Programm: ab 2.950 Euro bis über 28.000 Euro / Jahr (Stand: 2024);
Nicht vergessen solltest du die Kosten für Unterkunft, Nahrung & Co. falls diese nicht in den Programm-Kosten enthalten sind.
Manche Kollegs bieten auch die Chance auf ein (Teil-)Stipendium.
Versicherungen und Kindergeld
Da die Kollegs einen Ausbildungscharakter haben, ist eure Chance auf Kindergeld und den Verbleib in der Familienkasse gut (Altersgrenze normalerweise 25).
Studienkollegs in Deutschland
Orientierungsstudium / Probe-Studium / Vorstudium
Um was geht’s?
Du möchtest auf jeden Fall studieren? Aber du weißt nicht was? Immer mehr Hochschulen bieten Programme für ein Studium auf Probe an. Damit sammelst du bereits Studienerfahrung und kannst sogar teilweise Module absolvieren, die später anerkannt werden können. Daneben wird meist ein Orientierungsprogramm angeboten, in dem Beratung und Coaching in Anspruch genommen werden können.
Die meisten Angebote beim Probe-Studium liegen im Bereich MINT (Mathe+Informatik+Naturwissenschaften+Technik), von denen wiederum manche speziell für Frauen konzipiert sind. Es gibt aber auch Angebote aus dem Nicht-MINT-Bereich.
Für wen?
Alle mit einer Hochschulzugangsberechtigung.
Dauer
meist 2 Semester
Kosten
Abhängig von der Hochschule, wobei bei den privaten Hochschulen zusätzliche Studiengebühren hinzu kommen können.
BAföG, Versicherung und Kindergeld
In manchen Programmen bist du bereits immatrikuliert und hast somit Studierenden-Status – an anderen Hochschulen wiederum nicht. Das heißt: Informiere dich an den Hochschulen und kläre die Fragen dort.
Wer sich für ein Probe-Studium immatrikuliert und danach ein anderes Studium mit BAföG fortsetzen möchte, findet hier weitere Informationen zum Fachrichtungswechsel.
Angebote
Mehr Infos und auch konkrete Angebote von Hochschulen findest du in unserem Artikel Studieren auf Probe – Orientierungsstudium
Nix tun
Um was geht’s?
Um nix. Nicht mehr und nicht weniger …
Dauer
Je nach Wunsch bzw. abhängig davon, wie schnell Eltern oder Jobcenter sanktionieren.
Kosten
Lebenshaltungskosten.
Versicherungen, Kindergeld und Bürgergeld
Auf die Frage, ob ihr Kindergeld, Bürgergeld oder Wohngeld erhalten könnt, gibt es keine eindeutige Antwort, da dies individuell geprüft wird.
In der Familienversicherung kannst du bleiben, solange du unter 23 Jahre alt bist. Der Anspruch auf Kindergeld kann jedoch verfallen – die Ausnahmen zur Übergangszeit findest du hier. Unterhalt der Eltern steht dir nur zu, wenn diese genug Einkommen haben und es sich nur um eine Überbrückungszeit handelt, da die glaubhaft (!) angestrebte Ausbildung noch nicht begonnen werden kann. Sonst bist du auf das Bürgergeld angewiesen, falls du vorher nicht schon lange genug gearbeitet habt. Vor der Einführung des Bürgergelds galt: Wenn die Eltern Arbeitslosengeld II bekamen, wurde den Kindern selten gewährt, einen eigenen Haushalt zu gründen. Zudem bist du bei Bezug von Bürgergeld in den Arbeitsmarkt vermittelbar.
Weiteres findest du im Artikel Gap Year-FAQ.
Tipps zum Nix Tun
Rosig ist das Leben mit Bürgergeld nur bedingt – besonders wenn das nix tun nicht freiwillig gewählt ist. Manchmal ist die Phase sehr mühevoll, was auch von deinen Sachbearbeitern und Fallmanagern vom Jobcenter abhängt. Es gibt viele Seiten im Netz, die Informationen dazu zusammen getragen haben.
Auf jeden Fall ist Arbeitslosigkeit eines für die meisten: nach längerer Zeit sehr zermürbend, wenn du keine Tagesstruktur mehr hast. Deswegen ist es sinnvoll, dir etwas selbst in den Hintern zu treten mit Sport oder anderen Aktivitäten.
Vielleicht findest du ja auch einen kostenlosen Online-Kurs, der dich interessiert – und kommst womöglich auf eine Idee für ein Studium:
Über den Autoren
Michael Wudi ist Redakteur bei Studis Online – und hat neben diversen Praktika drei Freiwilligendienste „geleistet“, wie es in diesem Jargon so schön heißt: Nach dem Abi stand zuerst der damals noch obligatorische Zivildienst an, was heute total nach 80er klingt. Nach dem Studienabschluss hat er zwei Bundesfreiwilligendienste im Kulturbereich als Überbrückung und Orientierung gemacht.
Wir stellen dir in unserer Artikelreihe Gap Year verschiedene Wege und Möglichkeiten vor, wie du ein Jahr vor dem Studium (oder auch zwischen Bachelor und Master) aktiv nutzen kannst – ob im Ausland oder nebenan.
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Hinweis
Die Informationen in unseren Artikeln sind sorgfältig recherchiert. Trotzdem können wir keine Gewähr dafür übernehmen, dass sich nicht auch mal ein Fehler einschleicht. Auch möchten wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass Artikel keine Beratung ersetzen können. Sollten aus deiner Sicht wichtige Informationen in unseren Artikeln fehlen oder findest du die Darstellung unklar, so informiere uns per Mailformular, damit wir entsprechend nachbessern können. Vielen Dank!
Dieser Artikel wurde erstmalig am 04.10.2016 veröffentlicht, die letzte Überarbeitung erfolgte am oben genannten Datum.