DokumentationBefreiung / Ausnahmen von Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen
Wir dokumentieren hier Befreiungstatbestände und Ausnahmeregelungen bei den bis Sommersemester 2011 bestehenden allgemeinen Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen. Als ein historisches Dokument des Versuchs, allgemeine Studiengebühren wieder zu etablieren – vorläufig ist das gescheitert.
Besonderheiten bei den Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen war das einzige Bundesland, dass es den Hochschulen überlassen hatte, ob sie tatsächlich Studiengebühren einführen. Auch viele der Details blieben in der Hand der einzelnen Hochschule. Insofern ist dafür in die Liste der Studiengebühren-Beschlüsse (bzw. auch der Nicht-Beschlüsse) der Hochschulen in NRW zu schauen. Dort finden sich teilweise ergänzende Angaben und zum Teil Links auf die Studiengebührensatzungen der jeweiligen Hochschule (so denn – wie bei den meisten Hochschulen – Studiengebühren eingeführt wurden).
Ein weiterer Sonderfall: Gab es an der Hochschule Studiengebühren, bekam man als Student aber auch viel BAföG, dann konnte man über die Beantragung des Studienbeitragsdarlehens faktisch zu einer Befreiung oder zumindest einem teilweisen Erlass der Gebühren kommen. Formal zahlte man (bzw. eigentlich die NRW_Bank) die Gebühren zwar zunächst und nahm Schulden auf sich, nach dem Ende des Studiums wurden die Schulden aus den Studiengebühren aber gestrichen, wenn man auch noch BAföG-Schulden aus dem BAföG-Staatsdarlehen in ausreichender Höhe hatte.
Konkret war es so, dass einem in jedem Semester, in dem man mehr als 1000 Euro Schulden durch BAföG-Staatsdarlehen hatte, die Gebühren nachträglich erlassen wurden. Bei weniger als 1000 Euro Schulden wurde die Gebühr entsprechend gekürzt. Wer insgesamt auf 10.000 Euro oder mehr Schulden durch BAföG-Staatsdarlehen kam, dem wurden die Studiengebühren komplett erlassen. Voraussetzung aber immer: Man musste das Studienbeitragsdarlehen in Anspruch genommen haben. Einen Nachteil gab es, wenn es mit dem BAföG nach einigen Semestern nicht mehr klappte (z.B. weil die Eltern dann deutlich mehr verdienten oder man mit dem Leistungsnachweis beim BAföG Probleme bekam). Aus dem Darlehensvertrag für das Studienbeitragsdarlehen kam man dann kaum heraus – man konnte ihn nur durch sofortige Tilgung der bisher angefallenen Schulden tilgen. Sofern man aber auch nur ein paar Semester die Gebühren sparte, sollte es sich trotzdem gelohnt haben.
Regelung bei einer Exmatrikulation während (oder gar vor Beginn) des Semesters
§ 7 Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz: „[...] Bei dem Versagen der Zulassung oder der Einschreibung oder bei einer Exmatrikulation [Hervorhebung durch Studis Online] vor Beginn der Vorlesungszeit wird ein etwaig erteilter Abgabenbescheid nach Absatz 1 Nr. 1, 2, 6, 7 und 8 gegenstandslos; eine bereits gezahlte Abgabe ist zu erstatten.“
Mit Absatz 1 Nr. 1 ist dabei der Studienbeitrag (umgangssprachlich also die Studiengebühren) gemeint.
Ausnahmen von der Gebührenpflicht
(§ 8 Absatz 1 Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz)
Bei diese Ausnahmen sollte die Hochschule von sich aus auf die Erhebung von Gebühren verzichten.
Urlaubssemester
Explizit ausgeschlossen wurde ein Urlaubssemester, um sich auf die Abschlussprüfungen vorzubereiten.Praxis- und Auslandssemester
Im Gegensatz zu den Regelungen in anderen Ländern wurde dies in NRW nicht weiter eingeschränkt. Faktisch dürften trotzdem nur solche Auslands/Praxissemester gemeint sein, die in der Studien/Prüfungsordnung vorgeschrieben sind. Freiwillige solche Semester können aber vermutlich als Urlaubssemester gebührenfrei gestellt werden. Rechtzeitig erkundigen!Praktisches Jahr bei ÄrztInnen
Offizielle Formulierung im Gesetz: „Praktisches Jahr nach der Approbationsordnung für Ärzte“.Promotions-Studium
„Soweit sie nicht gleichzeitig in einen anderen als den in § 97 Abs. 2 Satz 2 Hochschulgesetz genannten Studiengang eingeschrieben sind“
Befreiung von der Gebührenpflicht / Erlass
(§ 8 Absatz 2 und 3 Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz)
Hier war jeweils vor Beginn des Semesters ein Antrag zu stellen, um in den Genuss einer Befreiung zu kommen. Die Details regelte die Gebührensatzung der jeweiligen Hochschule, sie konnte über die gesetzlichen Regelungen hinaus gehen (also trotz der im Folgenden oft genannten „höchstens X Semester“ auch mehr „Frei-Semester“ gewähren; die gesetzliche Regelung war also eher eine Art Mindestregelung, auch wenn es sich anders anhört).
Studierende mit minderjährigen Kind(er)
Im Gesetz heißt es „höchstens jedoch für drei Semester der Beitragspflicht in Höhe bis zum vollen Studienbeitrag“Behinderung oder schwere Krankheit
Wobei die Behinderung oder Krankheit sich studienzeitverlängernd auswirken muss (was wohl nachzuweisen sein wird)Studentische Vertreter in Organen der Hochschule
Konkret: „gewählte Vertreterin oder gewählter Vertreter in Organen der Hochschule, der Studierendenschaft, der Fachschaften der Studierendenschaft oder der Studentenwerke“ können von den Gebühren befreit werden, „höchstens jedoch für zwei Semester der Beitragspflicht in Höhe bis zum vollen Studienbeitrag“.Frauen- und GleichstellungsbeauftragteR
Wer als StudierendeR dieses Amt wahrnahm, konnte für bis zu zwei Semester vom Studienbeitrag befreit werdenEinschreibung an mehreren Hochschulen (aber kein Doppelstudium!)
Es ging nur darum, dass u.U. nicht doppelt gezahlt werden muss. Genauer beschrieb das § 2 Absatz 5: „Falls Studierende zugleich an einer Hochschule eingeschrieben und an einer anderen Hochschule nach § 71 Abs. 2 Hochschulgesetz zugelassen sind und falls in beiden Fällen eine Beitragspflicht entsteht, können die Hochschulen durch Vereinbarung nach § 109 Satz 2 Hochschulgesetz regeln, dass nur ein Beitrag erhoben wird und wie das Beitragsaufkommen auf die beteiligten Hochschulen verteilt wird. Das Ministerium kann durch Rechtsverordnung die Beitragspflicht und die Verteilung des Beitragsaufkommens abweichend von Satz 1 regeln.“In bestimmten Fällen: Ausländische Studierende
Zitat Gesetz (§ 8 Absatz 2): „Soweit Gegenseitigkeit besteht, sind von der Beitragspflicht auf der Grundlage der Beitragssatzung nach § 2 Abs. 1 auf Antrag ausgenommen ausländische Studierende, die eingeschrieben sind im Rahmen von zwischenstaatlichen oder übernationalen Abkommen oder von Hochschulvereinbarungen, die Gebührenfreiheit garantieren.“
Härtefallregelung
Im Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz § 8 Absatz 5 fand sich ein Passus, der eine Härtefallregelung darstellte, also für unvorhergesehene Fälle da war:
„Der Studienbeitrag auf der Grundlage der Beitragssatzung nach § 2 Abs. 1 kann auf Antrag von der Hochschule teilweise oder ganz erlassen werden, wenn seine Einziehung aufgrund besonderer und unabweisbarer Umstände des Einzelfalls zu einer unbilligen Härte führen würde, die die wirtschaftliche Existenz der oder des Beitragspflichtigen gefährden würde; bei der Entscheidung ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das Vorliegen einer unbilligen Härte nach Satz 1 ist glaubhaft zu machen.“
Im Gegensatz zu den Regelungen anderer Bundesländer wurde zwar nicht speziell auf das Studienbeitragsdarlehen verwiesen. Wer kein Geld hat, kann ja trotzdem das Darlehen bekommen, ist anderswo nämlich die Logik und damit sei es keine unbillige Härte mehr. Faktisch dürfte dies auch in Nordrhein-Westfalen so gemeint sein (vor allem durch die Formulierung „bei der Entscheidung ist ein strenger Maßstab anzulegen“). Wer allerdings das Darlehen nicht erhalten konnte (z.B. bestimmte Ausländer aus Nicht-EU-Ländern), hatte über die Härtefallreglung vielleicht eine Chance. Oder wenn weitere Besonderheiten zusammenkamen.
Gesetzliche Grundlage
Gesetz zur Erhebung von Studienbeiträgen und Hochschulabgaben (Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz) (bei archive.org), was Teil des Gesetzes zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen (HFGG) vom 21.03.2006 war. Ergänzend: Hochschulgesetz NRW vom 30.11.2004 (bei archive.org) (Achtung: In Teilen ist das Hochschulgesetz von späteren Gesetzen verändert worden – insbesondere in Sachen Studiengebühren, die das HFGG eingebaut hat)