Sinnkrise vor dem BerufseinstiegMit Selbstzweifeln konstruktiv umgehen
Von Anja Schreiber
Kurz + knapp
Es gibt viele Auslöser für eine Sinnkrise. Vielleicht hat ein Praktikum vor Augen geführt, wie die Arbeit im angestrebten Beruf wirklich aussieht. Eventuell verändern sich im Laufe der Semester Interessen und Werte der Studierenden. Stell dir diese 20 Fragen, um dir über dich, deine beruflichen Ziele und dein Studium klarer zu werden.
Vielleicht hast du Angst, dass du schon zu weit im Studium bist, um jetzt noch grundlegende Veränderungen vorzunehmen. Doch wenn selbst Menschen mit 40 oder 50 Jahren erfolgreich den Beruf wechseln können, warum sollte eine Kursänderung für jemanden am Ende des Bachelor- oder Masterstudiums unmöglich sein? Lass dich am besten beraten.
Die Beratungsangebote der Hochschulen, der Studierendenwerke und der Bundesagentur für Arbeit können dich unterstützen. Da gibt es zum einen die BeraterInnen der Arbeitsagenturen und der Career Services, die sich als AnsprechpartnerInnen zum Thema Berufseinstieg eignen, aber auch die MitarbeiterInnen der psychologischen Beratungsstellen.
Angst vor einer Fehlentscheidung
Es gibt viele Auslöser für eine Sinnkrise. Vielleicht hat ein Praktikum vor Augen geführt, wie die Arbeit im angestrebten Beruf wirklich aussieht. Eventuell verändern sich im Laufe der Semester Interessen und Werte der Studierenden. Was früher noch erstrebenswert war, ist es kurz vor Studienabschluss nicht mehr.
Auch der elterliche Einfluss schwindet mit der Zeit. Entscheidet sich jemand zum Beispiel seinen Eltern zuliebe für ein handfestes BWL-Studium und nicht für eine „brotlose Kunst“, wird ihm das womöglich kurz vor dem Abschluss bewusst. Dann entsteht das Gefühl, das falsche Fach gewählt zu haben.
Vielleicht überfordert andere die Vielfalt der Möglichkeiten nach dem Studium: Oft kommen unterschiedliche Berufsfelder und verschiedene Branchen infrage. Außerdem müssen sich AbsolventInnen entscheiden, ob sie eher in einem weltweiten Konzern, bei einem Mittelständler oder bei einem Start-up arbeiten wollen.
So überkommt manchen die Angst vor einer falschen Entscheidung. Dahinter stecken oft noch weitere Ängste wie die Furcht vor Veränderung oder vor dem Scheitern, aber auch die Sorge, es dem eigenen sozialen Umfeld nicht recht zu machen.
So unterschiedlich, wie die Gründe für eine Sinnkrise sind, so verschieden können auch die Symptome sein. Nicht jeder hat die glasklare Erkenntnis, dass sich zum Beispiel seine Interessen und Werte verändert haben. Manch einer empfindet vielleicht nur ein dumpfes Gefühl der Lustlosigkeit und bemerkt lediglich, dass er seinen Berufseinstieg immer wieder aufschiebt.
Nicht alles ist eine Sinnkrise
Die Autorin dieses Artikels
Anja Schreiber arbeitet seit vielen Jahren als freie Fachjournalistin zu den Themen Bildung, Studium und Beruf. Sie schreibt unter anderem für die Berliner Zeitung, Stuttgarter Zeitung und Süddeutsche Zeitung, aber auch für Hochschulmagazine und eine wissenschaftliche Publikation. Sie ist zudem die Autorin mehrerer Ratgeber. So hat sie zum Beispiel „Die Sehnsuchtsstrategie für Studierende und Hochschulabsolventen“ geschrieben. Das Buch hilft, den Berufseinstieg passgenau vorzubereiten.
Weitere Infos unter: anjaschreiber.de
Doch was kannst du tun, wenn du in einer Sinnkrise steckst? Zunächst einmal ist es entscheidend, dass du wahrnimmst, dass etwas nicht stimmt. Wer die Jobsuche komplett ignoriert, obwohl er/sie in wenigen Monaten mit der Uni fertig ist, sollte sich das eingestehen.
Andererseits ist nicht jeder Durchhänger gleich eine Sinnkrise: Wenn man ein unerfreuliches Praktikum mit schwierigen ChefInnen und KollegInnen erleben musste, kann einen schon mal die Motivation verlassen. Das heißt aber noch lange nicht, dass man mit seiner Studien- und Berufswahl daneben liegt.
Handelt es sich nur um eine ganz normale Motivationsdelle, kehrt das Interesse am angestrebten Job in der Regel bald zurück.
Über sich reflektieren – 2️⃣0️⃣ Fragen zur Selbstreflexion 🧘
Um herauszufinden, was mit dir los ist, hilft es, über deine aktuelle Situation zu reflektieren. Frag dich zum Beispiel:
Wie zufrieden bin ich?
Welche Gedanken bewegen mich oder rauben mir sogar den Schlaf?
Wie fühle ich mich?
Habe ich Ängste? Wenn ja, worum kreisen diese?
Bin ich oft krank oder psychisch instabil? Welche Erklärung habe ich dafür?
Wie hoch ist mein Stresslevel und welche Gründe gibt es dafür?
Betrachte auch dein Studium:
Wie sinnvoll empfinde ich heute noch meine Studienentscheidung?
Macht mir das Studium noch Spaß oder habe ich innerlich gekündigt?
Wie oft erlebe ich Misserfolge und welche Ursachen haben diese?
Wie stark leide ich unter Aufschieberitis?
Über deinen (bisher) angestrebten Beruf solltest du ebenfalls nachdenken:
Weiß ich, wo ich nach dem Studium arbeiten will?
Ist mir klar, in welche Branche ich möchte?
Bin ich unsicher und orientierungslos?
Hat sich mein Berufswunsch in letzter Zeit verändert?
Wie kam es dazu?
Haben sich meine Werte und Interessen verschoben? Wenn ja, in welche Richtung gehen sie jetzt?
Bedenke, dass nicht nur das Studium oder der bevorstehende Berufseinstieg eine Sinnkrise auslösen können.
Es gibt viele andere persönliche Gründe, die einem die Motivation rauben. Deshalb ist es wichtig, dass du auch dein Privatleben in den Blick nimmst:
Welche Veränderungen gab es in letzter Zeit in meinem Leben?
Gab es private Krisen? Was war das Problem?
Wie wirken sich neue oder veränderte Beziehungen auf mein Studium und meinen Berufswunsch aus?
Unbedingt solltest du auch folgende Frage reflektieren:
Wenn ich eine ausreichende Finanzierung hätte und keinen Konflikt in meinem privaten Umfeld befürchten müsste, würde ich mich dann beruflich neu orientieren?
Sich beraten lassen
Wenn du diese Fragen beantwortest, erkennst du wahrscheinlich, ob es bei dir Beratungsbedarf gibt und wie groß dieser ist. Die Beratungsangebote der Hochschulen, der Studierendenwerke und der Bundesagentur für Arbeit können dich unterstützen.
Da gibt es zum einen die BeraterInnen der Arbeitsagenturen und der Career Services, die sich als AnsprechpartnerInnen zum Thema Berufseinstieg eignen, aber auch die MitarbeiterInnen der psychologischen Beratungsstellen.
Deine Reflexionen über den Status quo kannst du bei Beratungsterminen als Gesprächsgrundlage nutzen. Vielleicht kommt dabei heraus, dass du die Notbremse ziehen solltest, um beruflich umzulenken. Es kann aber auch sein, dass dir die Beratung hilft, deinen eingeschlagen Weg weiterzugehen.
Vielleicht hast du Angst, dass du schon zu weit im Studium bist, um jetzt noch grundlegende Veränderungen vorzunehmen. Doch wenn selbst Menschen mit 40 oder 50 Jahren erfolgreich den Beruf wechseln können, warum sollte eine Kursänderung für jemanden am Ende des Bachelor- oder Masterstudiums unmöglich sein?
Wünschen und Träumen nachgehen
Die Voraussetzung für eine Neuorientierung ist allerdings, dass du dich (noch) einmal intensiv mit der Frage beschäftigst, was du beruflich machen willst. Allein das Unbehagen mit der bisherigen Studien- und Berufswahl reicht nicht aus. Du solltest ganz gezielt deine Wünsche und Träume reflektieren und dich mit deinen Fähigkeiten und Interessen auseinandersetzen.
Genauso wichtig wie die Reflexion ist es, die verbleibende Zeit bis zum Studienende sinnvoll zur Neuorientierung zu nutzen. Gelegenheit dazu gibt es viel. So kannst du zum Beispiel auf Hochschul-, Absolventen- und Jobmessen gehen und dich über Berufe und Arbeitgeber informieren. Auch die Teilnahme an Berufsorientierungsveranstaltungen der Hochschulen bieten sich an.
Die Abschlussarbeit nutzen
Vielleicht hast du nun nicht mehr genug Zeit, um noch vor dem Studienabschluss ein Praktikum in deinem neuen Zielberuf zu absolvieren, aber eventuell besteht noch die Chance, deine Bachelor- oder Masterthesis in einem Unternehmen zu schreiben. Es steht dir außerdem offen, dich in deiner Abschlussarbeit mit einem Thema zu befassen, das deine aktuellen beruflichen Interessen widerspiegelt.
Wer sich noch vor dem Bachelorabschluss befindet, kann mit der Wahl des Masterstudiums seiner neuen (Berufs-)Ausrichtung Rechnung tragen. Auch eine Auszeit zwischen BA- und MA-Studium kann dir helfen, zusätzliche Berufserfahrungen im In- oder Ausland zu machen.
Natürlich musst du vorher abklären, wie es um deine Finanzen und deinen Versicherungsschutz steht. Vielleicht kommt für einige auch ein „Freiwilliges soziales Jahr“ oder der „Bundesfreiwilligendienst“ infrage.
Niemand muss verzweifeln, weil er/sie gegen Ende des Studiums in eine Sinnkrise gerät. Wichtig ist aber, nach einer Phase der Selbstreflexion ins Handeln zu kommen, sich beraten zu lassen und über berufliche Alternativen zu recherchieren.
In dieser Recherchephase ist es entscheidend, sich auszuprobieren und Praxiserfahrung zu sammeln. Praktika, praxisorientierte Abschlussarbeiten und Jobs sind einige von vielen Wegen, nach einer Periode der Verunsicherung wieder einen neuen Sinn zu entdecken.
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Hinweis: Dieser Artikel erschien am 16.08.2018. Die Studis Online-Redaktion hat zuletzt am oben angegebenen Datum kleine Änderungen vorgenommen.