Nachhaltige Softskills für Studium und BerufGewaltfreie Kommunikation
Von Turid Müller
Wenn ich Kommunikations-Kurse gebe, ist die erste Reaktion der Teilnehmenden oft diese: „Das ist doch alles unecht! Wieso kann ich nicht so reden, wie ich immer geredet habe!?“ Dieses Gefühl der Künstlichkeit ist nachvollziehbar. Wir kennen Kommunikation nicht anders. Jede Veränderung bedeutet, dass wir das, was wir sagen wollen, zunächst durch den Filter unseres neuen Wissens gießen müssen. Und wenn das Herz einen Umweg über den Kopf nehmen muss, bevor es den Mund erreicht, fühlt sich das natürlich oft staksig an. Aber – good News: Das gibt sich nach einer Weile. Nämlich dann, wenn uns die neue Kommunikations-Methode in Fleisch und Blut übergegangen ist. Dann reicht der Bauch wieder aus und der Kopf muss bei Herz-zu-Herz-Kommunikation nicht mehr mitreden. Die nächste Sorge ist dann oft, „ob das denn überhaupt was bringt“. Die Befürchtung sei wohl weichgespültes Psycho-Gewäsch. Höflich aber wirkungslos. Auch diesbezüglich kann ich in Bezug auf Gewaltfreie Kommunikation beruhigen: Sie hat sogar in Situationen, in denen Leib und Leben bedroht waren, Schlimmeres verhindert. Und: Sie denkt mit, dass nicht alle Menschen den Vorsatz haben, gewaltfrei zu kommunizieren und entsprechende Fähigkeiten mitbringen. Was verbirgt sich also hinter dieser Kommunikations-Lehre? Begründet wurde sie von Marshall B. Rosenberg, der die GFK (wie sie abgekürzt heißt) international an unterschiedlichste Menschengruppen weitergegeben hat – ob Management, Friedensbewegung oder Militär. Eine der Grundannahmen ist, dass alles, was wir tun, ein Versuch ist, unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Ist ein Bedürfnis erfüllt, haben wir sogenannte „positive Gefühle“. Ist ein Bedürfnis unerfüllt, haben wir sogenannte „negative Gefühle“. Das gilt für körperliche Bedürfnisse wie Nahrungsaufnahme (Hunger vs. Sättigungsgefühl) wie für seelische wie Anerkennung (Stolz vs. Frustration). Unsere Gefühle sind demnach wichtige Wegweiser, die uns Auskunft über die Bedürfnisse geben. Die daran anknüpfende Grundannahme ist, dass alle Menschen zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse die jeweils beste Strategie wählen, die ihnen gerade zur Verfügung steht. Allein diese Annahme bewirkt eine Veränderung der inneren Haltung: Wenn ich das unfreundliche Verhalten meiner Mitmenschen beobachte, kann ich nun – statt mich über ihre missratene Persönlichkeit zu echauffieren – denken: „Wenn sie ihre Bedürfnisse adäquater äußern könnten, würden sie es tun. Sie können es wohl gerade nicht besser.“ Viele Nerven geschont!A. Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation
Turid Müller – Schauspielerin und Diplompsychologin – arbeitet an den Schnittstellen von Kommunikation und Kreativität. Unter anderem als Leiterin von Kreativitäts- & Präsentationstrainings.
Und als „Teilzeitrebellin“ im Bereich Chanson/Musikkabarett:
B. Giraffen- und Wolfssprache
Rosenberg stellt dabei zwei Alternativen der Kommunikation gegenüber: Giraffen- und Wolfssprache. Die Wolfssprache ist nach den heulenden Tieren benannt, die durchaus mal gefährlich werden können. Die Giraffensprache hat ihren Namen von dem Landsäugetier mit dem größten Herzen. Denn sie ist eine „Sprache des Herzens“.
🐺 Wölfe suchen nach Schuld, sie denken in Schubladen, sie diagnostizieren die Fehler der anderen – es geht um Macht, Konkurrenz und Zwang. Feindbilder sind wirksam und so sehen Wölfe überall nur Wölfe.
🦒 Giraffen können Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken, alle übernehmen ihren Teil der Verantwortung, Echtheit und Empathie sind möglich und alle haben die freie Wahl. Gemäß der oben beschriebenen Grundannahmen gibt es aus Sicht der Giraffen aber eigentlich gar keine Wölfe, sondern nur „Giraffen mit Sprachproblemen“. Wenn wir sie mit „Giraffenohren“ hören, können wir ihre Wolfssprache sozusagen simultan ins Giraffische übersetzen.
Diese beiden Kommunikationsstile sind sehr unterschiedlich. Und es kann uns ganz schön ungewohnt vorkommen, wenn wir „Giraffisch“ hören. Denn wir leben in einer Welt der Wölfe. Das Heulen ist uns ansozialisiert. Und viele staatliche Systeme funktionieren gemäß wölfischen Prinzipien. Auch von den Menschen, von denen wir Kommunizieren gelernt haben, haben wir nicht unbedingt nur Giraffisch gehört. Kein Wunder also, wenn wir jetzt bei uns selbst das ein oder andere Sprachproblem entdecken.
C. Die vier Schritte der GFK
Wie stelle ich es jetzt aber an, mein Giraffisch zu verbessern?
Im Prinzip lässt sich das auf vier Schritte runterbrechen:
Das bedeutet, wir lernen:
… zwischen Beobachtung und Bewertung zu unterscheiden.
… Gedanken und Gefühle auseinander zu halten.
… Bedürfnissprache und die Fähigkeit, sie nicht mit Strategien zu ihrer Erfüllung zu verwechseln.
… Forderungen zu vermeiden.
Die vier obigen Schritte gilt es, in jeder Kommunikation zu beherzigen – auch in der mit uns selbst. Denn wer schon mal ein nicht so glückliches Selbstgespräch geführt hat, weiß: Auch im inneren Dialog kann es ganz schön gewalttätig zugehen. Und das wirkt sich mindestens ebenso auf unser Leben und unser Glück aus wie auf die Kommunikation mit anderen.
Wenn ich mich für meine Fehler selbst beschäme, so fällt es mir schwerer bzw. verunmögliche ich mir Veränderung – eine sichere Methode, um mich zu blockieren. Gewaltfreie Kommunikation kann ein Weg aus dieser Falle sein.
Aber das klingt jetzt vermutlich ganz schön abstrakt. Werfen wir einen genaueren Blick auf das, was sich hinter diesen Schritten verbirgt.
Schritt 1: Präzise Beobachten
Was tun, wenn der Chef die Konferenz immer unnötig mit Nichtigkeiten in die Länge zieht!? Ich kann ihn doch nicht kritisieren! Ich hänge ja an meinem Job! Aber ich hänge auch an meiner Freizeit und habe eigentlich Wichtigeres zu tun als mir „Geschichten aus der Gruft“ anzuhören! – Aus dieser Zwickmühle könnte uns GFK befreien. Wie? So:
Im Alltag vermischen wir häufig Beobachtung und Bewertung. Das haben wir so gelernt. Und so sind wir auch ein Stück weit verkabelt, um möglichst schnell reagieren zu können. Doch Fight or Flight ist in den meisten Situationen heute nicht mehr nötig. Im Allgemeinen leben wir in einer einigermaßen zivilisierten Welt. Wir können uns also erlauben, uns die Zeit zu nehmen, Beobachtung und Bewertung zu trennen. "Wozu?" mag der eine oder die andere sich fragen. Was ändert das? Es ändert alles: Wenn wir Beobachtung und Bewertung vermischen, tun wir so, als sei das Gesagte die alleinige Wahrheit.
Dabei ist alles im Leben subjektiv. Alle, die diesen Artikel lesen, werden ihn etwas anders bewerten. Es mag Gemeinsamkeiten geben. Aber es wird vermutlich mehr Meinungen als Lesende geben. Wer mir als Autorin also ein Feedback geben möchte, das einerseits informativ und hilfreich und andererseits nicht verletzend ist, der kann eine objektive Beobachtung wiedergeben. Wenn dann noch ein subjektiver Eindruck dazu gegeben wird, sollte dieser auch als subjektiv gekennzeichnet werden. Am besten durch das Beschreiben von Gefühlen und Bedürfnissen – dazu weiter unten mehr.
„Dieser Artikel ist schlecht geschrieben!“ könnte eine Rückmeldung sein. Was meinst Du? Ist das eine Beobachtung oder eine Bewertung? Um das zu klären, könnten wir uns fragen, ob es objektiv ist. Das ist es nicht. Denn andere Lesende könnten zu einem anderen Schluss gekommen sein. Wie könnte dieser enttäuschte Mensch nun also seinen Unmut gewaltfrei ausdrücken? Durch eine Beschreibung der Beobachtung: „Der Artikel hat viele Inhalte thematisiert, mit denen ich mich noch nicht auseinandergesetzt habe.“ Das ist Fakt. Vielleicht wurde das Bedürfnis nach Verständnis und Kompetenzerleben nicht erfüllt, weil die Schwelle zu hoch und die Zahl der Beispiele für diese Person zu niedrig waren? Die anderen Schritte helfen, das zu erklären.
Für mich als Autorin wäre das Feedback viel wertvoller und lehrreicher als „Dieser Artikel ist schlecht geschrieben!“. Denn ich wäre nicht sofort persönlich getroffen durch das Werturteil – da machen die meisten schon gleich die Schotten dicht. Und: Ich würde begreifen, warum ich eine bestimmte Gruppe Lesender mit meinem Schreibstil nicht erreicht habe: Ich könnte es beim nächsten Artikel gleich besser machen, indem ich mehr Beispiele einbaue und niedrigschwelliger ansetze.
Was wäre das Ergebnis? Bestenfalls ist beim nächsten Artikel das Bedürfnis nach Niederschwelligkeit erfüllt. Und mein Verhältnis zu der Person, die mir das rückgemeldet hat, ist vielleicht sogar von gegenseitiger Dankbarkeit geprägt! Denn ich konnte ja wirklich eine Erkenntnis aus unserem Austausch mitnehmen. Und es hat nicht an Wertschätzung an mir, meiner Person und meinen grundsätzlichen Fähigkeiten gemangelt.
Logisch? Logisch! – Aber gar nicht so einfach umzusetzen. Weil wir es so anders gewohnt sind. Wir machen uns ein Bild vom anderen. Wir wissen, was mit ihm nicht stimmt. Und wir sagen es ihm. Gern auch ungefragt. Fragt man uns allerdings nach unseren Beobachtungen, Gefühlen oder Bedürfnissen, wird es plötzlich ganz still – gar nicht so einfach zu benennen! Das geht auch Menschen so, deren Beruf etwas anderes nahelegen würde. Sehr unterhaltsam ist das an einer Episode zu sehen, die Rosenberg in seiner DVD schildert.
Es geht um eine Konferenz, wie wir sie beruflich in den meisten Fachgebieten so oder so ähnlich kennen. Und es ist genau wie oben beschrieben:
Der Chef nervt alle durch uferloses Labern (via YouTube) Keiner traut sich, es anzusprechen. Und wenn doch, finden nur Bewertungen ihren Weg auf die Zungen des Kollegiums – und den offenen Konflikt kann doch keiner wollen.
Voilà! Und schon wird klar, welche Kleinigkeiten und Großigkeiten im Leben wir uns durch präzises Beobachten erleichtern können.
Artikeltipp: Wahrnehmung & Konzentration – Achtsamkeit im Studium
Wer eine achtsame Haltung entwickelt, kann leichter seine Umwelt beobachten, indem Werturteile versucht werden zu vermeiden bzw. als solche zu erkennen. Du kennst die Methoden der Achtsamkeit noch nicht? Dann lerne sie jetzt kennen. weiter
Schritt 2: Gefühle ausdrücken
Wie gesagt: Wir leben in einer Zeit, in der die Wenigsten gewohnt sind, differenzierte Worte für Emotionen zu finden. In der Welt sogenannter sozialer Netzwerke gibt es nur noch eine sehr reduzierte Bewertung: Daumen hoch oder Daumen runter. Das höchste der Gefühle ist die Wahl zwischen vier Smileys. Wer hat schon ganz genau im Bewusstsein, welche Gefühle gerade in diesem Augenblick im eigenen Inneren lebendig sind!?
Kein Wunder also, dass hier Nachholbedarf besteht. Wenn wir einen der Kollegen aus Rosenbergs Konferenz-Beispiel befragen würden, wie es ihnen geht, wenn der Chef ins Reden kommt – ich vermute, es würde wieder nur Diagnosen hageln. Aber nach dem Workshop bei Rosenberg würden sie vielleicht so oder so ähnlich formulieren: „Ich bin ungeduldig und frustriert.“ Das ist so eindeutig persönlich und subjektiv, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Angriff aufgefasst wird.
Bei allen vier Schritten ist es wichtig, auf eine stimmige Wortwahl zu achten, habe ich festgestellt. Wenn ich klinge, als hätte ich ein Psychologie-Lehrbuch gefrühstückt, nimmt mich auch keiner ernst! Es muss schon nach uns klingen, und Rolle sowie Beziehung angemessen sein. Vielleicht würde ich das Wort „frustriert“ also lieber weglassen und bei „ungeduldig“ bleiben. Und ich würde mich stattdessen vielleicht für „traurig“ entscheiden: „Traurig, weil ich meine privaten Termine nicht wie geplant wahrnehmen kann“.
Ein anderer Charakter würde sich vielleicht mit „ungehalten“ identifizieren können. – Wir unterscheiden uns in unserer Wortwahl. Das zu berücksichtigen ist zentral dabei, sich diese Methode zu eigen zu machen.
Gefühle auszudrücken ist aber nicht nur dann wichtig, wenn wir uns stattdessen zu Bewertungen hätten hinreißen lassen. Sondern auch dann, wenn die Alternative ist, gar nichts zu sagen: In seinem Buch schildert Rosenberg ein Beispiel aus dem eigenen Leben: Er trat vor eine Klasse, der er GFK beibringen sollte. Er kannte die Gruppe nicht. Es war sein erster Unterricht an dieser Schule. Einer Schule in einem Problem-Bezirk.
Und er war etwas besorgt, ob die Jugendlichen ihn akzeptieren und sich für das Thema öffnen würden. Daher versuchte er, möglichst professionell rüber zu kommen und zog sein Ding durch. Nach einer Weile unterbrach eine der Schülerinnen seinen Monolog und sagte: „Sie mögen keine Farbigen, hm?“ Rosenberg war bestürzt, dass die negativen Gefühle, die ihn quälten, sich nonverbal so unklar ausgedrückt hatten, dass das die Schlussfolgerung der Kids war. Es gab ihm Gelegenheit, über seine Nervosität zu sprechen. Er erzählte von sich, die Runde stellte Fragen. Und schon bald begannen sie, Interesse an der gewaltfreien Kommunikation zu zeigen. Und so wurde es zuletzt doch noch eine gute Unterrichtsstunde.
Fazit: Unsere Vorstellung von Professionalität ist zuweilen irreführend und fördert Missverständnisse. Wenn ich starke Gefühle habe, spreche ich sie besser aus bevor sie zu Fehlinterpretationen führen, die das Miteinander belasten. Neulich zum Beispiel war ein naher Verwandter von mir schwer erkrankt. Ich musste ein Seminar leiten und fühlte mich kaum dazu in der Lage. Am Anfang des Tages sprach ich an, was mich bewegte. Die Reaktion war durchweg mitfühlend. Und wir hatten sofort eine Basis, auf der wir aufbauen konnten. Es kam nicht zu Irritationen. Und durch das Aussprechen meiner Gefühle konnte ich sie mir erlauben und auch ein wenig in andere Gefühle finden. Gut, dass es ein GFK-Seminar war! So konnte ich mein Erlebnis gleich als Beispiel heranziehen.
Schritt 3: Bedürfnisse erkennen
Zurück zu dem Kollegium, das pünktlich Feierabend haben möchte: Statt den Chef anzugreifen wäre hier der Ausdruck von Beobachtungen, Gefühlen und Bedürfnissen stimmig. Dazu gehört auch, aufzuzeigen, wie unsere Gefühle und Bedürfnisse zusammenhängen. Denn so übernehmen wir Verantwortung für unsere Gefühle. Und machen nicht die anderen für das verantwortlich, was wir empfinden. Bedürfnisse in Worte zu fassen ist manchmal noch schwieriger als Emotionen zu benennen. Für Gefühle und Bedürfnisse gibt es Listen. Ein paar davon habe ich unten in den Literaturtipps verlinkt. Ein Blick darauf kann hilfreich sein, um klar zu kriegen, welches unerfüllte Bedürfnis mich gerade in negative Gefühle bringt.
Es könnten mehrere Bedürfnisse gleichzeitig zu kurz kommen. Und bei allen Anwesenden könnten unterschiedliche Bedürfnisse vernachlässigt werden. Aber: Nehmen wir mal an, es ist unter anderem das Bedürfnis nach Autonomie oder Rücksichtnahme, was unerfüllt bleibt, wenn der Chef die eigenen Pläne durch ebenso plötzliche wie sinnlose Überstunden durchkreuzt. Dann würde ich das wohl nicht so verbalisieren, wie das in den GFK-Gefühls-Listen steht. Sondern wie mir in diesem beruflichen Umfeld der Schnabel gewachsen ist. Wie könnte das klingen? Zum Beispiel so: „Ich brauche die Gewissheit, dass ich private Termine verlässlich einhalten kann.“
Bedürfnisse zu formulieren ist etwas, das uns unserem Glück viel näherbringt als Schuld zuzuweisen. Nicht nur im Gespräch mit unseren Mitmenschen. Auch in der Kommunikation mit uns selbst.
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Schritt 4: Bitten aussprechen
Rosenberg hat zum Thema „Bitten“ eine Geschichte aus seiner Laufbahn erzählt, die ich mir eingeprägt habe:
Ein Mal musste er in einer Klasse unterrichten, deren Schüler*innen als „Jugendliche mit Anpassungsstörungen“ gebrandmarkt waren. Und richtig: Als Rosenberg den Klassenraum betrat, herrschte Chaos. Er bat die Anwesenden, rüber zu kommen und Platz zu nehmen. Natürlich folgten nicht alle seiner Bitte. Und ein großer Kerl blieb beharrlich am Fenster, von wo aus er die Mitschüler*innen auf dem Hof beschimpfte. Rosenberg ging zu ihm und fragte, was er ihn hatte sagen hören. Prinzip Hoffnung: Vielleicht war es ja nur ein akustisches Problem! Der Typ antwortete: „Du hast gesagt, wir müssen rüberkommen und uns setzen.“
Was da passiert, ist typisch: Wölfe (… also „Giraffen mit Sprachproblemen“) hören oftmals Wölfisch, selbst wenn wir Giraffensprache mit ihnen sprechen. Sie sind einfach nichts anderes gewohnt. Sie können sich nicht vorstellen, dass jemand Giraffisch mit ihnen redet. Rosenberg fragte daher: „Wie könnte ich es formulieren, so dass Du verstehst, dass es eine Bitte ist?“ Die Antwort war voraussehbar: „… Häh!?“ – Aber sie gab Rosenberg eine gute Grundlage für den Einstieg ins Thema. Denn das war ungefähr das, worüber er im Unterricht hatte reden wollen: Über die Art des Miteinanders. Das tat er dann auch. Und sie hatten eine nette Zeit miteinander.
Die Lektion: Eine Bitte zeichnet sich nicht dadurch aus, wie nett wir sind und wie blumig wir unser Anliegen verpacken. Sondern dadurch, wie wir reagieren, wenn unsere Bitte nicht erfüllt wird. Bei Befehlen gibt es nur zwei Wahlmöglichkeiten: Gehorsam oder Rebellion. Und keine der beiden ist förderlich fürs Zusammenleben. Eine Bitte ist daran zu erkennen, dass sie mit „Nein!“ beantwortet werden kann.
Und auch mit einem „Nein!“ ist noch nichts verloren. Denn GFK zeigt uns die Kunst, die Bedürfnisse hinter dem Nein zu hören. Denn ein „Nein“ ist ein „Ja“ für etwas anderes. Mit Giraffenohren ausgerüstet können wir dem Gegenüber dabei helfen, herauszufinden und zu artikulieren, was das ist. – Wer weiß: Vielleicht können wir so unser Bedürfnis auch erfüllen.
Ein Beispiel:
Eine Dozentin beschwert sich, dass die Tanzgruppe während der Probe unaufmerksam ist. Nebengespräche lenken die ab, die gerade in Aktion sind. Sie wird wütend, schnauzt die Gruppe an, nennt sie undankbar. In einem GFK-Kurs merkt sie, dass das Ensemble wohlmöglich das Bedürfnis nach einer anderen Art des Probens hat. Das probiert sie aus. Und plötzlich sind alle innerlich dabei und konzentriert. Alle haben bekommen, was sie wollen. Dass das möglich ist, gehört zu den Grundannahmen der GFK. Bedürfnis-Erfüllung ist kein Kuchen: Wenn ich meine Bedürfnisse erfülle, ist nicht automatisch weniger für dich da!
An diesem Beispiel ist außerdem zu sehen, dass es sich lohnt, die Strategie zu hinterfragen, die wir zur Bedürfniserfüllung anwenden. Die Dozentin hat Disziplin verlangt. Aber das war nicht ihr Bedürfnis. Ihr Bedürfnis war Wertschätzung für ihre Mühe. Die hat sie bekommen als sie die Strategie gewechselt und statt zu schimpfen anderen Unterricht gemacht hat.
Die Gewaltfreie Kommunikation und ihre „Naturgesetze“ sind hoffentlich ein wenig klarer geworden. Und auch die Tatsache, dass es keine Technik im Sinne eines mechanischen Vorgehens ist. Es hat etwas mit einem Haltungswechsel zu tun. Und der kann uns und unser Leben tiefgreifend verändern. Und zu gelingender Kommunikation beitragen. Zu weniger Missverständnissen. Zur Erfüllung unserer Bedürfnisse. Und zu einem liebevolleren sowie selbstwirksameren Umgang mit uns selbst.
Und der Chef aus unserem Beispiel hört hoffentlich nicht mehr in den Konferenzen: „Du hast ein großes Maul!“
Dort treffen wir uns.“ – Rumi
Weiterführendes
Literaturtipps
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Weiterführende Links
- Marshall B. Rosenberg: Basics der Gewaltfreien Kommunikation (YouTube-Video)
- Gefühls-... (PDF-Dokument)