Das Steuer in die Hand nehmenDer Umgang mit dem Studienabbruch im Bewerbungsgespräch
Von Simone Gölz und Katrin Iost
Das Steuer in der Hand: Ein offener, selbstreflektierter und selbstbewusster Umgang mit dem Studienabbruch ist besser als diesen totzuschweigen.
„Aha, Sie haben also Ihr Studium nach vier Semestern abgebrochen, was waren denn die Gründe dafür?“. Panik breitet sich in Mias Körper aus, was soll sie sagen? Sie kommt ins Stottern: „Hm ja, also, es war nicht so ganz meins, also, ich meine, ich hatte vorher nicht wirklich darüber nachgedacht und....hm“. Ach, hätte sie den Studienabbruch doch gar nicht in der Bewerbung erwähnt. Das wäre bestimmt besser gewesen, als hier mit rotem Kopf keinen geraden Satz mehr raus zu bringen. Oder?
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1. Studienabbruch im Vorstellungsgespräch erwähnen – ja oder nein?
Ja, der Studienabbruch sollte im Vorstellungsgespräch erwähnt werden. Im Bewerbungsgespräch wird sowieso nach dem Lebenslauf gefragt. Gehe offen damit um, erzähle was die Gründe dafür waren. Es ist sinnvoll, wenn du dir vor dem Gespräch genau überlegst, welche Motive dich dazu bewegt haben. Benenne diese Gründe. Ein offener, selbstreflektierter und selbstbewusster Umgang mit dem Abbruch spricht für dich. Erläutere was du aus dem Studienabbruch gelernt hast, welche Erfahrungen du gesammelt hast und wie du diese Erfahrungen für die Zukunft nutzen kannst.
Viele PersonalerInnen haben kein Problem mit StudienabbrecherInnen, sondern schätzen deren Lebenserfahrung. Dennoch haben sie immer wieder die Vermutung, dass StudienabbrecherInnen schnell etwas hinschmeißen. Deshalb wollen sie sich ihrerseits versichern, dass dein Wechsel gut überlegt ist und du das Unternehmen nicht gleich nach der Einarbeitung wieder verlässt.
2. Arbeitserfahrungen im Gespräch nutzen
Wenn du neben dem Studium bereits Arbeitserfahrungen sammeln konntest, nenne diese, egal ob Kellnerjob, Promotion oder Nachhilfe. Aus jedem dieser Jobs lassen sich wesentliche Fähigkeiten und Qualifikationen ableiten. Viele BewerberInnen werten Tätigkeiten, die sie in Nebenjobs oder während eines Praktikums ausgeführt haben, ab. „Naja, das war ja ganz normal, Gastro halt.“ oder „das war jetzt nichts besonders, das haben viele andere auch schon gemacht.“ Gerade Frauen halten sich häufig zurück, wenn es um ihre Qualifikationen geht.
PersonalerInnen jedoch können aus „ganz normalen“ Tätigkeiten viel ableiten. Du hast neben deinem Studium gekellnert? Dann heißt das auch dass du serviceorientiert und kontaktfähig bist und ein gewisses Organisationstalent mitbringst. Du warst während deines Studiums im Ausland? Dann versteckt sich dahinter, dass du zum einen keine Angst hast, dich neuen Situationen auszusetzen. Zum anderen konntest du die Fähigkeit erwerben und anwenden, dich in einem dir unbekannten Lebensumfeld mit anderer Sprache zurechtzufinden.
Simone Gölz arbeitet als Coach und Karriereberaterin in Hamburg.
Auch Freizeitaktivitäten und Hobbys kannst du im Bewerbungsgespräch nennen. Du arbeitest nebenher als Fußballtrainer, engagierst dich im Verein, leitest eine Jugendgruppe, spielst in einer Band oder bist aktiv in einem Tandem-Modell? Nimm das ins Bewerbungsgespräch auf. Es ist sinnvoll aufzuführen, wenn du dich sportlich, kulturell oder anderweitig schon länger engagierst. Das beweist Einsatzbereitschaft und Durchhaltevermögen. So kannst du die öfter unterstellte Vermutung entkräften, dass StudienabbrecherInnen schnell etwas hinschmeißen.
Doch auch wenn du eher zu wechselhaften Interessen neigst, bedeutet dies nicht automatisch etwas negatives. Im Gegenteil, es zeigt sogar, dass du offen für Verschiedenes bist, bereit bist neue Dinge auszuprobieren und übergreifende Erfahrungen in verschiedenen Bereichen mitbringst. Jenes kann zum Beispiel bei Jobs mit breit gefächertem Aufgabenprofil nützlich sein.
Letztendlich ist wichtig, dass du den Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin bei der persönlichen Vorstellung davon überzeugen kannst, dass das berufliche Angebot genau das ist, was du längere Zeit machen möchtest und dass du mit deinen bisherigen Erfahrungen und Fähigkeiten bestens dafür geeignet bist. Denn die Investition in deine Person soll sich aus Sicht des Personalers oder der Personalerin für das Unternehmen lohnen. Das gleiche gilt für die Bewerbung auf einen neuen Ausbildungsplatz.
3. Umgang mit dem Studienabbruch
Natürlich spielt es im Vorstellungsgespräch auch immer eine Rolle wer vor dir sitzt. Führst du dein Gespräch mit jemandem, der selbst mal sein Studium gewechselt oder abgebrochen hat oder sowieso nicht viel Wert auf einen „klassischen Werdegang“ legt, wird er deinem Studienabbruch gar nicht so eine Beachtung schenken, wie du ihm selbst. Auch solltest du dir bewusst machen, dass wenn du zu einem Gespräch eingeladen wirst, der Personaler oder die Personalerin dir gegenüber den Studienabbruch nicht als Hindernis sehen wird. Er oder sie hat dich ja schließlich eingeladen.
Beim Nachdenken über einen Studienabbruch stellen sich die verschiedensten Fragen. Mehr Antworten auf diese findest du hier.
Viele StudienabbrecherInnen haben große Angst, dass es während des Vorstellungsgespräches vor allem um das abgebrochene Studium geht. Das passiert aber oftmals gar nicht. Der Personaler oder die Personalerin, bzw. derjenige der das Gespräch mit dir führt, will dich kennenlernen. Dazu gehört zwar der Abbruch, aber eben auch vieles mehr. Neben den Qualifikationen und Fähigkeiten spielt eine entscheidende Rolle, wie du dich präsentierst. Wenn du selbstbewusst und authentisch darstellst, warum du dich entschieden hast abzubrechen, hast du weitaus bessere Chancen, als wenn du versuchst das Thema totzuschweigen. Dein Umgang mit dem Studienabbruch ist das Wesentliche.
4. Vor dem Bewerbungsgespräch
Setze dich gut mit dem ausgeschriebenen Stellenprofil und der Firma auseinander. Es ist wichtig, dir vor dem persönlichen Gespräch mit dem Personaler oder der Personalerin selbst die Fragen nach deinen Motiven für den Studienabbruch zu beantworten. Finde auch heraus, inwiefern du geforderte Persönlichkeitsmerkmale und Fähigkeiten für das ausgeschriebene Profil mitbringst. Überlege dir, wann und wo du sie bereits erworben hast und anwenden konntest. Von Vorteil ist, wenn du Beispiele nennen kannst.
Spiele das Gespräch, wenn möglich, mit einer guten Freundin bzw. einem guten Freund oder anderen vertrauten Personen in angenehmer, lockerer Atmosphäre durch. Es kann helfen, seine Gedanken vor dem Bewerbungsgespräch schon einmal in Worte gefasst zu haben.
5. Netzwerke
Stellenbörsen im Internet
Bei der Suche nach einem Job, Ausbildungsplatz oder Praktikum ist es ratsam persönliche Kontakte und Netzwerke zu nutzen. Erzähle Freunden und Bekannten, was du suchst. Auch die Möglichkeit über digitale Netzwerke wie LinkedIn oder XING sowie Jobbörsen Kontakt aufzunehmen, sollte genutzt werden. Initiativbewerbungen sind ebenfalls eine Option, wenn man sich mit etwas Glück zum richtigen Zeitpunkt bewirbt.
6. Nicht unterkriegen lassen
Auch wenn du bereits weniger erfolgreiche Gespräche geführt hast, lass dich nicht demotivieren. Firmen, die Probleme mit deinem Studienabbruch haben, sind nicht diejenigen, in denen du glücklich geworden wärst.
Auch du solltest so selbstbewusst sein, dir ein zu deinen Eigenschaften und Erfahrungen passendes Berufs- oder Ausbildungsumfeld zu suchen. Bill Gates, Hasso Plattner, Wolfgang Joop und viele mehr sind auch ohne abgeschlossenes Studium ihren Weg gegangen und man kann wohl sagen durchaus erfolgreich.
Ja, es gibt ein Leben nach dem Studienabbruch.