WidersprüchlichesNeues von der Generation Praktikum?
Von Thomas Delecat
Die Hochschul Informations System GmbH (HIS) ist im Besitz von Bund (1/3) und Ländern (2/3). Sie fungiert als Softwarehaus für die Hochschulverwaltungen und ist in den Bereichen Hochschulentwicklung und Hochschulforschung aktiv. Im für die Öffentlichkeit sichtbarsten Bereich Hochschulforschung führt die HIS u.a. die Sozialerhebung der Studierendenschaft im Auftrag des Deutschen Studentenwerkes durch.
Die eine Studie vom Hochschul Informations System (HIS) wurde auf Anfrage des Bundesbildungsministeriums (BMBF) herausgegeben. Dieser Studie zufolge finden die meisten Hochschulabgänger bereits nach sechs Monaten einen Job. Kettenpraktika ohne Aussicht auf einen Job seien daher eher die Ausnahme. Außerdem würden die meisten Hochschulabgänger ein Praktikum eher als Hilfe denn als Ausbeutung empfinden. Befragt wurden 12.000 AbsolventInnen des Jahrganges 2005.
Eine andere, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im März 2008 vorgestellte Studie lässt sich hingegen als genauen Widerspruch zur Studie vom HIS lesen. Befragt wurden 2.500 junge Menschen zwischen 18 und 34. Davon gaben 80% an, dass sie während der Praktika, die sie nach dem Abschluss ihrer Berufsausbildung absolviert haben, die meiste Zeit über als reguläre Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Nur knapp ein Fünftel wurden nach dem ersten Praktikum von ihrem Arbeitgeber übernommen, weitere 13% fanden immerhin woanders eine Stelle. Die große Mehrheit aber wurde, man kann es nicht anders sagen, schlicht ausgebeutet. Zwar variieren die Zahlen leicht zwischen Hochschulabsolventen und jungen Menschen, die eine "reguläre" oder schulische Berufsausbildung gemacht haben. Diese Varianz fällt aber nicht besonders stark zu Gewicht.
BMBF/HIS oder BMAS?
Wer hat nun Recht? In gewisser Weise beide. Denn auch die Studie vom BMAS stellt fest, dass zwei Drittel aller Praktikanten keine Kettenpraktika machen und viele spätestens ein halbes Jahr nach Ende ihrer Ausbildung "irgendwie" in Lohn und Brot stehen. Es lohnt sich daher, die BMAS Studie mehr im Hinblick auf ihre Kritik bezüglich der Inhalte von Praktika zu lesen. Viele PraktikantInnen werden schlicht ausgebeutet, da sie sich zum Nulltarif mit den Aufgaben und der Verantwortung regulärer Arbeitskräfte herumzuschlagen haben.
An beiden Studien kann man kritisieren, dass sie nur "Momentaufnahmen" sind, die keine langfristigen Trends wiedergeben können. Zählt man aber beide zusammen, kann man vorsichtig die Prognose wagen, das ein Praktikum nach dem Berufsabschluss mittlerweile eine gewisse Tradition hat.
Ausbeutung oder Chance?
Erst einmal soll an dieser Stelle festgestellt werden, das ein Praktikum nicht immer schlecht sein muss. Schon gar nicht, wenn man mitten im Studium steckt und einfach für ein paar Wochen mal irgendwo reinschnuppern möchte, um sich selbst besser zu orientieren. Und wer nach seinem Abschluss keinen Job findet, aber Lücken im Lebenslauf vermeiden und Berufserfahrung sammeln will, sollte durchaus über ein Praktikum nachdenken.
Richtig ist aber auch, das PraktikantInnen oft als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Das sollte man im Hinterkopf behalten und nicht dankbar einfach jedes Praktikum annehmen, was einem angeboten wird.
Eine gute Orientierung für alle, die über ein Praktikum nachdenken, bildet der im Oktober 2004 von Susanne Rinecke und Bettina Richter gegründete Verein fairwork e.V., der gegen die Ausbeutung von PraktikantInnen kämpft. Hier findet man nicht nur Beratungsangebote und Vernetzungsmöglichkeiten, mit anderen PraktikantInnen. Fairwork e.V. verleiht zudem Gütesiegel für Unternehmen, die sich durch besonders faire Arbeitsbedingungen auszeichnen. Besonders schlimme Ausbeuter hingegen werden seit 2007 mit den "Goldenen Raffzähnen" belohnt. Erster Preisträger dieser zweifelhaften Trophäe: Das Deutsche Historische Museum in München.
Worauf man als Praktikant achten sollte
Hat man sich nun nach langen Abwägen überlegt, gerne ein Praktikum zu machen, sollte man selbstbewusst mit dem eigenen Marktwert umgehen. Viele die im Studium stecken oder gerade damit fertig geworden sind, halten sich instinktiv für "nicht qualifiziert genug". Aber das stimmt nicht: Auch in der Berufswelt wird nur mit Wasser gekocht und gut ausgebildete PraktikantInnen sind fast immer eine Unterstützung für einen Betrieb. Die wenigsten Arbeitgeber bieten Praktikumsplätze an, wenn sie davon nicht auch profitieren würden.
Es mag ein wenig nach einer Plattitüde klingen, aber ein Praktikum ist ein Geben und Nehmen. Man arbeitet nicht für eine Firma, man lernt von ihr! Wird man nur zu stupider Tätigkeiten verdonnert oder macht vorwiegend Dinge, die einen nicht voran bringen, hat man als PraktikantIn jedes Recht der Welt, dagegen zu protestieren oder zu kündigen. Es schadet daher auch nicht, vor Beginn des Praktikums gemeinsame "Zielvereinbarungen" schriftlich festzuhalten. Außerdem sollten speziell Absolventen einer Berufsausbildung auf eine kleine Vergütung bestehen. Arbeitgeber, die einen länger als drei Monate unentgeltlich beschäftigen wollen, sind nicht seriös!
Im Betrieb angekommen sollte man Augen und Ohren offen halten, wie so der "Durchlauf" an PraktikantInnen ist und ob dieser überhaupt viele MitarbeiterInnen aus solchen rekrutiert wurden. Das ist gerade dann wichtig, wenn einem implizit eine Festanstellung in Aussicht gestellt wird. Natürlich ist es auch völlig legitim, danach schon beim Bewerbungsgespräch zu fragen. Stellt sich später heraus, das man belogen wurde, zeigt das schon an, wohin der Zug geht.
Achtet man auf diese Dinge, geht man selbstbewusst mit den eigenen Fähigkeiten um und verkauft sich nicht unter Wert, kann einem ein Praktikum helfen. Leider aber gibt es keine Garantie für ein gutes Praktikum. Jeder ist hier selber ein Stück weit gefordert, sich nicht unter Wert zu verkaufen.
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