Arbeitsmarktchancen von Bachelor-AbsolventenBachelor welcome – auch in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)?
Dabei soll gerade der Bachelor das erfüllen, was sich Arbeitgeber von Bewerbern am meisten wünschen: ein stärkerer Praxisbezug, internationale Vergleichbarkeit und – vor allem – kürzere Studienzeiten. Bereits 2002 hatten sich führende Unternehmen in Deutschland unter dem Motto »Bachelor welcome« in einer Art Selbstverpflichtung dafür ausgesprochen, Absolventen mit dem neuen Abschluss attraktive Einstiegschancen zu bieten und ihre Karriere, etwa durch Weiterbildungsangebote, zu fördern. Zwei Jahre später versprachen sie, unter anderem »differenzierte Praktikumsplätze« bereitzustellen, um den Praxisbezug während der akademischen Ausbildung zu stärken.
Schnellbesohlung oder berufsqualifizierender Abschluss?
Doch wie sieht es bei kleineren und mittleren Betrieben aus? Schließlich ist es der Mittelstand, der das Gros der Arbeitsplätze stellt. Das gilt auch für das Bundesland Sachsen, dessen Wirtschaftsstrukturen kleine und Kleinstunternehmen dominieren. »Bei ihnen gibt es noch viel Unwissen und Halbwissen, was den Bachelor betrifft«, räumt Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Dresden, ein. Ist ein Bachelor mit einem Fachhochschulabschluss oder doch eher mit einem Uni-Diplom vergleichbar? Oder womöglich etwas ganz anderes? »Viele Firmen fragen sich, ob es sich nicht doch nur um eine Art Schnellbesohlung handelt«, so Fiehler. Die Folge: Wer sich im Freistaat bei einem kleinen oder mittleren Unternehmen um einen Job bewirbt und dabei in direkter Konkurrenz mit einem Diplom-Absolventen steht, wird mit einiger Sicherheit das Nachsehen haben und rasch um einen Platz nach hintern rücken.
Gefragt: Praktische Problemlösekompetenz
Weniger dramatisch schätzt hingegen Kathrin Sevink vom Verein Deutscher Ingenieure die Situation ein: »Die Wirtschaft schätzt die Kombination von grundlagen- und anwendungsorientiertem Wissen sowie Praxiserfahrungen«, sagt sie. Darüber hinaus käme der Persönlichkeit und vorhandenen Soft Skills große Bedeutung zu. In vielen Fällen sei das Bachelor-Niveau beim Einstieg in ein Unternehmen ausreichend oder sogar gewünscht. »Vor allem kleine und mittlere Unternehmen suchen nicht unbedingt akademische Grade, sondern praktische Problemlösungskompetenz«, betont Sevink. Auch vor der Einführung der neuen Studienstruktur haben die KMUs vorwiegend Diplom-Ingenieure mit FH-Abschluss beschäftigt. Und wer sich mit einem technischen Bachelor-Abschluss zum Beispiel bei einem mittleren Handwerksunternehmen bewirbt, dürfte insbesondere dann keine Akzeptanz-Probleme haben, wenn er ihn berufsbegleitend erworben hat oder ein duales Studium abgeschlossen hat, also neben der akademischen Ausbildung auch eine Lehre vorweisen kann.
Noch wenig Erfahrungen mit dem neuen Abschluss
Eine Umfrage der IHK Hessen hat ergeben, dass drei Viertel von rund 200 befragten Betrieben – darunter rund 90 Prozent kleine und mittlere Unternehmen – noch keine Erfahrungen mit Bachelor-Absolventen haben. Unter denen, die bereits Hochschulabgänger mit dem neuen Abschluss eingestellt hatten, haben sich die Erwartungen an die Absolventen aus Sicht der Betriebe in 73 Prozent der Fälle erfüllt.
Ausschlaggebend für das positive Ergebnis sind nach Einschätzung von Dr. Roland Lenz, zuständig für die Federführung Schule/Hochschule der hessischen IHKs, vor allem die Praxisorientierung und Vermittlung von Schlüsselkompetenzen im Rahmen des Bachelor-Studiums: »Die Studierenden machen mehr Projektarbeiten als in den alten Studiengängen, sie präsentieren mehr und lernen mehr über Führung.« Sein Fazit: Kleine und mittlere Unternehmen stellen eher Bachelor-Absolventen mit FH-Abschluss ein, da sie bei ihnen mehr Praxis- und Anwendungsbezug vermuten.
Chancen bei Hidden Champions
Aufgrund der neuen Studienstruktur mit seinen kürzeren Studienzeiten stehen den Betrieben schneller qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung – in Zeiten des Fachkräftemangels aus Unternehmenssicht durchaus ein Vorteil. »Die Absolventen haben ein gesundes Selbstbewusstsein und können ihren Marktwert gut einschätzen«, sagt Lars Fiehler. Neben dem Vorbehalten gegenüber dem Bachelor versuchen Unternehmen im Osten oft noch, ihre Lohnkostenvorteile zu nutzen, sprich niedrigere Gehälter zu zahlen – und das, obwohl auch in den neuen Bundesländern etwa im Ingenieurswesen Fachkräfte fehlen. Eine Strategie die nicht unbedingt aufgeht, wie Fiehler beobachtet: »Wer jung und ungebunden ist, kann sich auch in Heidelberg und Nürnberg umschauen.«
Eines steht zumindest fest: Je mehr Bachelor-Absolventen auf den Arbeitsmarkt kommen, desto weniger können sich Unternehmen gegen sie verschießen. Für angehende Ingenieure hat Kathrin Sevink noch einen besonderen Tipp: »Für sie lohnt sich der Blick auf die sogenannten Hidden Champions – innovative Unternehmen, deren Namen (noch nicht) in aller Munde sind.« Diese Mittelständler bringen es aufgrund ihrer Produktqualität und neuer Ideen langfristig zur Marktführerschaft in einem speziellen Segment, manchmal erreichen sie sogar Weltmarktführerschaft. In der Öffentlichkeit bleiben sie jedoch meist unbekannt. Oder zum Beispiel schon mal von der "Wanzl Metallwarenfabrik" gehört? Robert Wanzl erfand 1950 den Einkaufswagen – heute produziert und verkauft die Firma aus dem Schwäbischen 1,8 Millionen der schiebbaren Drahtkörbe jährlich.
Quellen und weitere Informationen