BerufSchlechtes Arbeitszeugnis - was nun?
Von Hagen Kunze / monster.de
Nach der vierten Absage glaubte Andreas Fleischhauer nicht mehr an Zufall. Der Informatiker, der sich noch vor zehn Jahren nach seinem sehr gut abgeschlossenen Studium einen Arbeitsplatz aussuchen konnte, hörte nun in Bewerbungsgesprächen die immer gleichen Ausflüchte: "Ihr Profil passt nicht zu unserer Firma", "Wir haben gerade einen Experten mit ihren Qualifikationen eingestellt", "Wir müssen Stellen abbauen". Fleischhauer kamen erste Zweifel: "Irgendetwas war mit meinen Unterlagen nicht in Ordnung." Denn fast immer waren die Vorgespräche am Telefon positiv verlaufen. Also bat er einen Freund, der in der Personalabteilung einer großen Firma arbeitet, seine Bewerbungsmappe zu prüfen. Und der fällte ein vernichtendes Urteil: "Mit dem Zeugnis deines letzten Arbeitgebers wird dich jeder ablehnen."
Schlechtes Zeugnis - Stolperstein für die Karriere
Bis dahin hatte Fleischhauer geglaubt, endlich seine alte Firma mit den für ihn nicht tragbaren Arbeitsbedingungen hinter sich gelassen zu haben. "An das Zeugnis hab ich nicht gedacht." Selbst als der Softwareentwickler das Schreiben in der Hand hielt, wurde er nicht stutzig. "Die Formulierungen sahen gut aus, und ich glaubte, ein Chef nimmt mich für das, was ich kann und nicht für das, was ich früher gemacht hab." Doch Fleischhauer irrte sich. Was in dem Zeugnis auf den ersten Blick durchweg positive Bewertungen zu sein schienen, entpuppte sich im Nachhinein als Stolperstein für den weiteren Karriereverlauf.
So wie Fleischhauer kann es jedem gehen. Denn in den Formulierungen von Arbeitszeugnissen lauern zahlreiche Fallen, die Laien kaum erkennen. "Wohlwollend und wahrheitsgemäß" soll ein Arbeitszeugnis sein - so will es das Gesetz. Dementsprechend finden sich in keiner Leistungsbeurteilung Sätze wie "er war für die Position völlig ungeeignet" oder "sie kam ihren Pflichten nur mangelhaft nach". Das heißt aber nicht, dass schlechte Arbeitsleistungen sich nicht in dem Schreiben niederschlagen würden. Personaler greifen hier auf eine Art Geheimcode zurück, der herbe Kritik mit wohlwollenden Worten zu verschleiern weiß.
Zeugnis prüfen lassen
Im Fall des Informatikers Fleischhauer verriet das Zeugnis zum Beispiel, dass sein Arbeitseifer zu wünschen übrig ließ. "Er war immer mit Interesse bei der Sache" stand in dem Schreiben. Ein Satz, von dem er sich zunächst sogar geschmeichelt fühlte. Einem Personalchef verrät die Formulierung hingegen, dass sich der Informatiker im Berufsalltag zwar anstrengte, aber nicht mal über grundlegende Fachkenntnisse verfügt, weshalb der Erfolg ausblieb. Eine Bewertung wie "er hat stets die ihm übertragenen Arbeiten zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt" wäre hingegen eine glatte "Eins" gewesen. Da nur die wenigsten mit den Feinheiten der Zeugnissprache vertraut sind, lohnt es, die Abschlussbeurteilung von einem Experten prüfen zu lassen.
Auch wenn dafür einige Euro zu berappen sind, kommt den Arbeitnehmer der Zeugnischeck im Zweifelsfall günstiger zu stehen als ein vorläufiges Karriere-Aus wegen unfairer Negativ-Formulierungen. "Im Gegensatz zu Diplomzeugnissen, die meistens nur unmittelbar nach dem Studium von Interesse sind, legen Personaler auf Arbeitszeugnisse großen Wert", weiß Frank Kießling, Arbeitsrechtler aus Leipzig. Und die erhalten oft sogar mehr Gewicht als der subjektive Eindruck im Bewerbungsgespräch. "Es gibt Menschen, die können für einen kurzen Moment gut blenden. Aber über Jahre hinweg in einer Firma geht das nicht."
Sich gütlich mit dem Arbeitgeber einigen
Welche Möglichkeiten hat ein Arbeitnehmer aber, wenn ein Zeugnis unerwartet schlecht ausfällt? "Zunächst einmal würde ich mich gütlich mit dem Arbeitgeber einigen wollen", sagt Kießling. "Gerade in kleineren Firmen steht oft gar keine Bösartigkeit hinter schlechten Zeugnissen. Die werden dort vielleicht von Chefs geschrieben, die selbst mit den Feinheiten der wohlwollenden Zeugnissprache wenig vertraut sind." Dem kann ein Arbeitnehmer aber vorbeugen, indem er seinem Vorgesetzten gleich einen fertigen Zeugnisentwurf zur Unterschrift vorlegt. Das spart beiden Zeit und Ärger.
Geht der Vorgesetzte auf diesen Wunsch nicht ein, sollte der Mitarbeiter möglichst konstruktiv an die Sache herangehen und Alternativen für die Passagen vorschlagen, bei denen er sich unterbewertet fühlt. Können sich Arbeitgeber und -nehmer aller Diplomatie zum Trotz nicht einigen, führt kein Weg am Arbeitsgericht vorbei. Diesen Schritt sollte man aber nicht übereilen, mahnt Thomas Redekop von der Berliner Personalmanagement Service GbR (PMS).
Der letzte Schritt: Der Gang vors Arbeitsgericht
"Änderungen, die vor Gericht durchgesetzt wurden, erkennen Experten fast immer", sagt Redekop. Beispielsweise, wenn ein mehrseitiges Zeugnis, das in vielerlei Hinsicht auf die Note "Gut" schließen lässt, plötzlich einige wenige "Sehr Gut"-Formeln enthält. Das nämlich sei nicht nur in sich unlogisch, sondern verrate auch, dass der Mitarbeiter selbst bei Kleinigkeiten vor Gericht zieht. Wer einen solchen Eindruck hinterlasse, katapultiere sich unter Umständen schneller ins Aus als mit einem schlechten Arbeitszeugnis.
Doch längst nicht alle schlechten Zeugnisse sind aus Bösartigkeit negativ formuliert - manchmal stimmen Selbst- und Fremdbild einfach nicht überein, sagt Frank Kießling. "Es gibt Fälle, da ist die Gesamtnote 'Drei' ja durchaus gerechtfertigt, auch wenn der Betreffende sich selbst besser beurteilen würde." Dann hätte eine Klage wenig Aussicht auf Erfolg. Immerhin steht vor Gericht nicht nur der Chef unter Beweiszwang - auch ein Angestellter muss handfeste Argumente liefern, warum die Gesamtnote des Abschlussschreibens nach oben korrigiert werden muss. Kießling rät stattdessen zur Flucht nach vorn: "Wer wirklich glaubt, dass er besser ist, sollte das im Bewerbungsgespräch auch so sagen, entsprechend begründen und dann auf das Vertrauen des Personalchefs hoffen."
Manche Bewerber legen ein schlechtes Zeugnis nicht bei
Manchmal kommen Bewerber aber auch umhin, die schlechte Beurteilung auf dem Silbertablett zu präsentieren. "Viele Arbeitnehmer bewerben sich aus festen Stellungen heraus. Da liegen der Bewerbung oft noch keine Zeugnisse vom letzten Arbeitgeber bei", weiß Thomas Redekop. Eine ähnliche Erfahrung machte auch Andreas Fleischhauer, der inzwischen wieder in Lohn und Brot steht. Bei seinen neuen Arbeitgeber legte er die Kopien des mangelhaften Zeugnisses den Bewerbungsunterlagen nicht bei.
Nicht in der Absicht zu betrügen, sondern weil er sich inzwischen in einer offenen juristischen Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber befand. Neben dem Arbeitszeugnis ging es um ausstehende Gehälter. Im Bewerbungsgespräch darauf angesprochen, antwortete Fleischhauer wahrheitsgemäß, der Personalchef nickte mitleidsvoll - und bot ihm die Stelle als Softwareentwickler an. Absichtlich weggelassen hätte die Fleischhauer das Zeugnis jedoch nicht - immerhin steht es jeder Personalabteilung frei, fehlende Papiere nachzufordern.
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