Arbeiten ohne GeldDie Generation Praktikum
Eine erste, stichprobenartige Studie der DGB-Jugend aus dem Februar 2006 belegt die dramatische Zunahme prekärer Beschäftigung. Knapp die Hälfte der Befragten macht zwei oder mehr Praktika nach Abschluss des Studiums. Die akademischen Billiglöhner schuften mittlerweile in allen Branchen.
"Selbst mich wundert, wie viele Leute uns aus den verschiedensten Fachrichtungen schreiben, die alle dasselbe erleben: sie haben ein sehr gutes Diplom, sprechen zwei bis drei Sprachen fließend, haben Auslandserfahrung und bereits in verschiedenen Projekten mitgewirkt. Und dennoch finden sie keinen Job", berichtet Susanne Rinecker, Gründerin des Vereins fairwork. "Überall werden zwei Jahre Berufserfahrung gefordert, doch die haben Absolventen nicht." Der Absolvent befindet sich in einer Dilemmasituation – entweder das Praktikum annehmen und auf Übernahme hoffen, oder weiter jobben. Als Billiglöhner füllt er zwar die Lücke im Lebenslauf, doch das bringt einen oft nur scheinbar weiter.
Auch Susanne Rinecker landete nach Abschluss ihres Studiums erst einmal in einem Praktikum. Doch sie wollte es nicht damit abfinden. So gründete sie zusammen mit Bettina Richter den Verein fairwork e.V.. Zusammen kämpfen gegen die Ausbeutung von Hochschulabsolventen – das ist das Ziel. Im Oktober 2004 fand die Gründungsversammlung statt, seitdem ist viel passiert. Der Verein hat mittlerweile 200 Mitglieder aus ganz Deutschland und informiert auf einer eigenen Webpage.
Eines hat fairwork schon erreicht: Das Thema Praktikum in die Medien zu bringen. "Wir wollen die Praktika nicht verbieten, aber wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man sich auch bei schlechter Wirtschaftslage nicht alles gefallen lassen darf", so Vereinsvorstand Susanne Rinecker.
Praktikanten-Aktionstag am 1.April 2006 in Berlin |
Manch einer wundert sich - warum funktioniert die Praktikumsmühle so gut? Praktika, im Studium wichtig und sinnvoll, werden von Absolventen als Chance für den Berufseinstieg gesehen. Hochschulabgänger werden mit einer angeblichen Aussicht auf eine "eventuelle Übernahme" geködert. Die Arbeitsbedingungen sind dabei nicht selten miserabel. Kaum ist das halbe Jahr um, wird der nächste Praktikant eingestellt, den der Absolvent meist noch einarbeiten darf. Damit wird er zum Täter und Opfer zugleich. Nimmt er das Praktikum an, zeigt dass zwar Engagement, jedoch lässt er sich im Grunde freiwillig ausbeuten. Gleichzeitig beschleunigt jede besetzte Praktikumsstelle die Verdrängung regulärer Arbeitsplätze.
fairwork hat sich zur Aufgabe gemacht, an dieser Situation etwas zu ändern. Das Selbstvertrauen der Absolventen zu aktivieren ist eine Möglichkeit, das Problembewusstsein bei Politikern zu wecken ein weiterer Ansatz. Auch in diesem Bereich ist der Verein aktiv. Eine Anhörung der SPD-Bundestagsfraktion Ende März beschäftigte sich bereits mit dem schwieriger gewordenen Berufseinstieg der Akademiker. "Endlich wird über das Thema Praktikum öffentlich diskutiert und langsam begreifen auch die Politiker dass es so nicht weitergehen kann", freut sich Susanne Rinecker.
Nach knapp zwei Stunden beendet ein Regenschauer die Demonstration unweit des Reichtags. Was rät Rinecker den Absolventen, damit sie nicht vom Regen in die Traufe kommen? "Als Hochschulabsolvent sollte man sich erst einmal bemühen, einen richtigen Job zu finden, der auch bezahlt wird. Wenn dass nicht klappt, dann kann man es immer noch mit einem Praktikum versuchen. Doch Vorsicht – Schnuppern ist dann nicht mehr angesagt – gerade als Absolvent sollte man wissen in welche Richtung es gehen soll."
Weitere Informationen zum Thema: www.fairwork-verein.de