BerufFrauen bei Bildung vorn - bei Bezahlung nicht
Lebens- und Berufschancen sind nach wie vor zwischen Frauen und Männern ungleich verteilt. Diese Ungleichheit äußert sich heute anders als noch vor fünf bis zehn Jahren. Das zeigt der soeben erschienene FrauenDatenReport 2005 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Bildungsniveau angeglichen - aber andere Wahl von Ausbildung/Studienfach
Frauen haben bei der Bildung stark aufgeholt. 2004 hatten 40,6 Prozent der 25- bis unter 30-jährigen Frauen und 37,8 Prozent der gleichaltrigen Männer ihre Schulausbildung mit dem Abitur abgeschlossen. Bei Hochschulabschlüssen sind Frauen und Männern gleich stark vertreten.
Bei der Wahl von Ausbildungsberufen und Studienfächern gibt es nach wie vor erhebliche Differenzen. Frauen konzentrieren sich auf Sozial- und Dienstleistungsberufe sowie auf kultur- oder sprachwissenschaftliche Fächer, die in unserer Gesellschaft geringer bewertet und bezahlt werden. Damit vollzieht sich eine entscheidende Weichenstellung, die mit beeinflusst, dass Frauen später geringere Karrierechancen haben.
Frauenerwerbstätigkeit gestiegen - aber nur bei Teilzeitarbeit
Der Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit ist seit dem Jahr 2000 fast vollständig zum Erliegen gekommen. Die Erwerbstätigenquote der Frauen in Deutschland lag 2004 mit knapp 60 Prozent im Vergleich der 25 EU-Länder nur an zehnter Stelle.
Der Beschäftigungszuwachs der Frauen in den 90er Jahren erklärt sich allein aus Zuwächsen bei der Teilzeitarbeit. Zwischen 1991 und 2004 sank die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen um 1,6 Millionen, während die Zahl der Frauen in Teilzeitjobs um 1,8 Millionen stieg.
Ost-West-Unterschied bei Arbeitsdauer
Durch den Anstieg von Teilzeitarbeit bei Frauen öffnete sich die Schere zwischen den durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeiten von Männern und Frauen weiter: 1991 arbeiteten Männer in Westdeutschland rund acht Stunden länger als Frauen. Im Osten betrug der Unterschied drei Stunden. Bis 2004 wuchs die Differenz auf zehn Stunden im Westen und fünf Stunden im Osten.
Im gesamtdeutschen Durchschnitt arbeiten Männer 40,2 Stunden, Frauen dagegen nur 30,8 Stunden. Drastisch stieg der Anteil der Frauen, die lediglich sehr kurze Teilzeit-Jobs unter 15 Stunden in der Woche haben: von knapp sechs Prozent 1991 auf 13 Prozent 2003.
Mehr Väter in Elternzeit - allerdings auf niedrigem Niveau
Der Anteil der Väter, die in Elternzeit gehen, hat sich seit 2001 gut verdoppelt – allerdings lediglich von zwei auf fünf Prozent. In Finnland und Dänemark nimmt hingegen jeder zehnte, in Schweden sogar jeder dritte Vater Elternzeit. In diesen Ländern verfällt ein Teil der Elternzeit, wenn er nicht vom Vater genommen wird.
Einkommen von Frauen geringer - selbst bei vergleichbaren Jobs
Das durchschnittliche Einkommen von Frauen mit Vollzeittätigkeit liegt in Deutschland weiter erheblich unter dem der Männer. In Westdeutschland verdienen Frauen im Durchschnitt 23 Prozent weniger, in Ostdeutschland etwa 10 Prozent. Der Aufholprozess ist in den letzten zehn Jahren sogar ins Stocken geraten. Daran haben die besseren formalen Bildungsleistungen der Frauen wenig ändern können. Unter den 25 EU-Ländern gibt es nur zwei, in denen die Lohnkluft zwischen den Geschlechtern noch größer ist als in Deutschland: Estland und die Slowakei.
Kommentar
Deutschland hat zwar inzwischen (aber auch erst viele Jahre später als andere europäische Länder) eine Bundeskanzlerin. Aber trotzdem bleiben Frauen im Berufsleben im Hintertreffen und werden selbst bei gleicher Leistung schlechter bezahlt.
Auch die geschlechtsspezifische Wahl von Ausbildungsberuf bzw. Studienfach ist in Deutschland stärker ausgeprägt als in vielen anderen europäischen Ländern.
Selbst das inzwischen annähernd angeglichene Bildungsniveau von Frauen und Männern könnte in Zukunft wieder in Gefahr geraten. So zeigen erste Befragungen, dass Frauen durch Studiengebühren stärker von einem Studium abgeschreckt werden. Auch bei den StudienanfängerInnen scheint sich ähnliches abzuzeichnen. Letztlich mit Recht: Die aktuelle Studie zeigt ja gerade, dass Frauen selbst bei gleicher Qualifikation weniger verdienen. Da stellt sich die Frage, ob ein Studium sich lohnt.
Nun sollten sich Frauen trotzdem nicht abschrecken lassen, ein Studium - auch und gerade in eher Männer-dominierten Studiengängen - aufzunehmen. Aber es wäre naiv, die in der Studie offengelegten Probleme zu ignorieren. Es bleibt Aufgabe von Unternehmen und Politik, bestehende Diskriminierungen abzubauen.
Aber Verbesserungen der Situation werden auch davon abhängen, dass Frauen dies einfordern, konkrete Vorschläge machen und Ungerechtigkeiten benennen. Und Männer diesen Anliegen offen gegenüberstehen.
Quelle: Neuer WSI-FrauenDatenReport erschienen (Pressemitteilung der Hand Böckler-Stiftung, 19.12.2005)