Berufseinstieg Soziale ArbeitJobchancen und Aufstiegsmöglichkeiten
Von Anja Schreiber
1. Oft gestellte Fragen
Im Bereich der Sozialen Arbeit werden viele Jobs in verschiedenen Bereichen ausgeschrieben, sodass du womöglich sogar in deinem Traumbereich eine Stelle findest. Jobchancen schwanken jedoch nach Stadt und Gebiet.
Das ist natürlich nicht pauschal zu beantworten. Jedoch stehen deine Chancen in Bayern und Baden-Württemberg vermutlich besser als in Großstädten wie Berlin.
Nicht automatisch, nein. Im Tarifvertrag bringt dir ein Master in Sozialer Arbeit nicht automatisch eine höhere Tarifstufe. Dazu ist dieser Abschluss auch keine Garantie, dass du eine Leitungsposition einnehmen wirst.
Wenn du interessiert und offen bleibst und auch bereit bist Weiter- und Fortbildungen zu besuchen, wirst du auch im späteren Arbeitsleben keine Schwierigkeiten haben dich neu zu orientieren.
2. Berufseinstieg
Wer mit einem Abschluss in der Tasche auf Jobsuche geht, sollte sich vorher eine wichtige Frage stellen: Mit welcher Zielgruppe möchte ich überhaupt arbeiten?
„Grundsätzlich haben Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen sehr gute Berufschancen“, betont Gabriele Stark-Angermeier, ehemalige 2. Bundesvorsitzende des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit (DBSH), heute Teil des Vorstandes Caritas Verbandes. „Die Tätigkeitsfelder sind breit gefächert. So passt nicht jeder auf jede Stelle. Gerade wer konkrete Interessen und Kompetenzen hat, braucht eventuell zwei oder drei Monate länger, um ein passendes Jobangebot zu finden.“ Berufseinsteiger*innen, die weniger spezialisiert sind, haben es dagegen oft leichter.
„Der Bereich Soziale Arbeit boomt. Es werden sehr viele Stellen ausgeschrieben“, erklärt Annika Schneider Annika, ehemalige Redaktionsleiterin des WILA Arbeitsmarkt vom Wissenschaftsladen Bonn (WiLa). Sie verantwortete den „Infodienst für Berufe in Bildung, Kultur und Sozialwesen“.
Die Jobchancen von Sozialarbeiter*innen sind allerdings regional verschieden, ergänzt Michael Dehmlow, ehemaliger ver.di-Ressortkoordinator für den Bereich Gesundheit- und Soziales. „So ist es in Berlin eher schwierig, eine Stelle zu finden, da die Hauptstadt von Absolvent*innen geradezu überlaufen ist.“ Ganz anders sieht es dagegen in Bayern und Baden-Württemberg aus.
3. Chancen durch demografischen Wandel
Da die ältere Generation nach und nach in Rente geht, sind die Aussichten auch perspektivisch gut. Stark-Angermeier vom DBSH sagt hierzu: „Die demografische Entwicklung reißt deutliche Lücken … auch in Leitungsfunktionen.“ Damit wird ein Aufstieg zur Führungskraft möglich, denn ein*e Jugendamtsleiter*in müsse nicht immer ein*e Jurist*in sein.
Die Bonner Redakteurin Schneider rechnet mit einer Zunahme offener Stellen. „Aktuell sind allerdings zahlreiche Jobangebote befristet oder in Teilzeit. Oft erhält aber eine Projektstelle eine Anschlussfinanzierung. Gerade in diesem Bereich gibt es einen verdeckten Arbeitsmarkt.“
4. Viele Teilzeitstellen und Befristungen
Der Gewerkschafter Dehmlow sieht die Befristung kritisch: „Auch außerhalb von Projekten gibt es leider befristete Arbeitsverträge.“ Das bedeute zugleich Unsicherheit für die Beschäftigten … zumal die Finanzierung der Stellen oft von der Kassenlage der Kommunen bestimmt werde. Diese wiederum ist von den Steuereinnahmen und der jeweiligen Verschuldung der öffentlichen Hand abhängig.
Dass viele Arbeitsverträge befristet sind, sieht Stark-Angermeier nicht nur negativ: „Für Berufsanfänger*innen ist das oft kein Schaden. Denn so können sie vielfältige Erfahrungen in der Projektarbeit sammeln, bevor sie sich auf eine unbefristete Stelle und einen bestimmten Arbeitsbereich festlegen.“
Die Tatsache, dass viele Jobangebote für Sozialarbeiter*innen nur Teilzeitbeschäftigungen sind, betrachtet die ehemalige DBSH-Vertreterin allerdings als Problem: „Gerade bei einem geringen Stundenumfang kann man davon nicht mehr leben. Das ist zum Beispiel in München der Fall. Dafür sind dort die Mieten zu hoch.“
Die Berufsfelder, in denen Hochschulabsolvent*innen einsteigen können, sind so vielfältig wie die Problemlagen der Menschen: „Ganz viele Stellen gibt es im Bereich der Kinder-, Jugend und Familienhilfe“, so Stark-Angermeier. Sozialarbeiter:innen werden aber auch in den Bereichen der Strafgefangenenhilfe oder der sozialen Betreuung im Jugendamt gebraucht.
Die demografische Entwicklung schafft ein weiteres Arbeitsfeld: Die älter werdende Gesellschaft braucht nicht nur Pflegekräfte, sondern auch Fachkräfte, die Pflegebedürftige und ihre Angehörigen beraten sowie ehrenamtlich Engagierten praktische Hilfen anbieten. Stark-Angermeier: „Heute existiert oftmals nur eine Stelle pro Pflegeeinrichtung. Doch der Bedarf wird wahrscheinlich in Zukunft auf drei bis fünf Stellen steigen.“
Neben dem Arbeitsbereich Migration, der in den letzten Jahren boomte, erwartet Schneider eine deutliche Zunahme der Jobangebote in der Schulsozialarbeit: „Durch Inklusion und Ganztagsbetreuung wird auch mehr sozialpädagogisches Fachpersonal an den Schulen gebraucht.“
Dehmlow von ver.di betont: „Beim jahrgangsübergreifenden Lernen setzen die Schulen neben Lehrer*innen zusätzlich Erzieher*innen und Sozialpädagog*innen ein.“
Schneider von der WiLa stellt zudem fest, dass im Bereich Genderdiversity neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen, zum Beispiel bei Mädchen*- oder LSBTQIA+(/LGBTQAI+)-Beratungsstellen.
5. Spätere berufliche Umorientierung
Auch noch in späteren Berufsjahren haben Sozialarbeiter*innen die Chance, sich einer anderen Klient*innengruppen zuzuwenden: „Wer sich weiterqualifiziert und neugierig bleibt, für den ist ein Umstieg möglich. Diese Fachkräfte nehmen Träger*innen sogar mit Kusshand“, erklärt Stark-Angermeier.
„Generell arbeiten Sozialpädagog*innen im öffentlichen Dienst und werden nach dessen Tarifvertrag vergütet“, so die DBSH-Vertreterin. „Sind sie bei einem / einer anderen Träger*in beschäftigt, können sie mehr, aber auch weniger verdienen. Wobei sich die Stellen mit niedrigeren Einkommen verringern.“
6. Im Osten ist der Verdienst niedriger
Dehmlow sieht deutliche Unterschiede in der Bezahlung: „Es gibt Träger ohne Tarifbindung, die zahlen 20 Prozent unter dem Tarif des öffentlichen Dienstes. Außerdem sind im Osten die Einkommen teilweise niedriger als im Westen." Bei manchen freien Träger*innen gebe es ohne Tarifbindung auch kein Anrecht auf Lohnsteigerungen im Laufe der Berufsjahre. Eine Leitungstätigkeit würde ebenfalls nicht unbedingt zusätzlich vergütet. Der Gewerkschaftssekretär rechnet zwar in den nächsten Jahren mit Gehaltssteigerungen. „Allerdings steht die Finanzierung sogenannter freiwilliger Leistungen in den Kommunen oftmals unter Finanzierungsvorbehalt.“
Die Autorin dieses Artikels
Anja Schreiber arbeitet seit vielen Jahren als freie Fachjournalistin zu den Themen Bildung, Studium und Beruf. Sie schreibt unter anderem für die Berliner Zeitung, Stuttgarter Zeitung und Süddeutsche Zeitung, aber auch für Hochschulmagazine und eine wissenschaftliche Publikation. Sie ist zudem die Autorin mehrerer Ratgeber. So hat sie zum Beispiel „Die Sehnsuchtsstrategie für Studierende und Hochschulabsolventen“ geschrieben. Das Buch hilft, den Berufseinstieg passgenau vorzubereiten.
Weitere Infos unter: anjaschreiber.de
7. Berufseinstieg als Trainee
Die meisten Berufsanfänger*innen starten ihre Laufbahn mit einem Direkteinstieg. Doch Stark-Angermeier beobachtet einen neuen Trend: „Großstädte wie München oder Hamburg bieten Sozialarbeiter*innen auch ein Traineeprogramm an. Ein Jahr lang durchlaufen die Nachwuchskräfte dann verschiedene Abteilungen einer Behörde.“
Die Vertreterin des DBSH sieht in diesen Programmen einen entscheidenden Vorteil: „Die oft noch sehr jungen Absolvent*innen sammeln so erste Berufserfahrungen, ohne sich im beruflichen Alltag sofort zu verbrennen.“ Sie weiß, dass junge Leute oft frustriert sind: „Sie erleben, dass sie den Menschen nicht so helfen können, wie es menschlich sinnvoll wäre, weil sie sich an die bürokratischen Auflagen halten müssen. Das führt zu Frust.“ Manche wendeten sich deshalb sogar anderen Berufen zu.
Um Frustrationen vorzubeugen, empfiehlt Stark-Angermeier, die Praktika während des Studiums genau auszuwählen. „Schon im Vorfeld sollten Studierende prüfen, ob ihnen das Tätigkeitsfeld gefällt, aber auch, ob ihnen Arbeitgeber*in und Unternehmenskultur zusagen.“ Bei der Jobsuche nach dem Studienabschluss seien das ebenfalls ganz entscheidende Kriterien.
8. Masterabschluss kein Aufstiegsgarant
So wichtig Weiterbildung für die berufliche Entwicklung ist: Ein höherer akademischer Abschluss wie der Master verbessert nicht automatisch die Aufstiegschancen. „Der Master ist ein wissenschaftlicher Abschluss. Er führt in der Regel nicht zu einer Eingruppierung in eine höhere Tarifstufe“, betont Stark-Angermeier. Er sei auch kein Garant für eine Leitungsposition.
Ergänzung der Redaktion:
Die Situation in Jugendämtern
Mitte Mai 2018 erschien eine aktuelle bundesweite Studie „Zur Situation des Allgemeinen Soziales Dienstes (ASD) im Jugendamt“, die an der Hochschule Koblenz in Kooperation mit der Deutschen Kinderhilfe durchgeführt wurde. Medial bekam die Untersuchung viel Beachtung: Sie zeigt, dass in vielen Jugendämtern Personal fehlt – und dadurch Sozialarbeiter*innen zu viele Familien betreuen müssen. Nur in 68 Prozent der Jugendämter wird die empfohlene Obergrenze von 35 Fällen eingehalten.
Durch eine unzureichende Einarbeitung ist die Fluktuation bei Berufseinsteiger*innen zudem recht hoch. Damit du in diese Situation erst gar nicht kommst, solltest du beim Vorstellungsgespräch selbstbewusst auftreten und dich über die Arbeitssituation informieren:
Gibt es eine strukturierte und ausreichend lange Einarbeitungszeit?
Wie hoch sind durchschnittlich die Fallzahlen?
Gibt es ein Angebot an Fortbildungen?
Werden Möglichkeiten für Supervision oder Intervision zur Verfügung gestellt?
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Auf Studis Online
- Studienführer Soziale Arbeit
- Studiengänge Soziale Arbeit
- Weitere Fächer aus der Fachgruppe Sozialarbeit / Sozialwesen
Im Netz
- Der „Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit“ informiert unter anderem über Berufsbilder sowie Aus- und Weiterbildung
https://www.dbsh.de - Socialnet.de bietet Fachinformationen für die Sozialwirtschaft und hat einen Stellenmarkt
https://www.socialnet.de
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Der Artikel ging erstmalig am 17.5.2018 live. Das Artikeldatum kennzeichnet die letzte Aktualisierung vonseiten der Studis Online-Redaktion.