Wankas heile HochschulweltNeue Absolventenstudie vorgelegt
Wenn Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) durch ihr eigenes Haus geförderte Studien kommentiert, ist stets Frohsinn angesagt. Da kann drin stehen, was will, nach außen wird immer auf heile Welt gemacht. Zum Beispiel würde die Ministerin niemals etwas auf die regierungsamtliche Erzählung kommen lassen, dass die Umstellung auf die Bachelor-Master-Studienstruktur im Zeichen von Bologna ein ganz großer Wurf ist. Die von Arbeitsdruck, Prüfungsstress und Modulkleinklein geplagten und in großer Zahl am System scheiternden Studierenden mögen das vielleicht anders empfinden, sind aber doch nur Opfer einer Sinnestäuschung. Denn eigentlich geschieht das alles nur zur ihrer aller Wohl – glaubt man der Ministerin.
Ministerin bester Laune
Auf dem Weg in den Job: Der Trend geht zum FH-Bachelor, Frauen sind noch unterbezahlt
Ende der Vorwoche bot sich Wanka von neuem die Gelegenheit, gute Laune zu verbreiten. Am Donnerstag hatte das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) eine Untersuchung zum Werdegang des Absolventenjahrgangs 2013 vorgelegt, aus der sich allerhand schöne Dinge herauslesen lassen. Etwa, dass man mit Hochschulabschluss in der Tasche auf dem Arbeitsmarkt beste Chancen auf einen Job hat, oder dass die Befragten ihr Studium rückblickend „überwiegend positiv“ bewerten. Die BMBF-Chefin war erwartungsgemäß voll aus dem Häuschen und zollte ein „großes Lob für die Hochschulen und ihre geglückte Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse“. Auch der Einstieg ins Berufsleben gelinge den Absolventen „immer besser“.
Aber was sind Wankas Aussagen wert? Einen schweren Stand auf dem Arbeitsmarkt hatten Hochschulabsolventen auch davor nicht. Gemäß der Vorgängerstudie, die auf einer Befragung des Absolventenjahrgangs 2009 eineinhalb Jahre nach dem Examen beruhte, lag die Erwerbslosenquote im Jahr 2010 je nach Abschlussart zwischen zwei und vier Prozent. Die aktuelle Erhebung macht dazu keine konkreten Angaben. Stattdessen misst sie die Dauer der Beschäftigungssuche, die für Bachelor- und Master-Abgänger im Schnitt dreieinhalb Monate beträgt. Das ist nicht viel und fraglos erfreulich.
Keiner arbeitslos?
Allerdings ist nicht beziffert, wie viele der Befragten 18 Monate nach Abschluss noch nicht fündig geworden, also noch erwerbslos sind. Etwa gar keiner? Man weiß es nicht so recht, zumal die Autoren schreiben, dass die Dauer der Stellensuche „lediglich ein grober Hinweis auf die erfolgreiche berufliche Platzierung“ sei. Auch könne die durchschnittliche Suchdauer „für einen Teil der Absolvent(inn)en mit Phasen von Arbeitslosigkeit einhergehen“. Jedenfalls lässt sich die These der Studienautoren, „der – auch von konjunkturellen Lagen abhängige – Berufseinstieg gelang den Absolvent(inn)en des Prüfungsjahrgangs 2013 insgesamt besser als den Absolvent(inn)en der Vorgängerbefragung“, anhand des präsentierten Datenmaterials nicht nachvollziehen. Einen validen Vergleich mit der 2009er-Studie kann man schlicht nicht vornehmen, zumal diese wiederum keine Zahlen zur Dauer der Stellensuche lieferte.
Vorschnelle Schlüsse verbieten sich auch an anderer Stelle, vor allem da, wo es um den „Berufserfolg“ von Bachelor-Absolventen geht. Tatsächlich wagen nämlich weiterhin die allerwenigsten den Schritt ins Berufsleben. Die allermeisten ziehen es dagegen vor, ihre Qualifikation durch die Aufnahme eines Master-Studiums aufzuwerten. Vor allem gilt das für die Bachelor-Absolventen der Universitäten, von denen 82 Prozent diesen Weg wählten. Das heißt: Nicht einmal ein Fünftel derjenigen mit fertigem Uni-Bachelor versucht sich direkt am Berufseinstieg. Von den Uni-Bachelors in „naturwissenschaftlichen, ingenieurwissenschaftlichen und Lehramtsstudiengängen“ haben laut Studie sogar „nahezu alle“ ein Master-Studium angeschlossen.
Uni-Master als „Regelabschluss“
Eine „Besserung“ lässt sich allenfalls für die FHs konstatieren. Vom 2009er-Bachelor-Jahrgang sattelten noch 50 Prozent einen Master drauf, vom 2013er-Jahrgang „nur“ 44 Prozent. Das ist immer noch viel, kann in der Zeitreihe aber durchaus so auslegt werden, dass der Titel in seinem Ansehen bei Arbeitgebern zugelegt hat. Anders stellt sich die Lage für den Uni-Bachelor dar. Von den Absolventen 2009 hatten immerhin „bloß“ 72 Prozent auf die Master-Zugabe gesetzt, vom 2013er-Jahrgang satte zehn Prozent mehr. Dem Abschluss wird augenscheinlich zunehmend weniger Wertigkeit beigemessen.
Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen des in dieser Woche veröffentlichten Berichts „Bildung in Deutschland 2016“. Darin wird die Übergangsquote vom Uni-Bachelor ins Master-Studium auf 80 Prozent taxiert und konstatiert: „An den Universitäten wird der Master offenbar zum Regelabschluss und der Bachelor für die große Mehrzahl der Studierenden zu einer Art Zwischenexamen.“ Und weiter: „Offensichtlich ist das Vertrauen in die Arbeitsmarktakzeptanz des Bachelors gering.“ Liest sich so eine Erfolgsstory?
FH-Abschluss arbeitsmarktauglicher?
Insgesamt liefern die DZHW-Befunde ein ziemlich zwiespältiges Bild. Die Ergebnisse deuten einerseits sehr wohl darauf hin, dass sich die Situation für FH-Studierende verbessert hat. Andererseits gilt das für Uni-Absolventen bei einer Reihe von Indikatoren eben nicht und wo doch, dann mit Abstrichen. So haben eineinhalb Jahre nach dem Examen von den Uni-Bachelors gerade einmal 25 Prozent eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. (Die Diskrepanz zur 82-Prozent-Übergangsqute zum Master dürfte sich damit erklären, dass ein Teil der Betroffenen sein Studium vorzeitig abbricht, um ins Berufsleben zu wechseln.) FH-Bachelors haben hingegen zu 65 Prozent einen Job angetreten. Absolventen mit FH-Master stehen 18 Monate nach Abschluss zu 95 Prozent im Beruf, solche mit Uni-Master zu 88 Prozent.
Von den FH-Absolventen mit Bachelor oder Master haben über 60 Prozent eine Tätigkeit aufgenommen, die ihrem Abschlussniveau entspricht. Bei Universitätsabschlüssen liegt dieser Wert bei 46 Prozent (Bachelor) und 76 Prozent (Master). Unterschiede zeigen sich auch bei den Konditionen, zu denen sie beschäftigt sind. Während FH-Bachelors direkt nach Berufseinstieg zu 54 Prozent eine unbefristete Anstellung haben (FH-Master: 60 Prozent), gilt das für Uni-Bachelors nur in 32 Prozent der Fälle. Uni-Absolventen mit Master bekommen sogar in nur 23 Prozent einen Job ohne Befristung, was sich jedoch im Wesentlichen durch den hohen Anteil derer erklärt, die als angehende Lehrer oder Juristen zunächst ein Referendariat durchlaufen müssen (42 Prozent).
Einkommen gestiegen
Die Diskrepanzen zwischen Unis und FHs begründet Studienautor Gregor Fabian damit, dass Studierende an Fachhochschulen „wegen der Praxisnähe schon während des Studiums Kontakte zu Unternehmen knüpfen“. Nach Studienabschluss betätigten sie sich dann auch „wesentlich häufiger in der Privatwirtschaft“. Auf längere Sicht würden „im Laufe der Karriere unbefristete Beschäftigungsverhältnisse auch für Universitätsabsolventen zur Regel werden“. Dieselbe Entwicklung zeigt sich laut Fabian bei den Einkommen. Auch hier stehen Uni-Absolventen nach den Befunden im ersten Berufsjahr schlechter da als die FH-Abgänger. Im Anschluss daran würden sie dann aber „sehr schnell höhere Gehälter erzielen und durchschnittlich dann sogar mehr verdienen als ihre Kollegen von Fachhochschulen“.
Insgesamt sind die Bruttoverdienste von Akademikern der Studie zufolge gestiegen. Während sich beim 2009er-Jahrgang das Einstiegsgehalt eines FH-Bachelors in Vollzeitbeschäftigung noch auf 32.700 Euro belief, waren es beim 2013er-Jahrgang schon 35.100 Euro. Uni-Bachelors haben sich im selben Zeitraum von 27.100 Euro auf 30.200 Euro verbessert. In ähnlicher Größenordnung haben die Anfangsgehälter für einen FH-Master auf 40.200 Euro und einen Uni-Master 38.500 Euro zugelegt.
Frauen unterbezahlt
Der Trend zu einer insgesamt besseren Bezahlung ist schön und gut, entspricht aber der allgemeinen positiven Lohnentwicklung der zurückliegenden Jahre. Ob die Betroffenen die Vergütung als angemessen empfinden, steht auf einem anderen Blatt. Laut Erhebung sind „gut 40 bis 50 Prozent“ der Befragten mit ihrer Einkommenssituation „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“, wobei es deutliche Abweichungen zwischen Fachrichtungen und Abschlussart gibt. Lediglich 38 Prozent der Uni-Bachelors sind (sehr) zufrieden mit ihrem Entgelt, Absolventen mit FH-Master zu 49 Prozent. „Explizit negative Urteile liegen zwischen 36 Prozent der Bachelors von Universitäten und 22 Prozent der Master von Fachhochschulen.“
Besonders unzufrieden äußerten sich Bachelor-Absolventen der Psychologie und Pädagogik (52 Prozent), auch in den Geisteswissenschaften, den Sozial- und Politikwissenschaften sowie beim Lehramt überwiegen die negativen Bewertungen leicht die positiven. Auch spiegelt die Studie das herrschende Geschlechtergefälle wider. Absolventinnen verdienten im Schnitt weniger Geld als ihre ehemaligen Kommilitonen und zeigten sich entsprechend unzufriedener mit ihrer Einkommenssituation.
Alte Abschlüsse außen vor
In der neuen Studie fehlt ein wichtiger Maßstab zur Einordnung der Zahlen. Frühere Untersuchungen hatten zum Teil erhebliche Lücken zwischen den Einkommen der Absolventen der neuen Studiengänge Bachelor und Master sowie jenen mit Diplom, Magister oder Staatsexamen aufgezeigt. Laut 2009er-Absolventenbefragung verdienten FH-Bachelors seinerzeit zum Berufsstart im Schnitt zehn, Uni-Bachelors sogar 26 Prozent weniger als ihre Ex-Kommilitonen in den traditionellen Studiengängen.
Hieran macht sich auch ein entscheidender Kritikpunkt an der Umstellung auf die neue Studienstruktur fest. Dass nämlich der Bachelor als „Sparmodell“ für die Industrie konzipiert worden sei und die Hochschulen damit nur mehr „bessere Facharbeiter“ produzierten. Das DZHW liefert dazu neuerdings keinen Argumentationsstoff mehr. „Aufgrund der weitestgehend abgeschlossenen Reform“ habe es zum ersten Mal bei seiner Erhebung „keine Diplom- oder Magister-Studiengänge mehr einbezogen“, heißt es in einer begleitenden Mitteilung.
Kritik an Studienbedingen
Richtig ist zwar, dass die alten Studienabschlüsse mehr und mehr von der Bildfläche verschwinden. Aber es gibt sie noch und inzwischen sogar seitens Politik und Wirtschaft Vorstöße, nicht nur den Restbestand zu bewahren, sondern ihnen ein Comeback zu verschaffen. Entsprechende Überlegungen werden auf höchster politischer Ebene aktuell zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen angestellt. Außerdem tüftelt derzeit die Kultusministerkonferenz (KMK) gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) an Nachbesserungen bei den Bachelor-Studiengängen.
Dass längst nicht alles in Butter ist, zeigt sich so auch bei der Einschätzung der Studienbedingungen durch die Absolventen. Zwar würden die „Studienorganisation, die kommunikativen Strukturen und die sachliche Ausstattung“ von den Absolventen „überwiegend gut bis sehr gut bewertet“, heißt es. Kritik gibt es aber sehr wohl, etwa hinsichtlich der „Vorbereitung auf den Beruf“, der „Unterstützung (…) beim Übergang in das Beschäftigungssystem“ und in punkto „Praxisbezug des Studiums“. Zitat: „Die Hälfte der Fachhochschul- und mehr als zwei Drittel der Universitätsabsolvent(inn)en zeigen sich damit unzufrieden.“
Umstellung missglückt?
Mängel werden ebenso in den Einschätzungen zur Qualität der Lehre offenbar, insbesondere seitens der Bachelor-Absolventen. Insgesamt bewerteten FH-Absolventen ihr Studium „etwas positiver“ als Uni-Absolventen. Zuletzt hatte das Statistische Bundesamt mitgeteilt, dass nur 40 Prozent aller Abschlüsse in der Regelstudienzeit erreicht werden. Von allen Befragten hätte „jeder Zehnte ernsthaft über einen Abbruch des Studiums nachgedacht“. Für viele ihrer ehemaligen Kommilitonen wurde die Sache bitter ernst. Tatsächlich bricht heutzutage fast jeder dritte Bachelor-Studierende sein Studium vorzeitig ab. Bologna – „Umstellung geglückt“? Naja.
(rw)