Die Wirtschaft hat NachholbedarfSocial Media Jobs
Von Anja Schreiber
Social Media heißt nicht nur, in sozialen Netzwerken aktiv zu sein, sondern auch die Kommunikation zu planen – so weit das möglich ist …
Die Arbeitsmarktchancen im Social Media-Bereich sind grundsätzlich gut: „Es gibt in der gesamten Wirtschaft immer noch einen großen Nachholbedarf“, betont Prof. Harald Eichsteller, Studiendekan an der Stuttgarter Hochschule der Medien (HdM). Denn nicht nur mit dem EndkundInnen läuft inzwischen die Kommunikation über soziale Medien, sondern auch Geschäftsleute nutzen untereinander vermehrt diese Kanäle.
Kommunizieren und Strategien entwickeln
Wer in die Branche gehen will, findet ganz unterschiedliche Berufsprofile vor: „Community ManagerInnen stehen zum Beispiel im direkten Austausch mit den NutzerInnen“, berichtet Ben Ellermann, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Community Management (BVCM). Sie entscheiden über die inhaltliche Ausrichtung und und führen Dialog mit den NutzerInnen.
„Social Media ManagerInnen befassen sich dagegen vorwiegend mit organisatorischen und strategischen Fragen“, so Ellermann. Der Fokus bei ihnen liegt darauf, einen übergeordneten, strategischen Rahmen für das Social Media Engagement der Organisation zu schaffen und diesen kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Die Interessen der Unternehmen vertreten
„Wer als Social Media ManagerIn arbeiten will, muss wissen, wie seine Firma tickt. Denn nur so kann er auch ihre Interessen vertreten“, betont Vivian Pein. Sie ist Autorin des Buches „Der Social Media Manager“ und und Beraterin für digitale Kommunikation. Bei einer nachhaltigen Strategie geht es nicht darum, möglichst viel Klicks und Likes zu generieren, sondern einen Mehrwert für die Firma zu schaffen. „Inaktive Fans schaden einer Facebook-Seite sogar, weil sich dadurch ihre Sichtbarkeit verschlechtert.“
Pein weiß, dass die Präsenz in den sozialen Netzwerken – will sie authentisch sein – mit den Unternehmenszielen in Einklang stehen muss. Deshalb sind gekaufte Likes oder andere Manipulationen tabu.
Eichsteller ergänzt: „Es geht insbesondere ums Zuhören. So sollten Social Media ExpertInnen wissen, was im Internet passiert und schnell auf Kritik reagieren.“ Denn ihre Aufgabe ist oft Intervention und Deeskalation.
Unterschiedliche Fachrichtungen sind gefragt
Wie die Jobprofile in den verschiedenen Firmen und Institutionen genau aussehen, kann höchst unterschiedlich sein. „Das hängt vom digitalen Reifegrad, der Größe und dem Typ der Organisation ab“, erklärt Ellermann. In kleinen und mittelständischen Betrieben vermischen sich zum Beispiel häufig die Aufgabenbereiche von Social Media- und Community ManagerInnen, während Konzerne zumeist hoch spezialisierte MitarbeiterInnen suchen.
Der Einstieg in die Branche ist mit ganz unterschiedlichen Studienfächern möglich: „Viele Branchenkollegen haben Kommunikationswissenschaft oder eine Geisteswissenschaft studiert“, so Ellermann. Auch technische und betriebswirtschaftliche Studiengänge seien nicht ungewöhnlich.
„Wer heute einen Medienstudiengang absolviert, beschäftigt sich im Studium selbstverständlich auch mit Social Media“, berichtet Eichsteller. So jemand sei natürlich prädestiniert für diesen Bereich. Aus seiner Erfahrung weiß er aber, dass viele Social Media ManagerInnen und BeraterInnen über eine journalistische oder PR-Ausbildung verfügen. Denn es gibt zu diesem Berufsbild nicht nur einen möglichen Ausbildungsweg.
Social Media-Wissen ist ein Muss
Social Media-Wissen
Rekrutierte sich die erste Generation der Social Media-ExpertInnen fast ausschließlich aus QuereinsteigerInnen, wird heute mehr erwartet. Um Unternehmen zu überzeugen, brauchen AbsolventInnen schon handfeste Argumente. „Es reicht nicht aus, privat in den sozialen Netzwerken aktiv zu sein", so Ellermann. Wer als Social Media Professional arbeiten möchte, muss mindestens ein Grundwissen darüber mitbringen, wie Organisationen im Social Web mit ihren KundInnen und MitarbeiterInnen kommunizieren. "Besser sind natürlich praktische Erfahrungen.“
Er selbst ist stellvertretender Leiter der buw digital GmbH. Dort führt er auch Vorstellungsgespräche mit neuen potenziellen MitarbeiterInnen. „Ich frage gerne, welche Blogs die KandidatInnen verfolgen, um zu sehen, ob sie auf dem Laufenden sind.“ Sein Tipp: Den Blog von Thomas Hutter, Allfacebook.de, das Magazin „T3N“ und den BVCM Branchennewsletter lesen (siehe Kasten).
Weiterbildung zählt
Vivian Pein rät außerdem, sich auf sogenannten Barcamps fortzubilden. Auf ihnen bestimmen die TeilnehmerInnen selbst die Themen der Workshops. „Der große Vorteil dieser Veranstaltungen ist der unkomplizierte Wissensaustausch auf Augenhöhe und das hier auch Experten vortragen, die sonst auf teuren Kongressen auftreten.“ Dazu kosten die meisten Barcamps nur einen Unkostenbeitrag, der auch für Studierende erschwinglich ist.
Um sich weiterzubilden und in Kontakt mit anderen aus der Branche zu kommen, bieten sich auch Netzwerkveranstaltungen an. Eine Ausbildung zum Social Media Manager sei in der Regel kostenpflichtig. Oft gibt es hier jedoch Forderungsmöglichkeiten, über die jeweiligen Anbieter informieren. Der BVCM schreibt außerdem zweimal jährlich ein Stipendium aus, um Talente zu fördern.
Kriterien für die Praktikumssuche
Wie in anderen Berufsfeldern auch sind Praktika eine gute Möglichkeit, Praxiserfahrung zu sammeln. Doch wer wirklich etwas lernen will, sollte konkret hinschauen, wo er sich bewirbt. „Schaut Euch zum Beispiel die Facebook-Seiten der Unternehmen, bei denen Ihr hospitieren möchtet, genau an“, so Ellermann. „Ist die Art und Weise wie die Firma mit ihren Kunden kommuniziert professionell? Erkennt Ihr eine Kommunikationsstrategie?“
Ein guter Qualitätsindikator können auch Kommunikationspreise im Bereich Social Media sein. Zur Vorsicht rät Ellermann dort, wo schon von PraktikantInnen zu viel „Eigenverantwortlichkeit“ erwartet wird. Da fehlt es oft an Betreuung und an der Chance, wirklich von Profis zu lernen.
Praktische Erfahrung sammeln
Eichsteller empfiehlt auch jenseits von Praktika, praktische Erfahrungen zu sammeln ... zum Beispiel durchs Bloggen: „Studierende sollten über das schreiben, was sie inhaltlich interessiert.“ Dabei ginge es gar nicht so sehr um große Besucher- oder Abozahlen, sondern viel mehr darum, sich auszuprobieren. Denn so finden sie heraus, ob ihnen zum Beispiel das Schreiben von Texten und die Kommunikation mit den NutzerInnen via Social Media liegt.
Praktische Erfahrung im Social Media-Bereich hat auch die BWL-Studentin Nadine gesammelt. Seit acht Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich als Administratorin bei der Electronic Sports League (ESL). Inzwischen ist sie für die Ausbildung des Nachwuchses zuständig. „AdministratorInnen initiieren Turniere und Gewinnspiele. Sie verbreiten diese auf den verschiedenen Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram“, erklärt die 28-Jährige.
Die Studentin ist mittlerweile auch in der Betrugssektion innerhalb der ESL aktiv. Denn nicht alle Mitglieder halten sich an die Regeln. Deshalb kann die Liga disziplinarische Maßnahmen wie etwa zweijährige Sperren aussprechen. „Und ich passe auf, dass die Gesperrten in dieser Zeit keine Fakeaccounts anlegen und weiterspielen.“
„Social Media ist Werbung“
Bei so viel Praxiserfahrung liegt eigentlich ein Social Media-Job nah. Doch Nadine winkt ab: „Nach ein paar Jahren ging mir die Kreativität mir immer mehr verloren. Als BWLerin fällt es mir auch nicht so leicht, Texte zu schreiben.“ Deshalb möchte sie nach dem Studium in die Personalabteilung eines Unternehmens gehen.
Die Autorin dieses Artikels
Anja Schreiber arbeitet seit vielen Jahren als freie Fachjournalistin zu den Themen Bildung, Studium und Beruf. Sie schreibt unter anderem für die Berliner Zeitung, Stuttgarter Zeitung und Süddeutsche Zeitung, aber auch für Hochschulmagazine und eine wissenschaftliche Publikation. Sie ist zudem die Autorin mehrerer Ratgeber. So hat sie zum Beispiel „Die Sehnsuchtsstrategie für Studierende und Hochschulabsolventen“ geschrieben. Das Buch hilft, den Berufseinstieg passgenau vorzubereiten.
Weitere Infos unter: anjaschreiber.de
„Social Media ist Werbung“, bringt es die Studentin auf den Punkt. „Das bedeutet, Inhalte ‚verkaufen‘ zu müssen, die einen möglicherweise selbst gar nicht interessieren.“ Für Nadine ein entscheidender Grund, sich eine andere Berufsperspektive zu suchen.
Auch die Buchautorin Vivian Pein betont: „Wer in einem Social Media Job arbeitet, muss sich mit seinem Arbeitgeber identifizieren.“ Denn nur dann könne er die Firma auf den unterschiedlichen Plattformen gut vertreten. Umso wichtiger ist es, sich schon in der Bewerbungsphase zu fragen, ob Produkte, Dienstleistungen und Unternehmensphilosophie zu den eigenen Werten passen.
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- Vivian Pein: Der Social Media Manager. Das Handbuch für Ausbildung und Beruf, 572 Seiten, Rheinwerk Computing, (Bonn) 2015, 34,90 Euro
- Nico Lumma, Stefan Rippler, Branko Woischwill: Social Media. Wie Karrieren im Web 2.0 funktionieren, 164 Seiten, Springer Gabler, (Wiesbaden) 2015 (2. Auflage), 24,99 Euro (E-Book: 19,99 Euro)
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