Karriereführer für NaturwissenschaftlerinnenEin Buch für studierte Frauen in der Berufswelt
Von Katrin Iost
1977 wurde Frauen die Entscheidung, ob sie berufstätig sein wollen, per Gesetz in ihre eigenen Hände übergeben. Seit diesem Zeitpunkt darf nicht mehr der Ehemann darüber entscheiden, ob seine Frau berufstätig sein darf oder zu Hause bleiben muss, um Haus und Familie zu versorgen. Diese Entscheidung liegt seitdem bei der Frau selbst.
39 Jahre sind vergangen. Doch auch heute noch ist die berufliche Entwicklung von Frauen in Deutschland verhalten. In Führungspositionen gibt es keine gleichmäßige Verteilung von Männern und Frauen. Und bei der reibungslosen Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt es noch „einigen Sand im Getriebe“. Das spiegelt sich in einer niedrigen Geburtenrate in Deutschland wieder, die nach aktuellem Stand bei 1,47 Kinder je Frau liegt (Statistisches Bundesamt, 2014).
Weitsicht: Der Karriereführer soll Frauen in den Naturwissenschaften helfen Herausforderungen voraus zu sehen und zu überwinden. Er enthält viel Wissen, das auch für den beruflichen Weg von Frauen anderer Studiengänge interessant ist.
Länder, wie die Niederlande oder Norwegen zeigen, dass es auch anders geht. „Fahren Sie doch einmal unter der Woche am Nachmittag durch eine holländische Stadt. Sie werden viele Lastenfahrräder sehen, auf denen Väter mit ihren Kindern spazieren fahren,“ lautet eine Beobachtung aus dem Karriereführer über die „erste Teilzeit-Wirtschaft der Welt“.
Mit dem Karriereführer versuchen die Autoren Karin Bodewits, Andrea Hauk und Philipp Gramlich junge Naturwissenschaftlerinnen auf ihrem beruflichen Weg zu begleiten. Zu den vier großen Themen Berufswahl, Bewerbung, Berufsleben sowie Beruf und Mutter beantworten sie Fragen, die sich im Lauf der Zeit stellen und bereiten auf wahrscheinliche Hindernisse vor, denen junge Naturwissenschaftlerinnen begegnen.
Basis dieser Anregungen sind die eigenen Erfahrungen der Autoren gepaart mit Eindrücken und Erfahrungen von InterviewpartnerInnen, die sich bereits beruflich entwickelt haben. Das Buch bildet einen erkenntnisreichen Mix aus allgemeinen Anregungen aufgelockert mit den erlebten Geschichten der InterviewpartnerInnen und verziert mit amüsanten, anschaulichen Illustrationen.
Streifzüge durch die Hallen der Universität und Industrie
Anders als der forsche, voranschreitende Eindruck des Covers vermittelt, beginnt das Buch überraschend gemächlich mit einer Phase der Orientierung. Eine junge Naturwissenschaftlerin lässt sich durch die Hallen der Universität und der Industrie führen. Sie hat gerade ihre Promotion aus der Druckerei abgeholt und beginnt an ihrem Traum aus Kindheitstagen zu zweifeln. An der Universität haben sich die Gegebenheiten während ihrer nun vergangenen Promotion anders dargestellt, als sie es sich in ihren Kindheitstagen einmal vorgestellt hat.
Nun überlegt sie, ob sie trotz dessen an der Universität bleiben möchte oder lieber in die Industrie wechselt. Sie verabredet sich mit einem Universitätsprofessor und einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin aus der Industrie, um einen Eindruck von beiden Institutionen zu erhalten und die wesentlichen Unterschiede zu erfassen.
Später kommen dann die Überlegungen hinzu, wann ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel ist: Sollte noch eine Promotion oder gar PostDoc gemacht oder am besten gleich nach dem Master-Abschluss gewechselt werden? Gibt es die Möglichkeit auch wieder an die Universität zurück zu gehen?
Es handelt sich bei der Erwähnung der „Industrie“ um die gewinnorientierte Industrie, obwohl sich das Buch keineswegs darauf beschränkt. So wird im Buch zum Beispiel eine Naturwissenschaftlerin zitiert, die bei der Zeitschrift „nature“ einen Job fand. Auf eine Karriere an der Universität wird im Buch zurückhaltend eingegangen. Sie steht nicht im Fokus, wird aber von Zeit zu Zeit thematisiert.
König Artus Tafelrunde
Im Teil zum Berufsleben setzen sich die Autoren mit verschiedenen Situationen wie dem ersten Tag im neuen Unternehmen, Mitarbeiterkonferenzen, Herausforderungen in den Jobspielen, Führungseigenschaften sowie Zielen und Plänen auseinander. In einem der Kapitel beschreiben sie zum Beispiel eine Mitarbeiterkonferenz, in der an jede der am runden Tisch anwesenden Personen eine Rolle aus König Artus Tafelrunde vergeben wird.
So sitzen am Tisch der König, sein Kronprinz, der enge Führungskreis, der Kritiker, das große Mittelfeld, die Freaks und die Außenseiter. Die charakterlichen Beschreibungen der Rollen lassen sich auch in heutigen Meetings erfassen. Zufällige Änderungen der Sitzordnung können diese Rollenaufteilungen sogar aufbrechen.
Ein anderes Thema dieses Teils sind die unterschiedlichen Fallen und Herausforderungen, die sich im beruflichen, täglichen Verhalten auftun können. Die Autoren des Buches geben ihnen interessante Namen wie Bescheidenheitsfalle, Dornröschenfalle, Beliebtheitsfalle, Perfektionsfalle oder Stutenbissigkeit. Auch wenn die Benennungen amüsant klingen, bleiben die Autoren bei ihren Ausführungen zu den Verhaltensfallen im Buch sachlich.
Der Teil zur Bewerbung vermittelt umfangreiches Wissen um für sich eine geeignete, freie Stelle ausfindig zu machen, die Bewerbung anspruchsvoll zu gestalten, sich im Interview überzeugend zu verhalten und das Gehalt intelligent zu verhandeln. Auch hier tauchen die Autoren in viele aber durchaus interessante Einzelheiten ab, die mit auflockernden Interviewpassagen veranschaulicht werden.
Eine kritische Betrachtung der Inhalte eines Jobs fehlt aber im Buch. In den beschriebenen Verhaltensweisen geht es hauptsächlich darum, wie man bei Bewerbung und im Berufsleben punkten kann. Die berufliche Entwicklung sollte aber nicht allein darauf ausgerichtet sein, mal eine Führungsposition zu übernehmen. Es sollte sich auch um etwas für die Person sinnvolles handeln, das sie betreut - auch wenn sie dabei nur an einem kleinen Rädchen mit dreht.
Väter sind gefragt
Die Vereinbarkeit von beruflicher Entwicklung und Mutter sein wird erst im Teil IV behandelt, obwohl es zeitlich keinen Lebensabschnitt gibt, der für die Gründung einer Familie besser wäre als ein anderer. Alle Lebensabschnitte beinhalten Vor- und Nachteile bzw. Für und Wider.
Wenn Kinder in eine Familie geboren werden, entstehen viele neue Aufgaben. So passiert es nicht selten, dass Paare sich einigen, dass ein Partner zuhause und der andere im Beruf bleibt. Spätestens bei Trennungen wird das problematisch. Das Familienmitglied, das im Beruf geblieben ist, kann sich problemlos weiter finanzieren, während das andere Familienmitglied beruflich nicht einfach dort wieder anknüpfen kann, wo es vor der Zeit der Kinderpflege aufgehört hat. Außerdem berichten Mütter, „dass sie die Elternzeit nach ein paar Wochen oder Monaten recht einseitig finden und gerne wieder andere Leute und vor allem über andere Themen sprechen würden.“
K. Bodewits, A. Hauk, P. Gramlich
Karriereführer für Naturwissenschaftlerinnen – Erfolgreich im Berufsleben
Wiley-VCH Verlag, Weinheim
ISBN 352733839X, 315 Seiten, 29,90 €
Die Autoren geben viele interessante Hinweise, wie es trotz Mutterschaft funktionieren kann, den eigenen beruflichen Weg weiter zu verfolgen. Sie weisen allerdings auch darauf hin, dass Teilzeitangebote im naturwissenschaftlichen Bereich in Deutschland eher gering sind und selten den Qualifikationen der berufstätigen Mütter entsprechen.
Doch gibt es auch hier Wege, wie sich Mutterschaft und berufliche Entwicklung vereinbaren lassen. Dabei ist auch eine stärkere Aufteilung der Erziehungsarbeit mit den Vätern gefragt. Sie müssen bei ihren Arbeitgebern sogar manchmal die ersten sein, die nach Elternzeit fragen. Gibt es bereits Väter am Arbeitsplatz, die diesen Pfad beschritten haben, verlieren „die Arbeitgeber irgendwann ihren Aberglauben, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt, sobald ein Mann in Elternzeit geht.“
„Auch die Arbeitgeber“, so schlagen die Autoren vor, „können das Leben von vielen Eltern viel leichter machen, indem sie die nötige Flexibilität gewähren.“ Ein Teil der Arbeit könnte zum Beispiel als Homeoffice erlaubt und Meetings auf die Vormittage gelegt werden. Eltern mit Kindern müssen beispielsweise auch 14 Wochen Ferien mit sechs Wochen Urlaub abdecken. Mit Kreativität und Flexibilität ließe sich das ermöglichen. Und so kämen Arbeitnehmer denn auch an die Vorteile von arbeitenden Müttern. „Viele Mütter berichten, das sie nach der Geburt viel effektiver arbeiten als vorher,“ schildern die Autoren des Buches.
Der Karriereführer bietet viele interessante Einzelheiten, die in einen angenehm locker wirkenden Rahmen verpackt sind. Auch an Ermutigungen sparen die Autoren nicht, wie in diesem Beispiel zum Thema Bewerbung zu sehen ist: „Und selbst wenn Ihnen die Stellenprofile den Eindruck vermitteln, das nur Superwoman auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine Chance hat: Wir können Ihnen versichern, das das nicht stimmt.“ Das Buch ist mit einem Fokus auf die Karriere von Frauen in den Naturwissenschaften geschrieben. Dennoch enthält es viel Wissenswertes, das auch für die berufliche Entwicklung junger Frauen aus anderen als den Naturwissenschaften sehr hilfreich sein kann.