Arbeitsmarkchancen von AkademikernStudium als beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit
Von Jens Wernicke
HochschulabsolventInnen haben nach wie vor bessere Arbeitsmarktchancen. Im Detail zeigt sich neben Licht auch Schatten.
Regelmäßig untersucht die Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) die Karrierewege von Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Finden diese schnell Beschäftigung oder bleiben sie lange arbeitslos? Werden sie angemessen bezahlt? Und wie zufrieden sind sie mit ihrem Berufseinstieg? Diese und ähnliche Fragen wurden Absolventinnen und Absolventen des Abschlussjahrganges 2000/2001 ein Jahr, fünf Jahre und schließlich zehn Jahre nach deren Hochschulabschlüssen gestellt. Im Vergleich zu den ebenso vorliegenden Daten des Abschlussjahrganges 1996/1997 ergeben sich hierdurch Daten, die valide und repräsentativ Entwicklungen zum Thema aufzeigen. Sie können in der nun von der HIS GmbH veröffentlichten Studie "Karriere mit Hochschulabschluss?" nachvollzogen werden.
In Summe ergibt sich dabei trotz aller anderslautenden Befürchtungen erneut ein sehr gutes Bild, das alle Studierenden und jene, die es noch werden wollen, erfreuen wird:
"Ein abgeschlossenes Hochschulstudium gilt noch immer als beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit unter Hochschulabsolvent(inn)en ist tatsächlich anhaltend gering."
Im Detail sind die Studienergebnisse jedoch durchaus mit Widersprüchen in Bezug auf die "heile Welt des akademischen Berufslebens" durchsetzt.
So sieht sich zehn Jahre nach dem Hochschulabschluss mit 88 Prozent der Befragten der überwiegende Teil derselben zwar als adäquat beschäftigt an und schätzen weitere vier Prozent ihre Stellung immerhin als fachlich angemessen ein. Ein Prozent ist jedoch in einem Beruf tätig, der dem Hochschulabschluss weder positional noch fachlich angemessenen ist. Und drei Prozent aller Absolventinnen und Absolventen sind über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg inadäquat beschäftigt gewesen. Auch belegen die Analysen, dass ein inadäquater Beschäftigungseinstieg die Wahrscheinlichkeit, auch nach zehn Jahren noch unangemessen beschäftigt zu sein, um zwölf Prozentpunkte erhöht.
Ganz grundsätzlich gilt die Gutwetterlage also nicht für alle Akademiker. Dies gilt umso mehr, wenn man sich die Ergebnisse noch gründlicher ansieht – insbesondere in Bezug auf die Art des Abschlusses und das Geschlecht des frisch gebackenen Akademikers bzw. der frisch gebackenen Akademikerin.
So heißt es in der Studie denn exemplarisch auch:
"Die durchschnittlichen Bruttojahresgehälter von vollzeitbeschäftigten Hochschulabsolvent(inn)en liegen zehn Jahre nach Ende des Studiums bei rund 63.000 Euro. 80 Prozent der befragten Akademiker(innen) erzielen ein Einkommen, das über dem Durchschnitt aller Beschäftigten in Deutschland liegt. Die Spannbreite ist allerdings hoch: So liegt das durchschnittliche Bruttojahresgehalt von Sozialarbeiter(inne)n bei 40.300 Euro, das von Humanmediziner(inne)n bei 88.700 Euro. Männer erzielen mit durchschnittlich 68.900 Euro höhere Einkommen als Frauen (51.100 Euro). Diese Unterschiede sind nicht ausschließlich auf die studierten Fächer zurückzuführen, denn auch innerhalb der untersuchten Fachrichtungen gibt es geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede zugunsten der Männer. Darüber hinaus nehmen die bereits beim Berufseinstieg bestehenden Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern im weiteren Berufsverlauf nicht ab."
Dennoch sind die Karrierewege des (statistischen) „Durchschnittsakademikers“, von dem wir uns jedoch nicht die differenzierte Sicht auf die in Wirklichkeit sehr komplexe Gemengelage verbauen lassen sollten, leidlich beeindruckend. Denn für diesen gilt:
Vier von zehn Akademikerinnen und Akademikern bekleiden zehn Jahre nach ihrem Studienabschluss eine Führungsposition, Männer (52 Prozent) deutlich häufiger als Frauen (30 Prozent). Vgl. Abb. 6.3 weiter unten.
Drei Viertel der erwerbstätigen Absolventinnen und Absolventen sind unbefristet beschäftigt, 15 Prozent sind selbstständig; nur ein Prozent ist zehn Jahre nach dem Examen arbeitslos.
Die Erwerbsquote liegt zu diesem Zeitpunkt bei 89 Prozent (Männer: 97 Prozent Frauen: 80 Prozent). Es sind weiterhin vor allem Mütter (90 Prozent, Väter: 29 Prozent), die ihre Erwerbstätigkeit für Familienarbeit unterbrechen.
Sehr viele Befragte sind mit den Arbeitsinhalten (85 Prozent), dem Arbeitsklima (78 Prozent), ihrer beruflichen Position (73 Prozent), der Angemessenheit ihrer Beschäftigung (72 Prozent) und der Sicherheit ihres Arbeitsplatzes (70 Prozent) zufrieden. Vgl. Abb. 6.3 weiter unten.
Seltener sind jedoch auch "in Breite" positive Urteile mit Blick auf das erreichte Einkommen (55 Prozent), den Raum für das Privatleben (53 Prozent) sowie die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten (38 Prozent).
Leerstellen – und was noch zu diskutieren wäre
Kritikwürdig an der Studie bzw. ihrer Perspektive sowie ihren Ergebnissen ist dabei vor allem eines: Wer sich einmal nach oben in der gesellschaftlichen Hierarchie hochgearbeitet hat – was auch mittels Bildungstiteln realisiert wird –, dem geht es besser als manch anderem – diese Feststellung ist nicht viel mehr als eine tautologische Banalität.
Vielmehr stellen sich doch folgende Probleme: Ist es gesamtgesellschaftlich wirklich hilfreich, zu Zeiten, in denen sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auftut, vor allem ein Studium als Lösung der hieraus resultierenden individuellen Problemlagen anzupreisen? Wird damit nicht zugleich übersehen, dass jene, die es gar nicht erst bis zum Studienabschluss schaffen, immer mehr von sozialer Ausgrenzung und Erwerbslosigkeit bedroht sind? Und dass auch die Akademiker, deren Zahl immer weiter zunimmt, schließlich immer mehr in Konkurrenz um die immer weniger werdenden guten Stellen gedrängt werden? Geht man von diesen Fragestellungen aus, so wäre es sinnvoll, die gesamtgesellschaftliche Situation in die Debatten um "Akademikerkarrieren" mit einzubeziehen.
In Summe ist überdies längt klar, dass das deutsche Bildungssystem sowohl mehr Ab- als Aufsteiger produziert als auch und vor allem keine Wunderwaffen im Kampf gegen die Zunahme gesellschaftlicher Armut bereit hält.
Sollten wir also nicht allmählich eine Diskussion darüber beginnen, was auch jenseits des "Durchschnittsstudierenden" und eines "Uns geht es besser (vor allem) in Relation und Vergleich zu…" Mindestansprüche an ein gutes Lebens, und zwar für alle von uns, sind? Was also beispielsweise "gute Arbeit" ist, eine solche also, die uns sozial absichert, erfüllt und zudem Zeit für unser Privatleben und unsere Familien lässt? Diskutieren wir hierüber. Es ist an der Zeit.
Quellen und weiteres zum Thema
- HIS-Pressemitteilung vom 24. Juli 2013: Karriere mit Hochschulabschluss? Hochschulabsolventen zehn Jahre nach dem Studienabschluss:
- Gregor Fabian/Torsten Rehn/Gesche Brandt/Kolja Briedis: Karriere mit Hochschulabschluss? Hochschulabsolventinnen und -absolventen des Prüfungsjahrgangs 2001 zehn Jahre nach dem Studienabschluss (HIS: Forum Hochschule 10|2013)
- (Kein) Grund zum Jubeln: Was wird aus HochschulabsolventenInnen? [Zur HIS-AbsolventInnenstudie 2011]
- Welcome or not? Arbeitsmarktchancen des Bachelor
- Christoph Butterwegge: Bildung schützt vor Armut nicht (Frankfurter Rundschau, 13.06.2008)
- Christoph Butterwegge: Chancenungleichheit: "Bildung ist keine Wunderwaffe gegen Armut" (SPIEGEL ONLINE, 20.05.2008)