Welcome or not?Arbeitsmarktchancen des Bachelor
Von Jens Wernicke
Job gesucht - bei Bachelor-AbsolventInnen zur Zeit immer noch eine schwierigere Sache
Studis Online: Herr Scholz, in einer aktuellen Untersuchung kommen Sie zu dem Ergebnis, dass es so gut wie keine Stellenangebote für Bachelorabsolventen gibt. Selbst bei den Unternehmen, die diesen Abschluss einst mit einer Initiative besonders willkommen hießen. Wie kommen Sie zu diesem Schluss und was genau sind Ihre Untersuchungsergebnisse?
Christian Scholz: Ganz einfach – durch zählen! Als die Studie erstellt wurde, haben wir das Suchwort "Bachelor" bei monster.de eingegeben. Das erzielte 1.023 Treffer und dann haben wir schlicht und einfach angefangen auszuzählen. Auffällig war dabei zunächst einmal, dass sich 41 % der Anzeigen an Interessenten richteten, die noch gar keine Bachelor sind. Davon waren 46 % Angebote für duale Studiengänge, also für Interessenten, die sich in Kooperation zwischen einer Ausbildungsinstitution und dem Unternehmen zu einem Bachelor ausbilden lassen wollen. 5 % der Anzeigen ließen sich nicht eindeutig zuordnen. 54 % der Anzeigen waren dann wirklich für "fertige" Bachelor bestimmt und hier haben wir genau hingeschaut: Es zeigte sich, dass sich 74 % der Anzeigen an Absolventen mit Berufserfahrung richteten, während nur 26 % nach Bachelorabsolventen ohne Berufserfahrung suchten. Von letzteren waren dann 47 % Praktika, 10 % Trainee-Positionen und 43 % Direkteinstiege. Davon wendete sich aber keine einzige Anzeige explizit nur an Bachelor.
Wir haben aber nicht nur bei monster.de geschaut sondern auch bei den 15 erstunterzeichnenden Unternehmen der "Bachelor Welcome"-Erklärung – und zwar nicht nur danach ob das Wort "Bachelor" vorkommt. Auch hier zeichnete sich eine klare Tendenz ab: Es gab 889 Angebote, die auch für Bachelor ausgeschrieben waren. Jedoch wurden in gerade einmal 39 Anzeigen Bachelor ohne Berufserfahrung gesucht. 63 Anzeigen waren dann für Traineestellen und weiter konnten wir 641 Anzeigen für Praktikumsstellen finden. Verheerend ist hierbei, dass die Bachelor sich bei allen diesen Angeboten gegen Bewerber mit Diplom-, Master- oder im Extremfall sogar Doktorgrad durchsetzen müssen. Angebote explizit nur für Bachelor haben wir überhaupt nicht gefunden – nicht einmal wenn Berufserfahrung vorliegt.
So wirklich überraschend waren diese Ergebnisse nicht, wenngleich sich die Situation mit Anziehen der Konjunktur entschärfen wird. Und wenn es nur noch Bachelor auf dem Markt gibt, werden sich die Unternehmen auch mehr auf diesen Abschluss einstellen.
Woran liegt Ihrer Meinung nach der Mangel an angebotenen Stellen explizit für AbsolventInnen mit Bachelorabschluss?
Christian Scholz ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes.
Das liegt unter anderem daran, dass viele Unternehmen mit dem Profil "Bachelor" nichts anfangen können.
Deshalb werfen vor allem Unternehmen ohne professionelle Personalarbeit alle Abschlüsse (Bachelor, Master, Diplom) und alle Hochschulen (Berufsakademien, Fachhochschulen, Universitäten) in einen großen Topf, ohne dabei die individuellen Kompetenzprofile, die mit jedem Studiengang verbunden sind, zu berücksichtigen. Das führt dann dazu, dass auf der einen Seite vermittelt wird, Bachelor seien für jede Aufgabe geeignet, auf der anderen Seite die Bachelor dann jedoch vor dem Problem stehen, sich im Bewerbungsprozess gegen Absolventen mit umfangreicherer Ausbildung durchsetzen zu müssen.
Sind den Unternehmen die Bacheloren sozusagen zu "schlecht" ausgebildet? Betrachten sie den Bachelor also in dem Sinne als zu wenig berufsqualifizierend?
Ich befürchte, dass Unternehmen tatsächlich zu dieser Sichtweise neigen. Dass die Praxis mit Bachelor Studenten Probleme hat, sieht man zum Beispiel gut an einer Studie von Queb: Dort wurden 101 FH-Studiengänge und 33 Unistudiengänge beurteilt. Insgesamt konnte man bei den Wirtschaftsstudiengängen 60 Punkte erreichen. Alle untersuchten Studiengänge erreichten zusammen gerade einmal einen Durchschnitt von 36,4 wobei die FH’s mit durchschnittlich 38,6 etwas besser abschnitten als die Universitäten, die nur 28,5 erreichten – insgesamt also ein eher betrübliches Ergebnis. Wichtig ist, dass es sich hierbei nicht um wirkliche Ausbildungsqualität handelt. Diese Beurteilung ist lediglich das Bild der Praxis und danach ist der Bachelor nicht berufsqualifizierend.
Aus dieser und anderen Erkenntnissen leitet sich analog auch die Forderung nach einem 5-jährigen Programm für die Wirtschaftswissenschaften an Universitäten ab – zumal sich das ja bei den Medizinern und Ingenieuren bestens bewährt.
Und die Unternehmen, die den Bachelor besonders "herbeigewünscht" und die so genannte "Welcome-Erklärung" unterschrieben haben, bieten sie bessere Perspektiven für AbsolventInnen mit Bachelorabschluss?
Das ist nicht zu erkennen, vor allem, weil erfahrungsgemäß die am lautesten klappern, die am wenigsten bieten. Eine leichte Tendenz in Richtung eines fairen Umgangs mit Bachelor lässt sich jedoch erkennen: so kann man feststellen, dass die Anzeigen für Praktika nach dem Abschluss zurückgehen – vielleicht sogar als eine Reaktion auf unsere Kritik.
Warum ist man dann nicht gleich bei den alten, von der Wirtschaft weit mehr anerkannten, Studiengängen geblieben?
Das ist eine gute Frage. Zunächst einmal war die Entscheidung für neue Studiengänge sicherlich eine politische Entscheidung. Durch den Bachelorstudiengang hat man auf einmal höhere Absolventenzahlen und kann sich auf die Schulter klopfen, weil das Bildungsniveau im internationalen Vergleich steigt.
Aber auch die Wirtschaft hatte Interesse an dem neuen Studiengang: So schielten einige Unternehmen auf die sinkenden Lohnkosten, als sie sich begeistert für die verkürzte Ausbildungszeit an Hochschulen einsetzten – wobei ich unterstelle, dass dies nur eine Minderheit betrifft. Viel interessanter dürfte hingegen – und das hat unsere Studie auch bestätigt – der Aspekt des dualen Studienganges gewesen sein. Plötzlich haben Unternehmen die Möglichkeit in großem Stil ihre unternehmenseigenen Bachelor und Master "heranzuzüchten".
Für junge Menschen als Einstieg vielleicht sogar eine interessante Möglichkeit, jedoch darf man dabei nicht übersehen, dass in solchen Studiengängen sehr viel unternehmensspezifisches Wissen vermittelt wird, was einen späteren Wechsel schwer machen kann.
Wie bewerten Sie den zunehmenden Einfluss der Wirtschaft auf Hochschulen, Studium und Studieninhalte?
Ich sehe das ehrlich gesagt sehr kritisch. Man sollte ganz genau überlegen, bevor man mir nichts dir nichts das Humboldt‘sche Bildungsideal über Bord wirft. Zu unterstellen, Unternehmen verfolgten keine eigenen Ziele wenn sie sich in die Hochschulbildung einmischen halte ich für blauäugig. Hier wird sicherlich immer versucht werden mehr vermeintlich praxisrelevante Inhalte zu platzieren und dafür "weltfremde" Elemente aus dem universitären Curriculum zu entfernen. Daher besteht die Gefahr, dass das Wort "Studium" am Ende nicht mehr viel mehr ist, als eine leere Worthülle. In diesem Fall sind dann systemisches, fächerübergreifendes Wissen sowie Problemlösungskompetenz auf ein Minimum reduziert, während fach- und womöglich firmenspezifisches Wissen maximiert werden.
Studenten hören auf, das Lernen zu lernen. Kurzfristig mag das die Wünsche von Unternehmen befriedigen, langfristig hat das aber nur negative Konsequenzen für den Bildungsstandort Deutschland. Außerdem muss bezweifelt werden, dass Unternehmen tatsächlich über entsprechende Kompetenz im Sinne von Befähigung verfügen: Die oft jämmerlichen Erfahrungen mit den "Corporate Universities" hat gezeigt, dass Unternehmen durchaus gute Ideen, aber oft wenig Qualifikation zur Qualifizierung haben.
Was würden Sie Hochschulen, Wirtschaft, vor allem aber Studierenden in Bachelor-Studiengängen aktuell raten, zu unternehmen?
Universitäten sollten konsequent sein. Sie sollten – wenn auch nur als Gedankenexperiment – ein Selbstfindungsseminar besuchen und herausfinden, für was sie stehen und welchen Weg sie in Zukunft gehen wollen. Entscheidet man sich dann, den mehr als eintausend Jahre alten Weg der Wissenschaft und Forschung weiter zu beschreiten sollte man daraus klare Konsequenzen ziehen und den Studenten eine universitäre Ausbildung im klassischen Sinne ermöglichen. Entscheidet man sich hingegen, zukünftig als reine Ausbildungsstätte zu fungieren, so sollte man auch diesen Weg konsequent gehen.
Unternehmen sollten konsequent sein. Sie sollten mit offenen Karten spielen. Jungen Menschen mit vollmundigen Versprechen vorzumachen, man würde sie mit einem BA in der Tasche mit offenen Armen empfangen ist unredlich. Es sei denn, man definiert Anforderungsprofile, die auch tatsächlich auf Bachelor zugeschnitten sind und bietet den Bachelorabsolventen damit eine Einstiegsmöglichkeit. Ganz wichtig dabei ist, keine falschen Erwartungen zu wecken: Ein Bachelor kann als Bauzeichner arbeiten, nie aber als Architekt.
Studierende hingegen sollten die Konsequenzen ziehen. Sie haben im Moment eigentlich nur eine Möglichkeit: Die Gegebenheiten zu akzeptieren. Das bedeutet einen guten bis sehr guten Bachelorabschluss zu erzielen und dann an das Bachelorstudium noch den Master zu hängen.
Es gibt jedoch noch eine zweite Möglichkeit: Versuchen, die Gegebenheiten zu ändern. Das kann man derzeit etwa bei uns an der Universität des Saarlandes beobachten. Innerhalb von drei Tagen haben sich fast 900 Studierende in eine Unterschriftenliste der Fachschaft Wirtschaftswissenschaften für die Einführung eines 5-jährigen Studienganges eingetragen, es wurden Fanpages auf Facebook ins Leben gerufen und Vertreter der Studierenden haben sich im Studentenparlament intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Schließlich wurde dann einstimmig für die Einführung des Bologna-Diploms gestimmt. Damit ist zwar noch nichts entschieden aber die Studenten haben doch ein deutliches Zeichen gesetzt. Andere Universitäten sind da sogar schon weiter und haben diesen Schritt bereits gemacht: Wer also eine Nische sucht, kann auch eine finden – Sie können sich ja nun überlegen, was ich an Stelle der Studenten tun würde.
Mehr zum Thema bei anderen
- Von der »Generation Bologna« zur »Generation Praktikum« (Artikel von Christian Scholz in Forschung & Lehre, 11/2010)
- Bachelor-Job, wo bist du? (ebenfalls zur Studie, karriere.de, 19.10.2010)
- Der Bologna-Prozess zwischen Anspruch und Wirklichkeit (ausführliche Expertise, veröffentlicht von der GEW, September 2009)