Prekäre "Exzellenz"Steinige Karrierewege in Hochschule und Forschung
Ein Gastbeitrag von Niklaas Hofmann, GEW
Wer sich nach dem Abschluss seines Studiums für eine Promotion entscheidet, tut dies häufig mit einem hohen Maß an Motivation und großem Enthusiasmus. Es ist verlockend, an spannenden Themen zu forschen. Auch der Austausch auf internationalen Tagungen und Workshops zu aktuellen Forschungsfragen und die große zeitliche Flexibilität des Berufs sind für viele frisch gebackene Akademiker_innen durchaus attraktiv.
Doch für diejenigen, die nicht das Glück haben, bereits frühzeitig individuell von einem Professor oder einer Professorin gefördert zu werden, beginnt mit der Suche nach Betreuer und Stipendium oder Anstellung eine erste Phase der finanziellen Unsicherheit. Ist das Exposé erst einmal geschrieben und das Stipendium erfolgreich eingeworben, kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen mit der wissenschaftlichen Karriere, vorausgesetzt Zeitplan und Engagement stimmen. Oder etwa doch?
Steiniger und unsicherer Weg
Bereits bei der Betreuung des Promotionsprojekts kann es zu ersten Problemen kommen. Ob und wie ein_e Professor_in seine Promovierenden betreut, bleibt eine Ermessensentscheidung. Die persönliche Abhängigkeit hält viele Dokotand_innen davon ab, deutliche Kritik zu üben, schließlich schreibt der Betreuer die Gutachten für Stipendien und bewertet nach drei bis vier Jahren die Doktorarbeit. Ohne ein summa cum laude ist an eine Fortsetzung der wissenschaftlichen Karriere kaum zu denken.
Auch die im Zuge der Bologna-Reformen und der Exzellenzinitiative eingeführten Promotionsstudiengänge und Promotionskollegs, die diese Situation verbessern sollten, erreichen nicht immer dieses Ziel. Zudem verschieben sie in der öffentlichen Wahrnehmung das Verständnis von der Promotion als Einstieg in die Wissenschaft, also einer ersten Berufsphase als Wissenschaftler_in, hin zur Auffassung, die Promotion sei ein drittes Studium nach dem Bachelor und Master.
Was die Finanzierung betrifft, so ist die Promotion auf einer halben wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle oder mit einem Stipendium mit ca. 1.200 Euro auch finanziell nur bedingt attraktiv. Das wird heute schon in den Ingenieurs- und Naturwissenschaften deutlich, wo die Diskrepanz zu den Einkommen in der Wirtschaft besonders hoch ist.
Prekäre "Exzellenz"
Gleichzeitig hat sich durch die Bologna-Reform und die Exzellenzinitiative der Druck auf Wissenschaftler_innen deutlich erhöht. Um am Ende seiner Promotion als "exzellent" zu gelten und Chancen in der Wissenschaft zu haben, sollte man nicht nur seine Promotion in Form eines 250-350 Seiten starken Buches veröffentlicht haben. Es wird erwartet, dass man Erfahrungen in der Lehre gesammelt hat, auf internationalen Konferenzen und Tagungen mit eigenen Vorträgen präsent war, Gelder für neue Forschungsprojekte eingeworben und in möglichst vielen renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften Artikel veröffentlicht hat. Zum Unterrichten erhalten Promovierende - wenn es nicht zu ihrem Job auf einer Qualifikationsstelle gehört - Lehraufträge. Bei diesen wird nur die gehaltene Unterrichtsstunde bezahlt, nicht aber die zeitintensive Vorbereitung und Korrektur von Seminararbeiten. Viele nehmen sogar unbezahlte Lehraufträge an und verzichten "freiwillig" auf eine Entlohnung, da sie den Lehrauftrag sonst nicht erhalten würden oder weil sie es sich nicht mit dem Professor verderben wollen. Dass sich Wissenschaftler_innen über diese schwierige und unsichere Situation Gedanken machen, wird nicht zuletzt in Blogs wie Arm-Aber-Sexy deutlich, die das Spannungsfeld zwischen interessanter Forschung und schlechten Arbeitsbedingungen treffend beschreiben.
Doch auch wenn all diese Leistungen dem tüchtigen, frisch gekürten Doktor mit Anfang bis Mitte 30 Jahren geglückt sind, ist eine unbefristete Anstellung als Wissenschaftler_in noch in weiter Ferne. Professor_in kann man erst nach der zweiten großen Publikation werden. In der Regel wird diese auf einer Post-Doktoranden- oder Habilitandenstelle oder als Juniorprofessur finanziert, wieder in befristeter Anstellung oder mit Stipendium. Wenn auch die zweite Publikation veröffentlicht, weitere Artikel geschrieben, Seminare gehalten, Gelder eingeworben sind, ist der oder die Wissenschaftler_in meist über 40 Jahre alt. Die einzige sichere Anstellung ist nun die ordentliche Professur, denn wer den Sprung auf eine der hart umkämpften Stellen nicht schafft, ist meist für den Arbeitsmarkt außerhalb der Wissenschaft zu alt oder überqualifiziert.
Templiner Manifest
Diese schwierigen und prekären Bedingungen an den Hochschulen hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Anfang September auf ihrer 4. Wissenschaftskonferenz in Templin (Brandenburg) thematisiert. Unter dem Titel "Traumjob Wissenschaft?" diskutierten Hochschulexpert_innen mit Gewerkschafter_innen, Politiker_innen und Wissenschaftler_innen über Karrierewege und Arbeitsbedingungen in Hochschule und Forschung (siehe auch die Berichte von der Konferenz und Materialien dazu).
So zeigte etwa Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulforschung Wittenberg das hohe Risiko auf, das eine wissenschaftliche Karriere mit sich bringt. Mittlerweile sind 87 Prozent der wissenschaftlichen Angestellten befristet beschäftigt, mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet in Teilzeit.
Andreas Keller, für Hochschule und Forschung verantwortliches GEW-Vorstandsmitglied stellte dazu fest: "Hochschulen und Forschungseinrichtungen wollen exzellent sein, von ihren Beschäftigten erwarten sie exzellente Leistungen in Forschung und Lehre. Aber die Gegenleistung bleibt aus: Die Arbeitgeber bieten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weder verlässliche Berufsperspektiven noch faire Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen". Die Bildungsgewerkschaft GEW hat deshalb als Konsequenz im "Templiner Manifest" zentrale Forderungen für die Verbesserung der Karrierewege an den Hochschulen aufgestellt. Eine bessere Absicherung der Promotionsphase, verlässliche Perspektiven für Post-Docs und die Umwandlung von prekärer Beschäftigung in reguläre Arbeitsverhältnisse sind zentrale Anliegen der Gewerkschaft.
Dass auch die Politik die Problematik erkannt hat, zeigt sich auch daran, dass zu den Erstunterzeichner_innen die Bundestagsabgeordneten und Bildungspolitiker_innen Ulla Burchardt (SPD, Vorsitzende des Bildungsausschusses), Swen Schulz (SPD), Kai Gehring (Grüne), Dr. Petra Sitte (Die Linke, siehe auch hier) und Nicole Gohlke (Die Linke) gehören. Die Bundestagsabgeordnete Krista Sager von den Grünen beschreibt die aktuelle Situation wie folgt: "Wenn die besten Köpfe für Forschung und Lehre gewonnen werden sollen, muss Wissenschaft als Beruf attraktiver werden. Und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler brauchen verlässlichere Perspektiven. Heute ist die berufliche Tätigkeit in der Wissenschaft ein Vabanquespiel: Wer trotz guter Leistung den Sprung auf die Professur nicht schafft, landet mit Mitte 40 in der beruflichen Sackgasse, weil es keine dauerhaften Beschäftigungsmöglichkeiten neben der Professur gibt." (Quelle).
Das Manifest hat schnell breite Zustimmung gefunden. In den zwei Wochen nach der Veröffentlichung unterzeichneten bereits mehr als 2.000 Personen das Manifest.
Das Templiner Manifest kann online unterzeichnet werden unter http://www.gew.de/Unterschriftensammlung_Templiner_Manifest.html