Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallenAssessment-Center – Tipps und ausführliche Übung
1. Kurz + knapp
Ein Assessment Center versucht für und mit Unternehmen eine möglichst berufsnahe Situation zu simulieren. So sollen zum Beispiel für einen Job im Vertrieb die Kundenorientierung, Verhandlungs- und Präsentationstechniken getestet werden. Du kannst es also als eine Art Arbeitsprobe sehen.
Das reine Auswendiglernen von Routinen reicht heutzutage nicht mehr für den Berufsalltag aus. Warum? Im Vergleich zu früher haben Mitarbeiter heutzutage viel mehr Freiheiten bei Entscheidungen und der Arbeit. Sozialkompetenzen, selbstständiges Arbeiten und eigene Lösungsfindungen sind heutzutage dringend gesuchte Eigenschaften!
Es gibt einige Vor- und Nachteile. Assessment Center sind mittlerweile ein fester Bestandteil der Personalgewinnung in Deutschland. Du solltest niemals unvorbereitet ein AC besuchen, da dich die Aufgaben und Zeitlimits sehr schnell überfordern können. Schwer wird es auch, da du frisch nach der Uni in der Regel noch keine Zeit hattest, die gewünschten Fähigkeiten zu erlangen. Trotzdem bildet das AC am besten den Berufsalltag für viele Professionen ab und bietet dir dadurch einen der besten Einblicke.
2. Hintergrund
Geschichte
Wenn ich im Assessment-Center-Training in die Runde frage, woher das Assessment-Center (AC) stammt, lassen sich viele der Seminarteilnehmer aufgrund der englischsprachigen Bezeichnung fehlleiten. Denn wie so viele geistreiche Erfindungen, angefangen bei der Aspirin bis hin zur Zahnpasta, wurde das AC in Deutschland entwickelt.
In den 1920er Jahren wurde das erste AC als sogenanntes Offiziersauswahlverfahren von deutschen Reichswehrpsychologen konzipiert. Der Gedanke war, dass nur die Besten zu Offizieren ernannt werden. Rund 30 Jahre später wurde das AC erstmals in den USA in der Wirtschaft verwendet. In den Siebzigerjahren wurde es schließlich auch in Deutschland benutzt, um den Wirtschaftsnachwuchs zu befähigen.
Was bringt das Assessment-Center?
Mit Hilfe des AC möchten Unternehmen berufsnahe Situationen simulieren. So werden zum Beispiel Bewerber für den Vertrieb auf Kundenorientierung, Verhandlungs- und Präsentationstechniken getestet. Das AC ist somit eine erste Arbeitsprobe - sowohl für das Unternehmen als auch für den Bewerber.
Eine Jury beobachtet und beurteilt die Probanden, um am Ende ein Urteil über deren Eignung als Mitarbeiter zu fällen. Die Jury kann aus drei bis sechs Beobachtern bestehen, die Experten in den verschiedensten Fachbereichen sind. Zumeist sind es Führungskräfte und Personalreferenten des Unternehmens, es können aber auch Externe (zum Beispiel Psychologen) sein.
Die Beobachter schließen aus dem Verhalten der Bewerber auf ihre Persönlichkeit und entscheiden, ob ihre Arbeitsweise und ihr Charakter zur Aufgabe und zum Unternehmen passen. Nachdem anhand der Bewerbungsunterlagen und im Bewerbungsgespräch festgestellt wurde, dass die Hard Facts (Studium, Fachrichtung) des Bewerbers passen, werden im AC die sogenannten Soft Skills (weiche Kriterien, wie Teamfähigkeit, Kommunikation) überprüft.
Das AC dient nicht allein zur Bewerberauswahl, sondern kann auch zur Kontrolle der Mitarbeiter-Qualität sowie zur Potentialanalyse von Führungskräften genutzt werden.
3. Gewünschte Kompetenzen beim Assessment-Center
Allgemein bekannt dürfte sein, dass das mühsam angeeignete Fachwissen allein für den Bilderbuch-Berufsstart in einem angesehenen Unternehmen nicht mehr ausreicht. Unternehmen verlangen berufliche Qualitäten ab. Der Bewerber tut gut daran, wenn er durch seine methodischen, sozialen und unternehmerischen Kompetenzen überzeugt.
Caspar Keller ist Jurist und Berater.
Wieso das Fachwissen allein nicht mehr reicht? Im Vergleich zu früher haben Mitarbeiter heute oft mehr Entscheidungsfreiheit und Handlungsspielraum. Es werden Mitarbeiter gesucht, die selbstständig arbeiten. Daher werden Berufseinsteiger bevorzugt, die neben ihrem Fachwissen mit ihren Soft Skills brillieren.
Als methodische Kompetenz wird die Qualität bezeichnet, eine Aufgabe repräsentativ, z. B. durch Gesprächstechniken, Präsentationstechniken, Moderationstechniken, zu erfüllen.
Die soziale Kompetenz betrifft den zwischenmenschlichen Faktor. An Arbeitsprozessen in Unternehmen sind unter Umständen viele Mitarbeiter beteiligt. Jeder Mitarbeiter trägt seinen Teil dazu bei, aber erst die Gruppenarbeit verhilft dem Ganzen zum Erfolg. Die soziale Kompetenz verlangt also z.B. Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit, Kontaktfreudigkeit.
Die unternehmerische Kompetenz hat, wer Aufgaben im Sinne des Unternehmens löst.
4. Pro und Contra Assessment-Center
Wer unvorbereitet ins AC geht, hat ganz schlechte Karten. Der unvorbereitete Kandidat wird zu sehr überrascht von den sehr umfangreichen Aufgaben und empfindet die Bearbeitungszeit als viel zu kurz. Zudem honorieren die Beobachter zu wenig, dass der Bewerber, frisch von der Uni, die abgefragten Kompetenzen kaum entwickelt haben kann. Daher gibt es immer wieder Stimmen, die das AC sehr gerne abgeschafft sehen würden.
Ungeachtet der Frustration einiger, ist das AC fester Bestandteil der Personalgewinnung. Das AC glänzt statistisch gesehen als das bislang zuverlässigste Personal-Auswahlinstrument. Es liefert eine repräsentative Stichprobe der späteren Arbeitsrealität. Zu Tage fördert das AC ungeahntes Potential. In nur einem Termin kann ein Dutzend Bewerber geprüft werden. Zu guter Letzt werden alle Kandidaten anhand eines objektiven Beurteilungskatalogs und der demokratischen Jury-Entscheidung fair und gleich behandelt.
Und, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – trainieren Sie das Assessment-Center vorab!
5. Bewertungskriterien
Die Beobachter sind in ihrer Bewertung nicht losgelöst von Vorgaben. Diese Vorgaben finden sich im Beurteilungskatalog, der eigens für das AC geschrieben wurde und die Bewertungskriterien enthält. Wie also das Auftreten eines Bewerbers im Ergebnis auszulegen ist, hängt ganz entscheidend mit vom Beurteilungskatalog ab. Die Bewertungskriterien sind:
Soziale Kompetenz
Denken, Planen und Organisieren
Veränderungskompetenz
Auftreten
Unternehmerische Kompetenz
6. Möglicher Ablauf eines Assessment-Center
Die Agenda für ein eintägiges Assessment-Center kann wie folgt aussehen:
Begrüßungsrunde
Postkorb (45 min. Vorbereitung, 15 min. Interview)
Gruppendiskussion (30 min. Durchführung)
Gemeinsames Mittagessen (45 min.)
Rollenspiel 1: Kollegengespräch (15 min. Vorbereitung, 15 min. Durchführung)
Fallstudie (40 min. Vorbereitung, 10 min. Präsentation)
Rollenspiel 2: Kundengespräch (15 min. Vorbereitung, 15 min. Durchführung)
Abschlussrunde
Beobachterkonferenz mit anschließenden Feedbackgesprächen
Manche AC können sich auch über mehrere Tage erstrecken. Es gibt auch sogenannte "Knock-out"-AC: hier wird zu einem festgelegten Zeitpunkt (z.B. nach dem ersten AC-Tag) entschieden, welcher Kandidat in die nächste Runde darf. Manche Firmen verwenden sogenannte "heimliche Übungen", z.B. in den Pausen. Machen Sie sich bewusst, dass Sie die gesamte Zeit unter Beobachtung stehen, auch beim Mittagessen.
Vorbereitung für ein Assessment-Center
Das Lesen der Tagespresse fördert die Allgemeinbildung. Und die ist neben den Kenntnissen über das Unternehmen (siehe zum Beispiel dessen Online-Präsenz) für das Bestehen eines AC unabdingbar.
Jedoch ist das Training unter realen Bedingungen ohnegleichen.
Daher: Nutze die Möglichkeit, das AC zu trainieren!
Generell gilt, je besser sich Kandidaten auf den Tag vorbereiten, desto besser wird das Ergebnis. Sie verhalten sich ruhiger, weil sie wissen, was kommt. Wer bereits im Vorfeld, zum Beispiel seine Selbstpräsentation geübt hat, spart wichtige Zeit. Und die Zeit kann an anderer Stelle die alles entscheidende Rolle spielen.
Ganz wichtig für dein Auftreten im AC: Bleib authentisch! Angenommen, du weißt während einer AC-Übung nicht, welche der vielen Kompetenzen gerade verlangt wird. Während die anderen Teilnehmer die Aufgabe diskutieren, entscheidest du dich dazu, die Jury von deinem Führungspotential zu überzeugen. Dadurch versteifst du dich in die Rolle und diktierst die anderen Teilnehmer zusehend.
Vorbereitet passiert dir das nicht und du bleibst ganz du selbst.
7. Assessment-Center: Praktische Übung
Am Beispiel der Postkorbübung lässt sich ein erster Eindruck vermitteln, was für Aufgabenstellungen im Assessment-Center auf einen zukommen.
Postkorb „Pure Organics“
Bearbeitungszeit: 30 Minuten
Sachverhalt
Ausgangssituation: Du bist Herr Stefan Mertens, Abteilungsleiter „Einkauf“ bei dem renommierten Bio-Produkte-Hersteller „Pure Organics“. Zur Erschließung neuer Märkte und um mit neuen Händlern Kontakte zu knüpfen, bist dufür die nächsten zwei Wochen auf Geschäftsreise in der Normandie. Dort kann man dich nicht erreichen, da du mit der Arbeit, die dich dort erwartet, vollauf beschäftigt sein wirst. Daher bist du heute Morgen um 7:00 Uhr nach einem langen Wochenende in dein Büro gefahren, um deinen Nachrichtenberg abzuarbeiten. In einer halben Stunde wird dich ein Taxi abholen, das dich direkt zum Flughafen bringt. Heute ist Dienstag, der 15. Juli. Am Montag, den 28. Juli wirst du zurück sein.
Bei deiner täglichen Arbeit unterstützt dich dein persönlicher Assistent Herr Schmitz und deine Sekretärin, Frau Meurer. Personalreferentin ist Frau Wirtz.
Auf deinem Schreibtisch findest du Notizen, Briefe, Emails, Faxe und Entscheidungsvorlagen. Beziehe zu den einzelnen Mitteilungen Position, falls es aus deiner Sicht erforderlich ist. Bei dieser Übung kommt es darauf an, sinnvolle Entscheidungen zu treffen, Arbeiten zu delegieren oder selbst zu erledigen und Termine zu vereinbaren. Nach den Notizen findest du ein Organigramm und einen Terminkalender. Halte deine Entscheidungen zu den einzelnen Notizen stichwortartig fest und trage deine Termine in deinen Kalender ein: Du wirst gebeten, beides anschließend den Beobachtern zu präsentieren.
Den Sachverhalt, die Notizen, das Organigramm und den Terminkalender findest du komplett im Übungs-PDF. Versuche, die Aufgabe zunächst selbst zu lösen. Halte dich dabei an die Anweisung gemäß der Aufgabenstellung.
Hast du die Aufgabe erfüllt, kannst du gern dein Ergebnis mit der Lösung (siehe Link weiter unten) vergleichen.
Hinweis: Dieser Artikel wurde ursprünglich am 07.05.2009 veröffentlicht. Am oben angegebenen Datum wurden letztmals Veränderungen (z.B. URLs überprüft und angepasst) durch die Redaktion vorgenommen.