Neue BundesregierungBildungspolitik vor allem für "Leistungsstarke"
Der Koalitionsvertrag bleibt zwar an vielen Stellen vage – trotzdem lässt sich nun deutlicher absehen, worauf die neue Regierung hinaus will
Im Bereich Bildungsfinanzierung (S.60.) sind einige Details zu finden, die auf einen Umbau der Studienfinanzierung in eine Richtung hindeuten, die wir schon im Artikel Was der Wahlausgang für (künftige) Studierende bedeutet voraussahen.
Das BAföG wird zwar nicht abgeschafft, aber es wird (nur noch) als eine Säule neben Bildungsdarlehen und Stipendien angesehen. Das nationale Stipendienprogramm (und seine Probleme) haben wir bereits in einem ausführlichen Artikel analysiert. Es soll hier nur angemerkt werden werden, dass Stipendien die Bildungsbeteiligung kaum erhöhen können (denn sie sind per se unsicher). Sie fördern tendenziell vor allem diejenigen, die sowieso aus eher finanzstärkeren Familien kommen, eine finanzielle Förderung also (meist) nicht so dringend benötigen. Volkswirtschaftlich gesehen ist der Nutzen also sehr fragwürdig.
Zusätzlich zu den neuen Stipendien im Rahmen des nationalen Stipendienprogramms soll auch das Büchergeld der bisherigen vom Bund finanziell geförderten Begabtenförderungswerke deutlich erhöht werden und ebenfalls nicht beim BAföG angerechnet werden. Stipendiaten werden also deutlich mehr Geld zur Verfügung haben, als "einfache" BAföG-EmpfängerInnen. Was bedeutet das aber? Brauchen Stipendiaten so viel mehr? Oder ist das BAföG eigentlich zu wenig, aber wer nicht so viel leistet (und das ja mind. 90% aller Studierenden ...), soll halt noch jobben gehen?
Wie in unserem Wahlausgang-Artikel vorausgesehen wird das Problem, dass Stipendien bisher (bei gleichen Leistungen!) eher Kindern aus gutbürgerlichen (finanzstarken) Familien zugute kommen, durchaus gesehen. Aber mit dem Satz "Wir erwarten von den Begabtenförderwerken, dass sie sich bislang unterrepräsentierten Gruppen stärker öffnen und unterstützen sie bei ihrem Engagement." schiebt die Bundesregierung das Problem ab. So wichtig ist es offenbar nicht, dass man konkrete Maßnahmen ergreifen will.
Weiteres Geld (wobei dieser Plan mit der Formulierung "beispielsweise" etwas eingeschränkt ist, also nicht unbedingt realisiert werden wird) könnte beim "Bildungssparen" draufgehen. Jedes neu geborene Kind soll 150 Euro "Startguthaben" bekommen, weitere Einzahlungen der Eltern (oder anderer) sollen mit einer Prämie unterstützt werden. Auch das ist eher eine Hilfe für sowieso schon finanzstarke Familien, denn wer wenig Geld hat, wird kaum oder nichts sparen können und somit auch von der möglichen Prämie nichts haben.
Insgesamtz wird all dieses verplante Geld fehlen, um das BAföG auszubauen oder sogar nur den steigenden Lebenshaltungskosten anzupassen. Vor allem wird es auch zukünftigen Regierungen den Handlungsspielraum einschränken, denn den Ausbau der Stipendien und das Bildungssparen (falls beides so kommt) zurückzunehmen, ist natürlich auch nicht so einfach.
Autonomie! Freiheit! Chaos?
Das Hochschulrahmengesetz (HRG), das sowieso nicht mehr viele Regelungen enthält, soll unter der neuen Regierung endgültig abgeschafft werden. Begründet wird das mit dem Ziel "Freiheit und Autonomie der Hochschulen zu stärken". Es wird somit nur noch auf die Länder ankommen, dass sie die Abschlüsse ihrer Schulen und Hochschulen jeweils gegenseitig anerkennen und vergleichbar machen. Das können sie – müssen sie aber nicht mehr. Man kann nur hoffen, dass diese "Freiheit" nicht genutzt werden wird.
Ein paar Sätze vor der Ankündigung, das HRK aufzuheben, steht im Koalitionsvertrag übrigens "die Anerkennung von Studienleistungen und Hochschulabschlüssen muss national wie international ver- bessert werden". Irgendwie ein Widerspruch ... aber der Bund ist eben für Bildung so gut wie nicht mehr zuständig und Dinge zu fordern, für die man nicht zuständig ist (oder sein will), ist immer schön und tut niemandem weh.
Ähnliches gilt für Sätze wie "Die Umsetzung des Bologna-Prozesses ist zu evaluieren, um mit den Hochschulen ggf. notwendige Anpassungen zum Wohl der Studierenden vorzunehmen. Gemeinsam mit den Ländern und den Hochschulen werden wir ein "Bologna-Qualitäts- und Mobilitäts- paket" schnüren, das die Studienreform zügig voranbringt und die Qualität des Studiums und die Mobilität der Studierenden weiter verbessert." Auch schön – und erst einmal ohne jede Wirkung.
Wissenschaft und Forschung
Bund (und Länder) vergeben eine Menge Forschungsgelder direkt oder indirekt. Insofern ist es für Studierende, die in die Forschung (ob an Hochschulen, staatlichen oder privaten Forschungseinrichtungen) gehen wollen, interessant, welche Schwerpunkte gesetzt werden.
Die sogenannte "Hightech-Strategie" (schon von der alten Bundesregierung gestartet) soll auf die An- wendungsfelder Klimaschutz/Energie, Gesundheit, Mobilität, Kommunikation und Sicherheit konzentriert werden.
Explizit genannt werden (mit eigenen Unterüberschriften und jeweils einigen Sätzen dazu) die Bereiche Werkstoff- und Materialforschung, Biotechnologie (inkl. Gentechnik, die positiv gesehen wird – ob das gesellschaftlich aber durchzusetzen ist?) und Gesundheitsforschung (hier wird die Problematik Stammzellenforschung explizit angesprochen, ohne eine konkrete Lösung anzubieten).
Nach all der Technik durfte auch ein Satz für die Geistes- und Sozialwissenschaften nicht fehlen: "Wir werden die Geistes- und Sozialwissenschaften stärken, die von großer Bedeutung für unser kulturelles Gedächtnis und die Gestaltung unserer Zukunft sind."
Schließlich: "Wir wollen Deutschland zum Exportweltmeister von Bildungsangeboten machen und die Vermarktung gezielt fördern." Da bleibt einiges zu tun ...
Quelle und weitere Artikel zum Kontext
- Der Koalitionsvertrag als PDF-Datei (via cdu.de; unsere Seitenangaben orientieren sich an dieser Version)
- Wunschträume und Zerrbilder: Stipendien für 10% der Studierenden? (Studis Online, 23.10.2009)
- Was der Wahlausgang für (künftige) Studierende bedeutet (Studis Online, 28.09.2009)
- Stipendien: "Nicht Lösung, sondern Teil des Problems" (Studis Online, 23.06.2007)