GebührenkompassStudiengebühren-Marketing ohne Erfolg
Hinter der Studie steht vor allem Prof.Voeth von der Uni Hohenheim, der dort den Lehrstuhl für Marketing innehat. Kein Wunder also, dass die Studie das "Problem" Studiengebühren vor allem als Marketing-Problem betrachtet. An keiner Stelle werden sozialpolitische oder andere Gründe, die gegen Studiengebühren sprechen könnten, angesprochen. Die Analysen sind insofern sehr einseitig.
Allerdings kann auch niemand behaupten, die Studie sei einseitig gegen Studiengebühren. Der Gegenteil ist der Fall – um so drastischer der Wert der starken Ablehnung von Studiengebühren durch die befragten Studierenden. Befragt wurden ausschließlich Studierende an Universitäten mit Studiengebühren.
Große Mehrheit will keine Studiengebühren
Der erste Gebührenkompass wurde 2007 erhoben. Damals sagten 60% der befragten Studierenden, sie seien dagegen, dass Studiengebühren erhoben werden. 15% waren dafür, der Rest unentschlossen bzw. ohne Meinung. Inzwischen sind 66,3% gegen Studiengebühren, 14,9% dafür, die Unentschlossenen sind stark zurückgegangen. Die Frage, ob Studiengebühren abgeschafft werden sollen, bejahen sogar 71,6% (im letzten Jahr 70,4%).
Selbst wenn man nur diejenigen betrachtet, die der Ansicht sind, durch die Gebühren sei es zu einer Verbesserung der Lehrbedingungen an der eigenen Uni gekommen, sind die Gebührengegner in der (relativen) Mehrheit. 40% sind dagegen, 31% dafür, der Rest unentschlossen oder ohne Meinung. Bei der Gruppe derer, die keine Verbesserung der Lehrbedingungen feststellen konnten, lehnen 77% Studiengebühren ab und nur 9% sind dafür.
Auch wenn also durchaus ein Zusammenhang zwischen Zufriedenheit mit der Verwendung der Gebührengelder und der Einstellung zu Studiengebühren besteht, sind offenbar andere Gründe, die gegen Studiengebühren sprechen, weiterhin stärker. Da wird auch verstärktes Marketing wenig helfen ...
Unterschiedliche Unzufriedenheit Nord-Süd
Wenn auch die Unzufriedenheit mit der Verwendung der Gebühren überall deutlich ist und ebenso die Ablehnung der Gebühren, so gibt es doch interessante regionale Unterschiede. Wegen der Befragung von lediglich etwas über 100 Studierenden pro Hochschule sind Aussagen zu einzelnen Hochschule mit Vorsicht zu genießen, da die statistische Signifikanz nicht so hoch ist (für die Gesamtbefragung ist diese deutlich besser).
Die "beste" Hochschule erreicht für die Zufriedenheit in Bezug auf die Gebührenverwendung gerade einmal die Note 3,52 (bei einer vorgegebenen Notenskala von 1 - sehr gut bis 6 - ungenügend), die schlechteste einen Wert von 5,05.
Nach wie vor gibt es ein Nord-Süd-Gefälle. In Baden-Württemberg und Bayern ist die Zufriedenheit noch am höchstens (aber kann man bei einem Schnitt von 4,01 für Bayern und 4,09 für Baden-Württemberg überhaupt von Zufriedenheit sprechen?). Nordrhein-Westfalen (4,32), Niedersachsen (4,37) und Hamburg (4,43) schneiden noch schlechter ab. Das Saarland ist ein wenig außen vor, weil dort nur eine Uni befragt wurde, das wollen wir gar nicht wiedergeben.
In ähnlicher Weise liegt die Ablehnung von Studiengebühren in den Ländern mit noch geringerer Zufriedenheit noch höher (Niedersachsen: 78,9%), im Süden entsprechend "niedriger" (Baden-Württemberg: 65%).
Kommentar: Studiengebühren abschaffen, studentische Mitbestimmung verbessern
Die BefürworterInnen von Studiengebühren sollten den Realitäten ins Auge sehen: Gebühren bringen wenig bis nichts für die Lehre. Sie schrecken Menschen aus bildungsfernen Schichten ab. Die Akzeptanz unter Studierenden (aber auch sonst) ist gering, das zeigt nicht nur der "Gebührenkompass", sondern auch die immer wieder aufflammenden Proteste, zuletzt der Bildungsstreik.
Statt dessen wäre es an der Zeit, auch die neuen "Leistungsstrukturen" zu überdenken, die in fast allen Bundesländern die Macht der Hochschul-Präsidenten/Rektoren erweitert und die hochschul-interne Mitbestimmung vermindert hat. Oft wurden Befugnisse an "Hochschulräte" vergeben, die zum Großteil aus Personen von außerhalb der Hochschule bestehen und meist aus "der Wirtschaft" kommen. Vielleicht sollte man sich darauf besinnen, dass auch Demokratisierung ein Anliegen sein sollte und die Mitbestimmung aller Personen an der Hochschule verstärken. Insbesondere sollten dabei die Studierenden mehr (Stimm-)Rechte erhalten, vor allem bei Themen, die sie besonders stark betreffen, also z.B. der Lehre.
Das würde wahrscheinlich viel mehr bringen, als die Studiengebühren und auch deren aufwendige Verwaltung (vor allem der "sozialen Abfederung" in Form von Studienbeitragsdarlehen) ersparen.
Quelle und weiteres Material zum Thema