Wie geht es weiter?Bildungsstreik mobilisiert Hunderttausende
Die Bildungsstreik-Woche ist so gut wie um, Zeit für eine kleine Bilanz.
Gerade von konservativer Seite wurden die Streikenden gerne als "linksradikal" bezeichnet, offenbar sind es dann keine ernstzunehmenden Menschen mehr und man braucht sich um die Forderungen nicht zu kümmern. An einigen Orten kam es sogar zu einer Art Anti-Bildungsstreik, der aber zahlenmäßig völlig unterging. Wer normal studieren wollte, kann sich eben auch kaum zu einer Anti-Aktion durchringen. Auch wenn dieses Phänomen diesmal kaum zählte, sollten die Streikenden nie vergessen, dass es - je nach Fachbereich durchaus unterschiedlich strak - ein Anteil von Studierenden gibt, die einen Streik ablehnen.
Böses Bologna
Bundesbildungsministerin Schavan sprach davon, Teile der Forderungen seien "gestrig" und bezog das vor allem darauf, dass die Streikenden den Bologna-Prozess harsch kritisieren. Dieser sei nicht umkehrbar. Was natürlich nicht stimmt: Es ist lediglich so, dass sich BildungspolitikerInnen fast aller Parteien in diesen Zwang verrant haben - und viele Fehler, die gemacht wurden, ungern zugeben wollen. Vor allem hatten wohl wirklich viele PolitikerInnen die Hoffnung, mit der Umstellung auf Bachelor/Master Geld sparen zu können - ein böser Fehler.
Von den Etiketten Bachelor/Master abgesehen (die man wohl wirklich beibehalten wird), lässt sich aber so gut wie alles ändern. Und das sollte es auch dringend. Selbst das "Kurzstudium Bachelor" ist ja erst dadurch ablehnungswürdig geworden, weil dieses zur Regel werden soll, statt als eine mögliche Alternative für einige. Wenn wirklich jedeR auch einen Master anschließen kann und Bachelor und Master vernünftig strukturiert werden (z.B. eher etwas längere Bachelor-Studiengänge von sieben bis acht Semestern; danach etwas kürzere Master), spricht gar nicht so viel dagegen.
Allerdings liegt der Teufel im Detail. Vor allem wurden berechtigte Einwände der Studierenden bei der Konzeption der neuen Bachelor/Master-Studiengänge oft übergangen. Und auch viele Profs scheinen sich eher um anderes gekümmert zu haben, als in der Konzeptionsphase Einfluss zu nehmen. Stattdessen sind die Studienordnungen immer mehr zu einer bürokratischen Angelegenheit zwischen wenigen Profs und den Akkreditierungsagenturen geworden, statt zu einer ausdiskutierten, demokratischen Angelegenheit der jeweiligen Hochschule.
Mehr Geld ...
Die Forderung nach mehr Geld ist (fast) immer berechtigt, aber ebenso immer schwierig. Irgendwoher muss es schließlich kommen. Je konkreter man hier in seinen Forderungen wird, desto klarer muss man auch in anderen Politikfeldern als der "reinen" Bildungspolitik Stellung beziehen. Und verliert evt. UnterstützerInnen, da die Vorschläge zwangsläufig nicht jedem gefallen können.
Trotzdem ist es richtig, konkrete Vorschläge zu machen und diese zu belegen. Andernfalls wäre es zu einfach zu sagen, es ist halt "leider" kein Geld da. Dabei ist Geld in der Regel nie das Problem - die Verteilung desselben dagegen um so mehr. Aktuell zeigt sich ja im Rahmen der Finanzkrise, dass für bestimmte Akteure erstaunlich viel Geld sehr schnell zur Verfügung gestellt werden kann. Zwar lässt sich das nicht einfach verallgemeinern, aber man kann darauf aufbauen und das inhaltlich ausbauen.
Bundesweite Koordination war ein Erfolg
Der Koordinierungsaufwand hat in jedem Fall gelohnt. Statt über das Semester verteilt diverse kleine Aktionen an verschiedenen Orten, Hochschulen und Schulen konnte durch die Konzentration auf eine Woche mit Höhepunkt am 17. Juni die Medienwirksamkeit deutlich erhöht werden.
Ein wenig schwierig war es, die - berechtigterweise - lange Liste an Kritik und Themen zu transportieren. Allerdings sollte der Streik ja auch keine "Ein-Punkt-Kritik" sein, sondern die vielen Schwierigkeiten im Bildungssystem thematisieren. Das ist zwangsläufig eine Aufgabe, die nicht mit einer Presseerklärung oder einer Aktion erledigt sein kann.
Und genau das ist noch die große Frage: Kann der bei den Aktiven ob der positiven Teilnahmezahlen sicher erreichte Schwung sinnvoll aufgenommen werden? Wird es weitere bundesweite Aktionen geben? Werden die Kritikpunkte am Bildungssystem kontinuierlich, auch in Form von klassischen "Lobby-Arbeit", immer wieder in Medien und Politik gestreut? Und gelingt es dabei, weiterhin auf eine breite Basis zurückzugreifen, ohne sich an Details zu zerstreiten?
Richtig war aber auch, die Aktionen in einer Woche zu bündeln und einen "Hauptdemonstrationstag" festzulegen. So konnte ein deutliches Zeichen gesetzt werden. Es bleibt nun die Aufgabe, vor Ort inhaltlich weiter zu machen.
Was sonst noch passieren könnte - z.B. im nächsten Semester - wird dann wohl Gegenstand von Diskussionen beim Auswertungstreffen des Bildungsstreiks 2009 sein. Dieses Treffen soll Mitte Juli in Leipzig stattfinden. Je nach Ausgang der Bundestagswahlen und sich ergebender Koalition wird die Bildungspolitik sich noch stärker in eine Richtung wenden, die den Bildungstreikenden nicht gefallen wird. Und es bleibt ja noch der Bildungsföderalismus und diverse Landesregierungen mit Spar-Plänen. Wahrscheinlich ist also durchaus, dass die bundesweite Koordination erneut bemüht werden wird ...
Quellen und weiteres zum Thema
- bildungsstreik2009.de - bundesweite Seite
- bildungsstreik-hh.de - Hamburg
- Ein Twitter-Feed zum Bildungsstreik
- Aktionswoche 15.-19. Juni: Streiken für die Bildung (Vorberichterstattung vom 29.05.2009 bei Studis Online)
- Übersicht Studiengebühren in Deutschland
- Hintergrund-Artikel zu hochschulpolitischen Themen