HfBK-Studierende geben nicht aufDauer-Boykott der Studiengebühren
Alle Hochschulen, an denen in den letzten Jahren überhaupt ein Boykott von allgemeinen Studiengebühren zumindest zeitweise zustande gekommen war/ist, sind Kunst- oder Musikhochschulen oder kleine, kirchliche Hochschulen. In Karlsruhe waren es 2007 die Musikhochschule, die Hochschule für Gestaltung und die Kunstakademie; in Hamburg eben die HfBK. Gaben die Karlsruher Hochschulen relativ bald auf, da keine größere Hochschule (z.B. die Uni) mit einem zustande gekommenen Boykott folgte und sie allein doch Angst vor drastischen Maßnahmen hatten, hielt der Boykott der HfBK auf Dauer an.
2007: 82% der zahlungspflichtigen Studierenden machten mit
An der HfBK 2007
Die Beteiligung am Boykott der Gebühren für das SoSe 2007 war an der HfBK von Anfang an sehr hoch. Nach AStA-Angaben 82% der zahlungspflichtigen Studierenden beteiligten sich aktiv durch Einzahlung der Gebühr auf ein Treuhandkonto. Von diesem wäre das Geld nur an die Hochschule gezahlt worden, wenn zu wenige Studierende teilgenommen hätten.
Dem war aber auch auf Dauer nicht so. Die erste Exmatrikulationsandrohnung der Hochschule wies formale Fehler auf und führte, nachdem die Studierenden Klage dagegen erhoben hatten, zu nichts – der Boykott wurde kaum geschwächt.
Ein paar Stimmen dazu, warum überhaupt boykottiert wird, hat der AStA zusammengestellt.
Frank Vogel*: "Der Boykott wird durch die meisten Studierenden an der HfBK getragen, Studierende anderer Unis, zu denen wir regelmäßig Kontakt pflegen unterstützen das mit. Jeder von uns hat im Bekannten- und Freundeskreis oder am Arbeitsplatz Menschen, die es nicht nur verstehen können, das wir boykottieren, sondern es wichtig finden, dass wir uns wehren, das jemand den Mund aufmacht. Ich glaub, das es für viele wichtig ist das durchzuziehen."
Marie Barg*: "Es ist eigentlich eine seltsame Frage, warum wir boykottieren, wo doch die Beweggründe so klar in den Verhältnissen liegen:
(Teil)Privatisierung der Hochschulen, Studieren im Kundenverhältnis, Autoritarisierung und Autokratisierung der Hochschulen unter dem Deckmantel des schönen Worts "Autonomie", man könnte auch sagen: Entdemokratisierung aller Hochschul-Prozesse zu Gunsten einer Machtzentrierung bei Präsidium und Hochschulrat, Einführung der Bachelor/Master-Modularisierung, erhöhte Stresspsychosen und Depressionen bei Studierenden, Ausgliederung von Studienzweigen und Abschaffung ganzer Institute, Reduzierung der Arbeits-Räumlichkeiten und und und... das alles wird mit der Lüge der Sachzwanglogik begründet!"
Claire Bonk*: "Genau! Wenn man sich das ganze nur einmal buchstäblich auf der Zunge zergehen lässt wird das schon deutlich von wo das alles kommt: Effizienzsteigerung der Studienabläufe, Out-Sourcing uneffektiver Hochschulbestandteile, Qualitätssicherung, Evaluierung, Public Privat Partnership, Campus Management, Servicebüros, Kundencenter und so weiter und so fort. Das sind alles Methoden und Begriffe aus der Wirtschaft, die in den letzten Jahren massiv Einzug in die Hochschulen gehalten haben. Wir sind aber kein Unternehmen, wir sind nicht hier um am Ende auf irgendeiner Ratingliste das Triple-A+ zu bekommen, weil wir möglichst gewissenhaft den Rahmen der Vorgaben ausgefüllt haben."
Nebenbei: Auch die in den folgenden Semestern jeweils neu anfallenden Gebühren wurde von vielenboykottiert. Ein Treuhandkonto war dafür gar nicht mehr nötig, es blieb aber natürlich mit dem Geld vom ersten Boykott-Semester weiter bestehen, denn eine "Lösung" (oder Aufgabe) war erst einmal nicht abzusehen.
2008: "Vergleich" mit Präsident
Erst bei einem zweiten Exmatrikulations-Anlauf 2008 schien die Hochschule formal alles richtig gemacht zu haben. Es wurde brenzliger. Viele Studierende erhielten Exmatrikulationsbescheide.
Da die Hochschulleitung zwar einerseits den gesetzlichen Regelungen der Stadt verpflichtet war (und die sahen Studiengebühren und bei Nicht-Zahlung eine Exmatrikulation vor; wobei letztere natürlich formal korrekt zustande kommen muss), andererseits zumindest früher oft andeutete, Studiengebühren auch nicht wirklich gut zu finden, kam es erst zu Verhandlungen.
Die Studierenden der HfbK hatten zu diesem Zeitpunkt alle bereit einen Exmatrikulationsbescheid im Briefkasten. Nur auf den kollektiven Druck der Studierendenschaft hin räumte das Präsidium eine Stundungsmöglichkeit ein. Die Studierenden befanden sich dwährend der ganzen Zeit immer noch in der (teils gerichtlich geführten) Auseinandersetzung bezüglich der Exmatrikulkationen aus dem ersten Boykottsemester 2007.
Um die Lage zu befrieden, wurde den BoykotteurInnen angeboten, dass die Gebühren zunächst weiterhin nicht zu zahlen sind, sondern gestundet werden. Im Prinzip wurde für die "alten" Gebühren die Regelungen der vom neuen CDU-GAL-Senat beschlossenen "nachgelagerten Studiengebühren" gewährt.
Da ansonsten eine Exmatrikulation tatsächlich hätte eintreten können, ließen sich ein Teil der bis dahin konsequenten BoykotteurInnen darauf ein – wenn auch mit Bauchschmerzen. Denn das Angebot war damit verbunden, dass ein Vordruck unterschrieben wurde, in dem sich der/die jeweilige StudentIn mit der Stundung offiziell einverstanden erklärt. Und damit die Gebühren ja irgendwie "akzeptiert". Das Treuhandkonto hatte damit seine Funktion als Messlatte der Beteiligung verloren, die Studierenden holten ihr eingezahltes Geld zurück, auch diejenigen, die persönlich durchaus weiter boykottieren wollten.
Der Boykott ging trotzdem für laut AStA-Angaben 48% der Studierenden ungebrochen weiter.
2009: Auch nachgelagerte Studiengebühren bleiben Studiengebühren
Auch wenn sich viele Dauer-BoykotteurInnen auf einen Vergleich eingelassen haben, der im Prinzip fast so aussieht wie die inzwischen von der CDU-GAL-Koalition eingeführten nachgelagerten Studiengebühren, so ist dieses Modell aus Sicht der BoykotteurInnen keineswegs die Lösung. Denn ob nachgelagert oder nicht: Es bleiben Studiengebühren. Bei den "nicht-nachgelagerten" gab es das Angebot, ein Darlehen aufzunehmen, was zusätzliche Zinsen bedeutet. Bei den nachgelagerten können aber ebenfalls Zinsen anfallen: Völlig zinsfrei wären die Gebühren nur, wenn man sie nach Studienende auf einen Schlag zurückzahlt. Möchte man sie in Raten zahlen, wäre doch wieder ein verzinstes Darlehen aufzunehmen. Details siehe hier.
Auch die Studierenden der HfBK sehen das "neue Modell" nicht als besser an. Peter Erdmann* sagt dazu: "(...)es gibt kaum noch Befreiungsmöglichkeiten von den Gebühren. Das heißt im Endeffekt, dass noch eher Eltern, insbesondere Frauen, sowie auch Menschen mit Behinderung vom Studium abgeschreckt werden, als zuvor.
Die Gebühren sind zwar dadurch etwas niedriger geworden, aber das dient wahrscheinlich auch nur dazu, den Protest auszubremsen. In absehbarer Zeit werden die Gebühren ohnehin erhöht werden, wenn sich kein Wechsel in der Politik einstellt. (...)
Es ist völlig irre, dass die Politik nicht begreift, dass hohe Bildung für alle ein unverzichtbares Gut für die Emanzipation in jeglichen Bereichen der Gesellschaft ist. Sei es für Gewaltprävention, Integration, Kommunikation oder einfach für eine ganz andere Gesellschaftsform...."
Um die Ablehnung auch des neuen Gebührenmodells mit Nachdruck zu unterstreichen, wurden die "neuen" Gebühren erneut boykottiert. Und zwar dergestalt, dass bewusst kein Stundungsantrag gestellt wurde und ebenso wenig die Gebühr bezahlt wurde. Stattdessen wurde gegen den Gebührenbescheid Widerspruch eingelegt.
Der HfBK-Präsident erklärte dazu, es würde niemand exmatrikuliert werden (im neuen Gebührengesetz muss die Hochschule das im Gegensatz zum alten nicht mehr). Wenn nun jemand gedacht hatte, man könne sich beruhigt zurücklehnen, so sah sich dieser getäuscht. Zwar wurden bisher tatsächlich keine Exmatrikulationsandrohnungen versendet. Stattdessen kam Post vom Gerichtsvollzieher.
Ob bei Studierenden auf diesem Wege allerdings viel zu holen ist, bleibt noch offen: Erst bei einem monatlichen Einkommen von über 989,99 Euro netto kann das übersteigende Einkommen gepfändet werden. Auch teure Sachwerte oder Vermögen dürfte bei Studierenden rar sein – sie könnten also weiterhin ohne Zahlung davon kommen.
Pierre Bronson*, Student an der HfBK, sagt zum Ernst der Lage und die Drohung mit dem Gerichtsvollzieher: "Die Frage ist eher: wie ernst wird es für den Gerichtsvollzieher, wenn er anfängt bei Studierenden ihr letztes Geld zu pfänden? Das gleiche gilt für Bildungsbehörde und Hochschulleitung. Es wird in der Öffentlichkeit und speziell auch bei den Studierenden sicherlich nicht gerade zum populärsten gehören, den Studenten und Studentinnen, die ohnehin in prekären Situationen leben, auch noch das allerletzte zu pfänden. Außerdem lassen wir uns durch diese immerwährenden Pseudo-Muskelspiele der Institution nicht mehr einschüchtern."
Weitere Proteste sind sicher – z.B. auch im Rahmen der Aktionswoche "Bundesweiten Bildungsstreiks 2009" vom 15. bis 19. Juni. Siehe auch den Artikel Streiken für die Bildung?.
Dauer-Boykott bisher ohne negative Folgen!
Nach Angaben eines AStA-Sprechers haben seit Beginn des Boykotts bis heute etwa 40 Studierende an der Bezahlverweigerung durchgehend festgehalten. Bisher ist von Ihnen noch niemand exmatrikuliert worden.
Auch wenn an der HfBK einige günstige Faktoren zusammen kamen, zeigt sich, dass ein Boykott durchaus lange aufrecht gehalten werden kann. Die Studierenden dürfen sich nur nicht einschüchtern lassen, bis Androhungen wirklich umgesetzt werden, vergeht sehr viel Zeit. Man stelle sich vor, was geschehen würde, wenn in solchem Maße und mit solcher Ausdauer wie an der HfBK Studierende an einer großen Uni an einem Boykott teilnehmen würden ...
* Alle Namen verändert
Hintergründe und weitere Artikel zu Gebührenboykotten
- AStA der HfBK Hamburg (mit Forum)
- BOYKOTTEDUCATION bei youtube (vor allem Videos aus 2007/2008)
- Studiengebühren boykottieren? (Zur Idee eines Boykotts, möglichen Gefahren und Chancen)
- Bilanz der Boykotte der Gebühren für das Sommersemester 2007 (drei kleine Karlsruhe Hochschulen erreichen Quorum)
- Bilanz der Boykotte der Gebühren für das Wintersemester 2007/2008 (TU Ilmenau erreichte zeitweise Quorum)
- Bilanz der Boykotte der Gebühren für das Sommersemester 2008 (PH Freiburg scheitert ganz knapp: 900 BoykotteurInnen )