Wahlprüfsteine HochschuleWahlen zum Landtag des Saarlandes: Was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen
Das Problem der Mehrfachbewerbungen und dadurch ungenutzt bleibender Studienplatzkapazitäten muss bundeseinheitlich gelöst werden. Der Bund muss mit den Ländern einen Staatsvertrag aushandeln, der ein Verfahren für eine effiziente, transparente und gerechte Vergabe aller zulassungsbeschränkten Studienplätze sicherstellt. Ein umfassendes, komplexes und detailliertes Bundesgesetz, dessen Inhalte im offenen Widerspruch zu Positionen einzelner Länder stehen, bringt keine Lösung. Aufgrund des Abweichungsrechts jedes einzelnen Bundeslands provozieren nicht-konsensuale Bundesgesetze geradezu eine abweichende Landesgesetzgebung. Damit würde genau der hochschulrechtliche Flickenteppich befördert, den es zu verhindern gilt. Einzig ein für Bund und Länder verbindlicher Staatsvertrag, der unter den kritischen Augen der Öffentlichkeit ausgehandelt wird, bietet Studienberechtigten und Studierenden eine langfristig verbindliche Mobilitätsgarantie und die Lösung der länderspezifischen Probleme vor Ort.
2. Die gesicherte Studienfinanzierung ist ein entscheidender Punkt, um Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten ein Studium zu ermöglichen. In Deutschland spielen hierfür Unterhaltsrecht und BAföG zusammen, nicht immer optimal. Welche Vorstellungen haben Sie in diesen Bereichen für eine Weiterentwicklung?
Die Grünen haben ein Zwei-Säulen-Modell zur Studienfinanzierung entwickelt: Kombiniert werden der Studierendenzuschuss (Säule 1) und der Bedarfszuschuss (Säule 2). Mit Säule 1 erhalten alle Studierenden eine Sockelförderung in gleicher Höhe als Basisabsicherung. Geplant sind 200 Euro monatlich, unabhängig vom Elterneinkommen. Damit geben wir allen Studienberechtigten einen Anreiz, tatsächlich ein Studium aufzunehmen.
Mit Säule 2 sichern wir eine unerlässliche soziale Komponente: Der neue Bedarfszuschuss ist als Vollzuschuss mit 260 Euro monatlich geplant und muss – anders als das jetzige BAföG – nicht zurückgezahlt werden. Denn es sind ja überwiegend finanzielle Gründe, weshalb in einkommensarmen und bildungsfernen Familien derzeit die meisten Bildungspotenziale brachliegen. Daher begünstigen wir diese Studierenden ganz gezielt. Mit den beiden Säulen könnten Studierende, zuzüglich etwaiger Wohngeldansprüche und Ausgaben für die Krankenversicherung, bis rund 800 Euro im Monat erhalten – also 150 Euro mehr als beim derzeitigen BAföG-Höchstsatz. Im grünen Modell kommt das Geld direkt bei den Studierenden an. Denn die familienbezogenen Leistungen werden nicht mehr an die Eltern der Studierenden ausgezahlt beziehungsweise steuerlich gutgeschrieben. Stattdessen werden das bisherige Kindergeld sowie steuerliche Freibeträge in den neuen Studierendenzuschuss überführt. Wer heute BAföG bekommt, erhält mit den beiden Säulen künftig eine höhere Fördersumme, die obendrein nicht zurückgezahlt werden muss. Das Zwei-Säulen- Modell bildet das Fundament für eine in jeder Hinsicht stärkere staatliche Studienfinanzierung. Ergänzend können risikoarme und sozial abgefederte Darlehen sowie neue Stipendien in Anspruch genommen werden. Außerdem wollen wir die Betreuungsangebote für Kinder von Studierenden verbessern.
3. Es gibt die Idee, das Schüler-BAföG auszuweiten und insbesondere für SchülerInnen der Oberstufe auch dann eine Förderung zu ermöglichen, wenn sie noch bei ihren Eltern wohnen können. Unterstützen Sie eine solche Ausweitung oder wie sind Ihre Vorstellungen, mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Die Grünen setzen sich für eine grundsätzliche Reform des BAföGs ein (siehe Frage 2). Dies gilt auch für das Schüler-BAföG.
4. a) Allgemeine Studiengebühren wurden in ihrem Bundesland eingeführt. Wollen Sie an den Gebühren unverändert festhalten oder sehen Sie Änderungsbedarf und in welcher Art?
Wir stehen zu dem Grundsatz, dass Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein darf. Die CDU-Landesregierung hat durch die Einführung von Studiengebühren die Bildungsungerechtigkeit im Saarland weiter erhöht und dadurch dem Land geschadet. Studiengebühren sind der falsche Weg zur Lösung finanzieller Probleme der Hochschulen. Sie verschärfen die Selektion im Bildungsbereich nach sozialen Kriterien und haben eine abschreckende Funktion schon vor der Aufnahme eines Studiums, insbesondere für sozial schwache Familien. Zudem verlängern Studiengebühren das Studium, da viele Studierende zur Finanzierung der Gebühren arbeiten müssen. Wir werden deshalb die Studiengebühren im Saarland wieder abschaffen.
b) In Ihrem Bundesland gibt es bisher keine Rückmeldegebühren. Soll das so bleiben oder nicht? Wieso?
Genau wie Studiengebühren lehnen wir alle Maßnahmen ab, die die Bildungsungerechtigkeit erhöhen.
5. Ist die Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass die inzwischen eingeführten Abschlüsse Bachelor und Master unabhängig von der Hochschulart gleichwertig sein sollen, noch zweckmäßig? Wenn ja, warum; wenn nein, was planen Sie stattdessen?
Das Studium muss reformiert werden, dass es den veränderten, vielfältigen Studienwünschen und –bedürfnissen in einer Gesellschaft Rechnung trägt. Die Mindestanforderung an Modularisierung und Akkreditierung der Studiengänge ist aus unserer Sicht die Sicherung des offenen Hochschulzuganges sowie die Transparenz und Durchlässigkeit der Studiengänge. Hierfür sind die Beratungs- und Informationsangebote auszuweiten. Der Übergang vom ersten zum zweiten Studienzyklus ist offen und durchlässig für alle Hochschulen zu gestalten. Alle Absolventen, die den ersten Zyklus abschließen, müssen einen Anspruch auf Zulassung zu einem weiteren Zyklus erhalten.
6. "Autonomie" ist ein Schlagwort der Hochschulreformen der letzten Jahre. "Demokratisierung" der Hochschulen dagegen nur noch selten. Wo legen Sie Ihre Schwerpunkte bei möglichen weiteren Änderungen der Hochschulgesetze Ihres Landes?
Für Bündnis 90/Die Grünen Saar ist Autonomie immer im Zusammenhang mit Demokratisierung zu sehen. Beides lässt sich nicht von einander trennen. Wir wollen den Einfluss der studentischen VertreterInnen – gerade auch im Bereich der Lehre – erhöhen. So lässt sich etwa sicherstellen, dass die Mittel, die der Lehre dienen sollen, dort auch wirklich im Interesse der Studierenden eingesetzt werden.
7. Ohne eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Hochschulen ist gute Lehre nicht möglich. Darüber sind sich eigentlich alle einig. Trotzdem scheint es - egal in welchem Bundesland und unter welcher Regierung - nach wie vor nicht zu einem echten Durchbruch zu kommen. Gelder werden lieber für Leuchtturmprojekte ausgegeben (von denen nur wenige profitieren), die Forschung gestärkt (für Studierende ebenfalls kaum ohne Auswirkungen) und für die Lehre bleibt am Ende vielleicht ein kleiner Preis übrig. Was wollen Sie tun, damit es wirklich zu einer nachhaltigen Verbesserung kommt, sowohl was die bauliche, aber auch personelle Ausstattung angeht? Vor allem auch unter dem Aspekt, dass die Hochschulen heute teilweise schon fast sittenwidrige Löhne zahlen (vor allem bei studentischen Hilfskräften, Honorarprofessuren und vielen wissenschaftlichen Mitarbeitern).
Die Hochschulen des Saarlandes müssen sich in den nächsten Jahren einem verstärkten internationalen Wettbewerb stellen. Um diesen zu bestehen, müssen sie eine verlässliche und bedarfsgerechte Ausstattung mit finanziellen Mitteln erhalten. Für uns ist und bleibt Bildung eine öffentliche Aufgabe, die über Steuermittel finanziert werden muss. Die Eigenverantwortung für die Finanzierung der Hochschulen liegt bei der Politik, das Land muss sich klar zu seiner Verantwortung für die Hochschulen bekennen und diesen aus dem Landeshaushalt die Einnahmen ausgleichen, die durch die Abschaffung der Studiengebühren wegfallen. Um die Attraktivität des Studienstandortes Saarland zu sichern, muss nicht nur die Forschungslandschaft aufgewertet werden, sondern auch die Lehre quantitativ und qualitativ gestärkt werden. Für MitarbeiterInnen, die sich in diesem Bereich besonders engagieren, müssen über die angemessene Grundvergütung hinaus auch finanzielle Anreize bestehen.