Wahlprüfsteine HochschuleWahlen zum Landtag Thüringen: Was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen
Hochschulen müssen konsequent barrierefrei sein. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern einen Abbau der bürokratischen Hürden. Demzufolge müssen Prüfungsordnungen auf Barrierefreiheit hin überprüft werden. Diese Verantwortung liegt jedoch im Befugnisbereich der Fakultäten selbst. Im Zuge des Bolognaprozesses kam es zu einem Akkreditierungsstau der neuen Studiengänge. Lieber sollte man zu einer institutionellen oder Prozessakkreditierung übergehen. Dies würde auch Kosten sparen. Eine hohe Hochschulautonomie ist uns wichtig, allerdings nicht um sich gegenseitig zu konkurrieren, sondern um sich gegenseitig zu ergänzen. So kann ein breites Angebot und/oder die Herausstellung von Spezifika als Alleinstellungsmerkmal gut sein, um eine echte Auswahl zwischen den Hochschulen zu befördern. Nicht jede Hochschule muss jedes Fach anbieten.
2. Die gesicherte Studienfinanzierung ist ein entscheidender Punkt, um Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten ein Studium zu ermöglichen. In Deutschland spielen hierfür Unterhaltsrecht und BaföG zusammen, nicht immer optimal. Welche Vorstellungen haben Sie in diesen Bereichen für eine Weiterentwicklung?
Fördern und zum Studium motivieren wollen wir alle, die über eine Hochschulreife verfügen, durch ein gebührenfreies Studium und durch die Vergabe von Landesstipendien an engagierte StudentInnen. Durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen wurde die finanzielle Situation der Studierenden drastisch verschärft, denn die neuen Studiengänge lassen häufig weder Zeit für soziales oder politisches Engagement, noch für einen Nebenjob.
Um diese Verschlechterung der sozialen Lage abzufedern braucht es ein starkes und ausreichend finanziertes Studentenwerk in Thüringen. Wir wollen zudem die Ausbildungsförderung reformieren. Ziel ist es, jeden Studierenden elternunabhängig zu fördern. Deshalb akzeptieren wir weder Verwaltungskostenbeiträge, noch Langzeitstudiengebühren, noch allgemeine Studiengebühren.
3. Es gibt die Idee, das Schüler-BaföG auszuweiten und insbesondere für SchülerInnen der Oberstufe auch dann eine Förderung zu ermöglichen, wenn sie noch bei ihren Eltern wohnen können. Unterstützen Sie eine solche Ausweitung oder wie sind Ihre Vorstellungen, mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen diese Idee, dass Schüler-BAFÖG auszuweiten, denn Eigenverantwortung zu übernehmen ist ein wichtiger Schritt in der Persönlichkeitsbildung. Gerade finanziell schlechter gestellte Familien müssen mehr Unterstützung bekommen. Um allen gleichermaßen den Zugang zu weiterführenden Schulen zu ermöglichen, müssen die finanziellen Anforderungen an die Eltern gesenkt und Kosten für Lehr- und Lernmittel oder auch die Beförderung zumindest für Kinder aus einkommensschwachen Familien während des gesamten Schulbesuchs vom Land übernommen werden.
4. a) In Ihrem Bundesland gibt es bisher keine allgemeinen Studiengebühren, jedoch Gebühren bei langem Studium. Wollen Sie daran festhalten oder planen Sie Änderungen? Wenn Sie allgemeine Studiengebühren einführen wollen: Wie genau soll die "soziale Abfederung" aussehen, wie die Zweckbindung?
4. b) In Ihrem Bundesland gibt es Rückmeldegebühren. Das Land Bayern hat diese gerade erst wieder abgeschafft. Was haben Sie vor und warum?
Wir lehnen jegliche Art der Studiengebühren, auch Rückmeldegebühren, entschieden ab. Wir wollen, das Studienwilligen in Thüringen ein gebührenfreies Erststudium bleibt. Langzeitstudiengebühren, Verwaltungskostenbeiträge sowie allgemeine Studiengebühren verschlechtern die soziale Lage der Studierenden. Die ohnehin schon wenige freie Zeit sollte nicht noch für einen schlecht bezahlten Nebenjob geopfert werden. Vielmehr ist die Studiumszeit auch Persönlichkeitsbildung. Studierenden sollte genügend Zeit zur Verfügung stehen, sich sozial, politisch oder anderweitig zu engagieren. Vor allem sollte genügend Zeit für die Lehre bleiben. Deshalb treten wir für ein gebührenfreies Studium ein.
5. Ist die Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass die inzwischen eingeführten Abschlüsse Bachelor und Master unabhängig von der Hochschulart gleichwertig sein sollen, noch zweckmäßig? Wenn ja, warum; wenn nein, was planen Sie stattdessen?
Wenn man die Trennung der Fachhochschulen von den Universitäten aufheben würde, müsste man einen grundlegenden Reform des Hochschulsystems anstreben. Die einzelnen Universitäten und Fachhochschulen besitzen eigene Hoheiten und Autonomien. In diese reformierend einzugreifen dürfte nicht einfach sein. Jede Art der Hochschulbildung hat bei gleichwertigen Abschlüssen dennoch ihre Berechtigung, denn der Weg zum Ziel: Hochschulabschluss wird unterschiedlich beschritten. Jeder Studierende sollte frei wählen können, wie er diesen Weg beschreiten möchte.
6. "Autonomie" ist ein Schlagwort der Hochschulreformen der letzten Jahre. "Demokratisierung" der Hochschulen dagegen nur noch selten. Wo legen Sie Ihre Schwerpunkte bei möglichen weiteren Änderungen der Hochschulgesetze Ihres Landes?
Studierende müssen selbstverständlich an den Hochschulen mitbestimmen dürfen. Gleiches gilt für die Hochschulgremien und die Vertretungen gegenüber dem Land. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen eine weitere Demokratisierung der Hochschulen: Wir sehen darin auch die Chance zu Qualitäts-Controlling von Lehre, Forschung und Studienbedingungen. Gerade die Studierenden als Empfänger von Bildungsleistungen sind in der Lage, deren Qualität zu prüfen. Deswegen müssen sie auch an den Entscheidungen der Hochschulen und in Fragen der Lehre maßgeblich beteiligt sein. Des Weiteren vertragen Hochschulen viel mehr Autonomie als ihnen bis jetzt zugestanden wird, insbesondere in Haushalts- und Personalfragen. Das funktioniert aber nur, wenn die Studierenden in alle wichtigen Fragen, die Hochschule betreffend, mit eingebunden werden.
7. Ohne eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Hochschulen ist gute Lehre nicht möglich. Darüber sind sich eigentlich alle einig. Trotzdem scheint es – egal in welchem Bundesland und unter welcher Regierung – nach wie vor nicht zu einem echten Durchbruch zu kommen. Gelder werden lieber für Leuchtturmprojekte ausgegeben (von denen nur wenige profitieren), die Forschung gestärkt (für Studierende ebenfalls kaum ohne Auswirkungen) und für die Lehre bleibt am Ende vielleicht ein kleiner Preis übrig. Was wollen Sie tun, damit es wirklich zu einer nachhaltigen Verbesserung kommt, sowohl was die bauliche, aber auch die personelle Ausstattung angeht? Vor allem auch unter dem Aspekt, dass die Hochschulen heute teilweise schon fast sittenwidrige Löhne zahlen (vor allem bei studentischen Hilfskräften, Honorarprofessuren und vielen wissenschaftlichen Mitarbeitern).
Der so genannte Thüringer Hochschulpakt hat Stellenstreichungen und Kürzungen ausgelöst. Die Folge daraus ist eine Verschlechterung des Betreuungsverhältnisses, Seminare und Hörsäle sind häufig überfüllt und die Qualität der Lehre sinkt. Wir wollen den "Hochschulpakt" durch einen fairen Vertrag ersetzen, der die steigenden Studierendenzahlen, die Inflationsrate und die Ta- riferhöhungen im Öffentlichen Dienst adäquat berücksichtigt. Bildung ist Ländersache. Thüringen sollte mehr in seine Hochschulen investieren. Neben der Finanzierung des Landes wollen wir mit dem Bildungssoli ungenutzte Mittel aus dem Solidarpakt 2 für die Hochschulfinanzierung ausgeben, denn Bildung ist elementar wichtig für unsere Gesellschaft. Mit einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von wenigstens 7,50 € je Stunde wollen wir sicherstellen, dass man von seiner Arbeit auch leben kann, so auch studentische Hilfskräfte, HonorarprofessorInnen und wissenschaftliche MitarbeiterInnen.
Höhere Mindestlöhne in einzelnen Branchen bleiben hiervon unberührt. Ein gesetzlicher Mindestlohn ist zudem ein wichtiger Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit, weil vor allem Frauen von Niedriglöhnen betroffen sind. Der gesetzliche Mindestlohn wird jährlich überprüft und gegebenenfalls bei steigenden Lebenshaltungskosten angepasst. Eine Mindestlohn-Kommission nach britischem Vorbild ist für die generelle Lohnuntergrenze verantwortlich und soll auch dann entscheiden, wenn die Tarifparteien in den Branchen nicht stark genug sind, um faire Mindestlöhne durchzusetzen. Die Kommission - bestehend aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaft – erarbeitet Vorschläge, die anschließend von der Bundesregierung umgesetzt werden. So wird die Höhe der Mindestlöhne nicht zum Spielball politischer Mehrheiten.