Erste ZwischenbilanzHamburger Studiengebührenmodell enttäuscht
Von Oliver Iost
Die schwarz-grüne Koalition war immer davon ausgegangen, dass "fast alle" Stundungsberechtigten vom Angebot der Gebührenstundung bis nach dem Studium Gebrauch machen werden. Wie die ersten Zahlen zeigen, ist dem keineswegs so. Hinzu kommt eine große Zahl von Studierenden, die gar nicht mehr auf die Stundungsmöglichkeit zurückgreifen können und gleich zahlen müssen. Deren Zahl hat sich im Vergleich zur früheren Gebührenregelung erhöht, da schon ab dem dritten Semestern über der Regelstudienzeit (wobei alle jemals studierten Semester zählen, auch in anderen Fächern) die Gebühren sofort zu zahlen sind.
Von der kürzeren Semesterzahl, in der überhaupt eine Stundung (früher: ein Darlehen) möglich ist, sind vor allem Studierende an HfBK und HCU betroffen. Dort sind die realen Studiendauern nach wie vor stärker über der "Regelstudienzeit" – künstlerisches Arbeiten lässt sich eben nicht so sehr "standardisieren". Über ein Drittel der gebührenpflichtigen Studierenden dort müssen sofort zahlen und haben gar nicht die Stundungsmöglichkeit. An den anderen Hochschulen sind es immer noch nicht gerade wenige, aber eben "nur" um ein Viertel der Studierenden.
Etwas über ein Viertel zahlt die Gebühren sofort, obwohl sie sie sich stunden lassen könnten. Auch hier sind die Zahlen von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich. Besonders auffällig: An der Hochschule für Musik und Theater haben über 50% gleich gezahlt. Dahinter steckt wohl eine Art Gebührenstipendium. Am wenigsten Sofortzahler finden sich an der HCU: 18,3%. Gerade Architektur-Studierende haben oft ein sehr stressiges Studium mit wenig Gelegenheit zum Jobben. In der Branche selbst wird darüberhinaus nur wenig gezahlt, sollte nebenbei schon in diesem Bereich gejobbt werden.
Stundung: Nur ein Aufschub
Grundsätzlich ist die zinsfreie Studungsmöglichkeit zwar während des Studiums angenehmer als die Variante der anderen gebührenerhebenden Bundesländer, die nur ein verzinstes Darlehen anbieten. Allerdings wird in Hamburg dann ein Jahr nach Studiumsende (oder früher, wenn das Studium länger als die Regelstudienzeit dauert) das gesamte Darlehen fällig. Jedenfalls, wenn der ehemalige Student ein Bruttogehalt von über 30.000 Euro erzielt. Eine Ratenzahlung soll zwar "in einzelnen begründeten Ausnahmefällen und auf Antrag" möglich sein (wobei hierzu bisher wenig informiert wurde), aber die Konditionen dafür sind nach den bisher vorliegenden Informationen nicht so günstig: Aktuell würden wohl 6,62% Zinsen fällig (Basiszinssatz zum 1.1.2009: 1,62%; darauf darf die WK Hamburg, die die Gebühren vorfinanziert, 5% aufschlagen), vor einem Jahr wären es sogar 8,82% gewesen!
Wer allerdings während des Studiums knapp bei Kasse ist, dem wird nicht viel anderes übrig bleiben, als die Stundung zu nutzen. Auch wenn die Zinsen später happig sind, könnte durch die Zinsfreiheit während des Studiums die Rückzahlungssumme insgesamt niedriger sein, als in in einigen anderen Bundesländern. Allerdings nur, wenn die Rückzahlung nicht auf zu lange Zeit gestreckt wird.
Warum zahlen so viele Studierende sofort, obwohl sie nicht müssten?
Dass Studierende die Stundung nutzen (müssen), verwundert also nicht. Um so erstaunlicher ist aber, dass so viele sofort zahlen. Diese Studierenden haben das Geld offenbar zur Verfügung (wie hart erarbeitet auch immer). Eigentlich könnten Sie es auch auf ein vernünftig verzinstes Sparkonto (z.B. Tagensgeldkonto) legen und die Zinsen mitnehmen. Am Ende des Studiums wäre dann die Zahlung der Gebühren auf einen Schlag möglich, der Zinsgewinn könnte behalten werden. Selbst bei BAföG-BezieherInnen wäre das möglich, 5200 Euro Vermögen ist erlaubt, ohne dass es zu BAföG-Kürzungen kommt (für Details siehe unseren Artikel Vermögensanrechnung).
Es bleiben eigentlich nur drei Erklärungsmuster übrig: Entweder sind die Studierenden so solidarisch zur Stadt, dass sie ihr die sonst von der Stadt zu tragenden Zinsen für die Stundung der Gebühren ersparen möchten. Oder Schulden sollen in jedem Fall vermieden werden. Was gleich bezahlt ist, ist bezahlt und wird einen nie mehr beschäftigen. Schließlich ist natürlich auch denkbar, dass den Studierenden die Stundungsmöglichkeit trotz aller Information nicht bekannt ist oder jedenfalls sie nicht verstanden wurde.
Die erste Erklärung mag zwar für einige zutreffen, zu vermuten ist aber wohl, dass dies wirklich nur wenige sind. Oder täuscht sich der Autor an dieser Stelle? Auf jeden Fall wagt er keine Prognose dazu, ob die zweite oder dritte Erklärung die Mehrheit erringt. Kommentare dazu sind am Ende des Artikels gerne erwünscht.
Der AStA der Uni Hamburg, der zwar nicht begeistert über die neue Gebührenregelung war, sie aber zunächst auch nicht in Grund und Boden verdammt hat, sieht das neue Gebührenmodell als gescheitert an. Der AStA-Vorsitzende Benjamin Gildemeister erklärt jedenfalls: "Unsere Beratung bekommt täglich Besuch von zig Studierenden, die verunsichert sind und nicht bereit sind, den Schritt in die Verschuldung zu gehen. Misst man das neue Modell an den Versprechungen und Prophezeiungen des Senates, muss man es gescheitert nennen."
Die Zahlen im Detail
Die folgende Tabelle enthält ausschließlich Angaben zu denjenigen Studierenden, bei denen entweder klar ist, dass keine Stundung möglich ist oder die eine Stundung beantragt oder gezahlt haben. Nicht enthalten sind diejenigen, die weder gezahlt noch eine Stundung beantragt haben, aber auch alle, die ein Befreiungsantrag gestelt haben. Insofern handelt es sich nicht um die Gesamtzahl der Studierenden, sondern um die Zahl der im Grunde Zahlungspflichtigen. Am Ende könnten es sogar noch mehr "Sofortzahler" sein, denn ein Teil der bisherigen "Nichtzahler" wird am Ende wohl auch noch zahlen (müssen), so das Studium fortgesetzt werden soll und der "wilde Boykott" oder das einfach "Vergessen haben" beendet wird.
Keine Stundung | Stundungen | Zahler | insgesamt | |
Uni | 7.692 (27,6%) | 13.423 (48,1%) | 6.776 (24,3%) | 27.891 |
HAW | 2.344 (22,5%) | 4.267 (41%) | 3.799 (36,5%) | 10.410 |
TU | 1.145 (27,6%) | 1.955 (47,1%) | 1.049 (25,3%) | 4.149 |
HfBK | 160 (37%) | 147 (34%) | 125 (29%) | 432 |
HfMT | 205 (29,2%) | 126 (17,9%) | 372 (52,9%) | 703 |
HCU | 659 (37,9%) | 763 (43,8%) | 319 (18,3%) | 1.741 |
alle | 12.205 (26,9%) | 20.681 (45,6%) | 12.440 (27,4%) | 45.326 |
Quellen und weitere Hintergründe zu den Gebühren in Hamburg
- Antwort des Senats der Stadt Hamburg vom 16.01.2009 auf die schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp-Sebastian Kühn (SPD); Drucksache 19/1927
- Nachlagerung der Studiengebühren bleibt aus! (Presseerklärung des AStA der Uni Hamburg vom 20.01.2009)
- Studierende der Hamburger HfBK weiter gegen Studiengebühren (05.12.2008)
- Hamburgische Bürgerschaft beschließt nachgelagerte Studiengebühren
- Studiengebühren in Hamburg (Stand der Dinge und Geschichte; wird jeweils bei Bedarf aktualisiert)