Der Teufel steckt im DetailHamburgische Bürgerschaft beschließt nachgelagerte Studiengebühren
In den Wahlkampf waren CDU und GAL mit eigentlich unvereinbaren Positionen gegangen: Die CDU wollte die Studiengebühren unverändert beibehalten, die GAL sie abschaffen. Doch an diesem Punkt sollte die erste schwarz-grüne Koalition nicht scheitern und es blieb bei Studiengebühren. Der GAL genügte offenbar die Absenkung auf 375 Euro und die Zinsfreiheit (aus Sicht der Studierenden, wobei auch das nicht für alle der Fall ist) bis zur Rückzahlung.
Verschlechterungen inklusive
Die Absenkung der Gebührenhöhe auf 375 Euro und die Tatsache, dass bis zum Beginn der Rückzahlungsverpflichtung nach dem Studium keine Zinsen anfallen, ist sicher eine Verbesserung im Vergleich zu "klassischen" Studiengebühren. Nebenbei schaffen sich CDU und GAL so vermutlich mögliche Proteste vom Hals: Gegen etwas zu protestieren, was man erst in einigen Jahren vielleicht zahlen muss, dürfte nicht so viele motivieren. Von daher hat die GAL ihrer ursprünglichen Überzeugung (Studiengebühren abschaffen) möglicherweise eine Bärendienst erwiesen.
Aber auch davon abgesehen steckt der Teufel im Detail. Gab es bisher doch einige Befreiuungstatbestände (u.a. Kindererziehung, Behinderung, Hochbegabung) neben den selbstverständlichen Ausnahmen (Beurlaubung, PJ, Promotionsstudium, Studium an Verwaltungshochschule) werden sie nun auf ein Minimum beschränkt.
Es bleibt bei der Befreiuungsmöglichkeit in Praxissemestern (jede Hochschule muss das aber weiterthin konkret regeln, sonst greift diese Möglichkeit nicht). Sowohl Kindererziehung als auch Behinderung führt zukünftig nicht mehr zur Befreiuung. Nur wenn solche Studierende länger für ihr Studium benötigen, kann auf Antrag die Gebühr in den Semestern erlassen werden, für die man sonst sofort Studiengebühren zahlen müsste.
Sofort Studiengebühren müssen auch alle AusländerInnen zahlen, die selbst (und Eltern / Ehepartner) nicht Staatsbürger der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes sind und auch nicht in Deutschland die Hochschulreife erlangt haben. Für sie kann es höchstens von Seiten der Hochschule eine Stundung geben.
Nur zwei Karenzsemester
Keine Stundung der Gebühren gibt es bereits ab dem dritten Semester über der Regelstudienzeit, wobei alle je studierten Semester zählen. Wer also mehrere "Orientierungssemester" einlegt und erst dann in den "endgültigen" Studiengang einschwenkt, muss am Ende des Studiums wohl mit sofort zu zahlenden Gebühren rechnen. Damit kann man von der bisher härtesten Langzeitstudiengebühren-Regelung in Deutschland sprechen. Das ist insofern besonders bitter, als gegen Ende des Studiums auch noch Kosten für Gebühren besonders schwierig aufzubringen sind, da man ja mit der Abschlussarbeit beschäftigt sein dürfte. Und da nur zwei Semester über der Regelstudienzeit vorgesehen sind, kann man bei einem Fachwechsel sehr leicht in die Gebührenpflicht am Ende des Studiums geraten.
Aktiven in der Studierendenvertretung wurde erst über eine Änderung in den Ausschussberatungen eingeräumt, weitere zwei Semester studieren zu können und für diese die Gebühren gestundet zu bekommen. Also nicht mal ein Erlass, sie können nur vier statt zwei Semester länger als die Regelstudienzeit brauchen und müssen in dieser Zeit die Gebühren nicht gleich zahlen.
Wer hat, dem wird gegeben; der Rest zahlt hohe Zinsen
Grundsätzlich kann jedeR StudentIn die Gebühren auch sofort zahlen. Einige werden diese Option zwar wahrnehmen, aber eigentlich spricht nichts dafür. Warum sollte man das Geld gleich zahlen, wenn man es zinsfrei zur Verfügung gestellt bekommt? Indirekt wird also denjenigen, die genügend Geld zur Verfügung haben, die Möglichkeit dazu gegeben, dieses noch weiter zu vermehren. Denn sie könnten es einfach anlegen (sinnvollerweise in einer risikolosen Anlageform). Nach dem Studium können sie mit dem so angesparten Geld die Gebühren auf einen Schlag zurückzahlen (also ohne jeden Zins) und haben noch einen Gewinn gemacht.
Diejenigen jedoch, die mit ihrem Geld nur knapp auskommen und die Gebühr nicht zahlen können, sehen sich nach dem Studium mit Schulden konfrontiert. Überschreiten sie die Schwelle des Bruttoeinkommens (30000 Euro) für den Rückzahlungsbeginn nur knapp, sind 3750 Euro schon ein Brocken. Vor allem, wenn man bedenkt, dass für mögliche Kinder keine zusätzlichen Freibeträge vorgesehen sind. Laut dem Vertreter der Wohnungsbaukredianstalt Hamburg (WK), über die die Rückzahlung der Gebühren abgewickelt werden wird, wäre der Zinssatz für eine Abstotterung der Schulden aktuell bei 8,19% (Basiszinssatz der Bundesbank zuzüglich 5 Prozentpunkte).
Materialien und weiteres zum Thema
- Studiengebühren in Hamburg (Details zur Entwicklung in den letzten Jahren, Befreiungsregelungen)
- Studiengebühren in Deutschland (Übersicht über die Regelungen der einzelnen Bundesländer)
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Hochschulgesetzes, hier: Neugestaltung der Studienfinanzierung (Drucksache 19/552 vom 17.06.2008)
- Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 19/552: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Hochschulgesetzes, hier: Neugestaltung der Studienfinanzierung (Drucksache 19/939 vom 20.08.2008)