OECD-StudieDeutschland steht schlecht in Sachen Hochschulbildung
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlicht jährlich den Bericht "Bildung auf einen Blick". In ihm werden diverse Indikatoren zur Bildung von fast allen Industrieländern verglichen.
Zwar kann man – wie bei fast allen Studien – die Sinnhaftigkeit bestimmter Indikatoren in Frage stellen. So ist tatsächlich in Deutschland das "duale System", also die Ausbildung in Betrieb und Berufsschule stärker als in vielen anderen Ändern vertreten. Und Bachelor-Studiengänge sind anderswo schon lange vorhanden, in Deutschland aber nach wie vor im Aufbau. So haben andere Länder durchaus einen gewissen Vorteil im Vergleich.
Trotzdem lässt sich feststellen, dass Deutschland in vielen Punkten ohne Zweifel schlecht abschneidet. Wenn der Anteil der HochschulabsolventInnen in Deutschland zwischen 2000 und 2006 von 18 auf 21 Prozent stiegt, im OECD-Schnitt aber von 28 auf 37 Prozent, dann kann sich Deutschland wohl kaum mehr herausreden.
Im OECD-Mittel hat sich der Anteil der Studienanfänger an Hoch- und Fachhochschulen von 2003 bis 2006 von 53 auf 56 Prozent eines Jahrgangs erhöht, in Deutschland stagniert er dagegen zwischen 35 und 37 Prozent. "Im internationalen Vergleich kann die Entwicklung in Deutschland nicht befriedigen. Deutschland verliert bei der Ausbildung von Hochqualifizierten trotz einiger positiver Schritte weiter an Boden", sagte die für Bildung zuständige OECD-Direktorin Barbara Ischinger bei der Vorstellung der Studie.
Abbrecher nicht das Problem
Auch wenn es in manchen Studiengängen hohe Abbrecherquoten geben mag – über alle Studiengänge betrachtet hat Deutschland im OECD-Vergleich eine niedrige Abbrecherquote. Im OECD-Durchschnitt brechen 31 Prozent aller, die ein Studium beginnen, ohne Abschluss ab. In Deutschland sind es nur 23 Prozent. Erstaunlicherweise machen aber die verschulteren Bachelor-Abschlüsse in Deutschland teilweise Probleme, besonders bei den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Dort sind die Abbruchsquoten leicht gestiegen, wie Anfang des Jahres die HIS-Studienabbruchuntersuchung 2008 zeigte.
Trotzdem: Das Problem ist die im internationalen Vergleich zu geringe Anzahl von StudienanfängerInnen. Die "Studierneigung" ist in den letzten Jahren stagniert, teilweise sogar gesunken. Obwohl die Zahl der AbiturientInnen seit einigen Jahren steigt, ist die Studierendenzahl leicht gefallen.
Studiengebühren und lange ausgebliebene BAföG-Erhöhung schuld?
Ein Grund für die mangelnde Studierneigung dürfte die wacklige Studienfinanzierung sein. Der Präsident des Deutschen Studentenwerks, Prof. Dr. Rolf Dobischat, fordert daher "Studiengebühren gehören abgeschafft. Kinder aus bildungsferneren Familien müssen schon in der Schule in ihren Entscheidungen für weiterführende Bildungswege gefördert und gestärkt werden. Nur so wird die soziale Selektion, die ungerechte Verteilung von Bildungschancen endlich durchbrochen. Und die soziale Durchlässigkeit ins Hochschulsystem muss über die dringend notwendige soziale Öffnung der Hochschulen deutlich erhöht werden."
Das Bundesbildungsministerium und die Kultusministerkonferenz gehen dagegen in ihrer Pressemitteilung zum OECD-Bericht auf die Probleme der Studienfinanzierung gar nicht ein. Sie sprechen davon, dass Deutschland vorankäme (im Schneckentempo, müsste eigentlich hinzugefügt werden) und dass vor allem im Bereich MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) noch Anstrengungen von Nöten seien. Der OECD-Bericht unterstreicht dies: So kommen 2006 im OECD-Schnitt auf 100.000 Erwerbstätige im Alter von 25 bis 34 Jahre 1649 Hochqualifizierte mit naturwissenschaftlich-technischem Studium. In Deutschland sind es dagegen nur 1423 je 100.000 Erwerbstätige.
Die OECD selbst hat mit Studiengebühren kein Problem, empfiehlt allerdings mehr Stipendien, um auch Menschen aus einkommensschwächeren Elternhäusern für ein Studium gewinnen zu können. Dass man an dieser "Lösung" durchaus Zweifel haben kann, zeigt allerdings der Artikel "Nicht Lösung, sondern Teil des Problem".
AkademikerInnen verdienen mehr
Gern wird im Zusammenhang mit dem Aufruf, man solle doch studieren, auch darauf verwiesen, dass AkademikerInnen im Schnitt mehr verdienen würden als Nicht-Studierte. Ein Teil dieses "Vorteils" ist allerdings auch ein Ausgleich dafür, dass während der Schul- und Studienzeit eben in der Regel noch kein Einkommen erzielt werden kann.
Trotzdem sind die inzwischen (Stand 2006) 64% Einkommensvorteil von ArbeitnehmerInnen mit Hochschulabschluss im Vergleich zu solchen mit Berufsausbildung ein Wort. Im Jahr 2000 lag der Einkommensvorteil "nur" bei 43%. Auf der anderen Seite sollte allerdings erwähnt werden, dass gerade die Tatsache, dass in Deutschland nicht so viele studieren, diesen Einkommensvorteil so groß werden lässt. Würden nun plötzlich alle mit Hochschulzugangsberichtigung doch anfangen zu studieren (wenn man weiterhin annimmt, dass es genügend Studienplätze für alle gibt), würde dieser Vorteil wohl deutlich schrumpfen – mehr Angebot drückt den Preis ...
Peinlich: Bildungsausgaben sinken
Nun ist die genaue Zuordnung von Ausgaben für die Bildung gar nicht so einfach. Aber im Rahmen dessen, was die OECD seit Jahren misst, ist das Ergebnis für Deutschland peinlich: "Stieg im OECD-Mittel zwischen 2000 und 2005 der Anteil der Bildungsausgaben von 12,8 auf 13,2 Prozent der Gesamtausgaben der öffentlichen Hand, ist er in Deutschland von 9,9 auf 9,7 Prozent gesunken. Nur in Japan und Italien ist der Anteil der Bildungsausgaben an den öffentlichen Ausgaben geringer." (zitiert aus der OECD-Pressemitteilung)
Nach Ansicht der OECD müssen nicht zwangsläufig die öffentlichen Ausgaben steigen, um mehr Geld für die Hochschulen zur Verfügung zu haben (auch wenn das als ein Weg genannt wird – vor allem im Norden Europas so erfolgreich). Der andere Weg sie die Erhebung von kostendeckenden Studiengebühren. In Deutschland (aber auch vielen anderen europäischen Ländern) wird aber weder das eine (höhere öffentliche Ausgaben) noch das andere (kostendeckende Studiengebühren – die 500 Euro/Semester sind in diesem Rahmen nicht der Rede wert) getan. "Weder die öffentlichen noch die privaten Mittel zu erhöhen, darf angesichts des zusätzlichen Bedarfs an Hochqualifizierten nicht länger die Alternative sein.", kommentierte OECD-Direktorin Ischinger.
Quellen und weiteres zum Thema
- Deutschland verliert bei der Ausbildung von Hochqualifizierten international weiter an Boden (Pressemitteilung der OECD zu den Ergebnissen bezogen auf Deutschland, 09.09.2008)
- Education at a Glance 2008 (komplette Studie als PDF; 5,5 MB)
- Weit unter dem Durchschnitt (Artikel bei Studis Online bezogen auf den Bericht 2007)
- Hintergründe zum OECD-Bildungsbericht (Artikel bei Studis Online bezogen auf den Bericht 2006)
- Deutsches Studentenwerk: Soziale Selektivität des Hochschulsystems überwinden (Pressemitteilung, 09.09.2008)
- Deutschland kommt voran – Dynamik bei Bildung muss weiter wachsen (Pressemitteilung, 09.09.2008)