Gleich zahlen oder gleich verschuldenStudiengebühren schwarz-grün
Insbesondere Gebührenbefürworter lobten die Plänen von schwarz-grün anfangs als mögliche Rettung für die doch immer mehr in die Kritik geratenen Studiengebühren. Vor allem das Stichwort "Nachlagerung" wurde hervorgehoben und als Garant für soziale Ausgwogenheit angeführt.
Inzwischen wurde ein konkreter Entwurf für ein neues Gebührengesetz vorgelegt. Und selbst einige, die die Änderungen zunächst begrüßten, üben zunehmend Kritik. Denn letztlich bleibt es bei Studiengebühren. Und selbst eine Verzinsung der Schulden kann eintreten, wenn man die Gebühren bei Zahlungspflicht nicht auf einen Schlag zurückzahlen kann.
Der Unterschied zur bisherigen Regelung ist im wesentlichen also nur, dass bis zu Beginn der Rückzahlung keine Zinsen erhoben werden (die zahlt die Stadt) und die Gebührenhöhe etwas gesenkt wird. Dies ist durchaus ein Vorteil für die Mehrheit der Studierenden – diejenigen, die schon heute zahlen müssen. Für viele (wenn auch "nur" eine Minderheit), die bisher befreit werden konnten, fallen die Befreiungsmöglichkeiten allerdings weg.
"Gleich zahlen oder gleich verschulden"
Nach wie vor soll die Möglichkeit bestehen, die Gebühren sofort zu bezahlen. Für Studierende aus dem Ausland (sofern die Hochschulen diese nicht von den Gebühren befreien – wie wohl teilweise angestrebt) gibt es sogar keine andere Möglichkeit: Wenn sie Gebühren zahlen müssen, dann sofort. Dies ist einer der Kritikpunkte an der neuen Regelung.
Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, äußerte sich zur Nachlagerung sehr deutlich: "Die Rede von 'nachgelagerten' Studiengebühren führt in die Irre, denn für die Studierenden würde die neue Regelegung konkret bedeuten: Zahle jetzt oder verschulde Dich jetzt".
Die angestrebte Regelung sieht vor, dass die Studiengebühren ab ein Jahr nach dem Studium zurückgezahlt werden müssen, sofern das Brutto-Gehalt über 30.000 Euro beträgt. Wesentlicher Knackpunkt ist, dass dann die Gesamtschuld auf einen Schlag fällig wird. Wer das dann nicht auf einmal zahlen kann, soll ein Kreditangebot erhalten können – dessen Details sind allerdings noch nicht bekannt. Vermutlich dürften die Konditionen dann eher schlechter sein als bei den heutigen Studienbeitragsdarlehen.
Insbesondere, da mit Überschreiten der Grenze von 30.000 Euro brutto die Zahlung auf einen Schlag fällig wird, ist es fraglich, ob der Vorteil gegenüber dem bisherigen Studienbeitragsdarlehen und seiner Monatsgrenze von 1060 Euro netto so groß ist. Denn nur wer innerhalb von zehn Jahren nach Ende des Studiums nie diese Grenze überschreitet, würde ganz um die Zahlung der Gebühren umhin kommen.
Wer länger studiert, hat Pech
Bisher konnte das Studienbeitragsdarlehen für die Regelstudienzeit plus vier Semester in Anspruch genommen werden (Semester von vorherigen Studienversuchen verkürzen diese Anspruchsdauer). Nun soll es die "Nachlagerung" nur noch zwei Semester über der Regelstudiendauer geben. Es gibt keinerlei Verlängerungsmöglichkeiten bspw. bei Mitarbeit in Gremien der Hochschule oder wenn die Hochschule das Studium schlecht organisiert.
Nur Behindert und Studierende mit Kindern können auf Antrag von der Zahlungspflicht nach Überschreitung der zwei Semester über der Regelstudienzeit befreit werden. Im Gegensatz zu bisher müssen sie aber für die Semester bis dahin Gebühren zahlen und können sich nicht mehr befreien lassen. Hierzu erklärt Florian Hillebrand, fzs-Vorstand: "Sich mit der Einschränkung von Befreiungsmöglichkeiten zu rühmen, die gerade Studierende mit Kindern und Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen betreffen, ist vollkommen verfehlt." Erklärt wird die Einschränkung mit der Möglichkeit ein Darlehn aufzunehmen. "Ein Darlehen aufnehmen zu müssen macht Studiengebühren in keiner Weise sozial verträglicher", so Hillebrand weiter.
Auch das DSW sieht die nicht mehr mögliche Gebührenbefreiung während der Regelstudienzeit für Studierende mit Kind und Studierende mit Behinderung oder chronischer Krankheit als verfehlt an. "Für sie entsteht eine nicht nachvollziehbare, unbillige Härte. Das steht im klaren Gegensatz zum Ziel des Gesetzentwurfes, dass Studiengebühren kein soziales Hindernis für ein Studium sein sollen", so Meyer auf der Heyde.
Studiengebühren bleiben Studiengebühren
Abschließend nochmals Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks: "Die Studiengebühren in Hamburg sollten nicht reduziert, sondern, wie im Wahlkampf versprochen, abgeschafft werden. Auch 375 Euro im Semester stellen vor allem für Studierende aus einkommensschwächeren Familien eine erhebliche Belastung dar." Er unterstreicht diese Forderung mit der aktuellen lokalen Auswertung der 18. DSW-Sozialerhebung für Hamburg, wonach 13% der Studierenden in Hamburg weniger als 600 Euro im Monat zur Verfügung stehen und nahezu der Hälfte weniger als 800 Euro. "62,50 Euro im Monat für Studiengebühren sind für einen Großteil der Hamburger Studierenden eine Belastung", sagte Meyer auf der Heyde. Er befürchtet, dass die Studiengebühren auch in der neuen Form in Hamburg junge Menschen aus hochschulfernen Schichten abschrecken und so die ausgeprägte soziale Selektivität an den Hamburger Hochschulen weiter verschärfen.
Verabschiedet werden soll das neue Gesetz im September. Man darf gespannt sein, ob und was sich noch ändern wird.
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