Jubiläum am 26.01.Drei Jahre Studiengebühren-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich im Grunde nicht mit der Frage zu befassen, ob Studiengebühren an sich verfassungsgemäß sind. Es ging "nur" darum, ob das vom Bund im Hochschulrahmengesetz (HRG) vorgesehene Studiengebührenverbot zu sehr in die Länderkompetenzen im Bildungsbereich eingreift. Langzeitstudiengebühren waren trotzdem auch nach Ansicht von SPD und Grünen, die das HRG geändert hatten, die ganze Zeit möglich.
Dagegen klagten sechs CDU-geführte Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen, Hamburg und das Saarland). Neben der Frage, ob im HRG zu Studiengebühren Bestimmungen gemacht werden dürfen, ging es übrigens auch darum, ob die Existenz einer Verfassten Studierendenschaft von Bundesseite vorgeschrieben sein darf. Was das Gericht ebenfalls als unzulässigen Eingriff in die Bildungshoheit der Länder ansah. Bayern und Baden-Württemberg durften also weiterhin Studierenden das Recht vorenthalten, sich so an ihren Hochschulen zu organisieren.
Andeutungen des Bundesverfassungsgerichts zu Studiengebühren
Auch wenn wie erwähnt die grundsätzliche Frage der Verfassungsmäßigkeit von Studiengebühren nicht zu klären war, machte das Bundesverfassungsgericht doch diverse Andeutungen. Offenbar war es der Meinung, dass Studiengebühren "sozialverträglich" möglich wären. Die Länder müssten zu diesem Zwecke Darlehen schaffen, mit denen Studierenden ermöglicht wird, das Studium zu beginnen, ohne gleich die Gebühren bezahlen zu müssen. Dass spätere Schulden auch nicht gerade förderlich für die Studierneigung sind, hatten die RichterInnen offenbar nicht bedacht.
Inzwischen vermehren sich die Anzeichen, dass Studiengebühren durchaus eine Auswirkung auf die Studierneigung haben könnten. Das Statistische Bundesamt vermeldete im Dezember 2007, dass die Studienanfängerzahlen bundesweit steigen. Alle Länder mit Studiengebühren lagen jedoch unter dem Bundesdurchschnitt oder mussten sogar Verluste hinnehmen. Einzige Ausnahme war Hamburg mit 5% mehr StudienanfängerInnen trotz Studiengebühren. Verglichen mit den anderen Stadtstaaten Berlin und Bremen ist das trotzdem ein schlechter Wert. Berlin konnte 11,8% mehr StudienanfängerInnen begrüßen, Bremen sogar 13,5% (siehe auch unseren Artikel dazu).
Studierende protestieren – Erfolge stehen noch aus
Nachdem die "üblichen" Protestformen wie Streik oder Demonstrationen keine direkte Wirkung zeigten, wurde an vielen Hochschulen ein Boykott der Studiengebühren versucht. Die Angst vor Exmatrikulation war aber offenbar an den meisten Hochschulen zu groß, nur an einigen kleinen Hochschulen wurden die selbst gesteckten Ziele erreicht.
In Sachen Pro-Studiengebühren machten sich dagegen weiterhin Lobby-Organisationen wie das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) oder die von der arbeitgebernahen "Initiative soziale Marktwirktschaft (INSM)" gestarte Seite unicheck.de verdient.
Änderung durch Landtagswahlen?
In Hessen und Niedersachsen am 27. Januar und in Hamburg am 24. Februar stehen Wahlen zum Landtag bzw. der Bürgerschaft an. In diesen Ländern hat die jeweils CDU-geführte Landesregierung Studiengebühren eingeführt. Auch die FDP (ob mit an der Regierung oder nicht) unterstützt prinzipiell Studiengebühren.
Sollte es bei den kommenden Wahlen jedoch zu einer anderen Konstellation kommen, könnte es seit langer Zeit wieder einmal zur Abschaffung von Studiengebühren kommen. SPD, Grüne und Linkspartei, aber auch beispielsweise die Freien Wähler (die in Hessen und Niedersachsen diesmal auch auf Landesebene antreten) sprechen sich gegen allgemeine Studiengebühren aus. Wobei die Stärke der Ablehnung durchaus variiert. Die SPD Niedersachsen hat beispielsweise Langzeitstudiengebühren selbst eingeführt (die würden also bei einer SPD-geführten Regierung bleiben; allgemeine Studiengebühren aber eher nicht). Sollte allerdings die CDU an einer neuen Regierung mit SPD oder Grünen beteiligt sein, so wäre es eher ein Wunder, wenn die Studiengebühren fallen würden.
Wie auch immer, aus Anlass der Wahlen und eben des "Jubiläums" der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind in diesen Tagen einige studentische Proteste angesagt (bzw. haben schon stattgefunden). So am 25. Januar in Hannover (Motto: "Studiengebühren kalt machen - die bildungspolitische Talfahrt beenden!") und am 26. Januar in Frankfurt am Main ("Für Meinungsfreiheit und (kosten-)freie Bildung!"). Details dazu gibt es z.B. beim studentischen Dachverband fzs.
Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse seit 2005
- Bundesverfassungsgericht erlaubt Studiengebühren (26.01.2005)
- CDU-Studiengebühren-Eckpunkte von allen Seiten kritisiert (21.03.2005)
- Summer of Resistance in Hamburg, Köln und anderswo (16.06.2005)
- Bremen beschließt "Studiengebührenbefreiungsgesetz"
- Nordrhein-Westfalen: Studiengebühren mit Geld-zurück-Garantie? Nicht wirklich! (25.11.2005)
- Das erste Bundesland, in dem allgemeine Studiengebühren vom Landtag beschlossen wurden: Niedersachsen (09.12.2005)
- Baden-Württemberg: Platz 2 im Rennen um Studiengebühren (15.12.2005)
- Auch NRW beschließt Studiengebühren (16.03.2006)
- Bayern beschließt Studiengebühren (18.05.2006)
- Bundesweite Proteste gegen Studiengebühren (31.05.2006)
- Proteste in Hessen lassen nicht nach - Polizei droht - Gorbatschow gegen Studiengebühren (08.06.2006)
- Über 10.000 TeilnehmerInnen bei bundesweiten Demos - trotzdem beschließt in Hamburg die Bürgerschaft Studiengebühren (28.06.2006)
- Saarland beschließt Studiengebühren (12.07.2006)
- Proteste können CDU nicht stoppen: Hessen beschließt Studiengebühren (05.10.2006)
- Quereffekte: Studiengebühren verschärfen Mangel an Lehrstellen (13.10.2006)
- Studiengebühren: Klagen, nichts als Klagen (21.11.2006)
- Studiengebührenboykott kommt in Fahrt (01.12.2006)
- Minister drohen Studiengebühren-Boykotteuren (22.12.2006)
- Studiengebührenboykott WiSe 2006/2007: Eine Zwischenbilanz (20.02.2007)
- Ergebnisse der Boykottversuche im WiSe 2006/2007 (24.03.2007)
- Unicheck.de, die INSM und Studiengebühren (11.04.2007)
- Studiengebühren in Hessen: Verfassungsklage und Studiengebührenboykott (19.04.2007)
- Studiengebührenboykott an der HfBK Hamburg: Studierende exmatrikuliert - aber Hintertür bleibt offen (16.07.2007)
- Hoffnung für GebührengegnerInnen: Hessische Studiengebühren verfassungswidrig? (20.08.2007)
- Ergebnisse der Boykottversuche im SoSe 2007 (18.09.2007)
- Jetzt sogar Rückzahlung: Noch ein Eilbeschluss zu Studiengebühren in Hessen (13.11.2007)
- Studiengebührenboykott 2007/2008: Erster Erfolg an EFH Freiburg (22.01.2008)
Hintergrundartikel zum Thema
- Übersicht über den Stand in Sachen Studiengebühren in den Bundesländern (mit Prognose)
- Was StudiengebührenbefürworterInnen behaupten
- Gute und schlechte Argumente gegen Studiengebühren
- Lobbyismus rund um Studiengebühren
- Think Tank für Studiengebühren: Wie das Centrum für Hochschulentwicklung Politik an Hochschulen macht
- Studiengebühren und soziale Gerechtigkeit
- Macht ein Unistreik gegen Studiengebühren Sinn?
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