Wahlprüfsteine HochschuleLandtagswahl Niedersachsen: Was die Parteien wollen
Wer aktuell die Regierung stellt
Im niedersächsischen Landtag stellen CDU (91 Sitze / 48,3% der Wählerstimmen) und FDP (15 / 8,1%) die Regierungsfraktionen. Die Opposition wird durch SPD (63 Sitze / 33,4%) und Bündnis 90/DIE GRÜNEN (14 / 7,6%) gebildet. Alle anderen Parteien verfehlten 2003 die 5%-Hürde deutlich. Von 1998 bis 2003 hatte die SPD allein die Regierung gestellt (47,9% der Stimmen hatten gereicht, da die FDP bei den Wahlen 1998 mit 4,9% knapp scheiterte und nicht im Landtag vertreten war).
Was die Parteien vorhaben
Aus den ausführlichen Antworten haben wir die wesentlichen Aussagen gefiltert und stellen sie im folgenden gegenüber. Verlassen kann man sich leider auf nichts - gerade, wenn es zu einer Koalition kommt, müssen die beteiligten Parteien ja zu Kompromissen kommen. Und dann gibt es noch die angeblichen oder tatsächlichen "Sachzwänge" ... Wo nötig, haben wir uns nicht gescheut, die Behauptungen und Wünsche der Parteien zu kommentieren.
In der folgenden Zusammenfassung haben wir teilweise drastisch gekürzt und einige Fragen/Antwort-Komplexe weggelassen. Wer die vollständigen Antworten der Parteien lesen will, für den hier die Auflistung der Detail-Artikel:
- Antwort von Bündnis 90/DIE GRÜNEN (eingegangen am 29.10.2007)
- Antwort der CDU (eingegangen am 30.10.2007)
- Antwort der SPD (eingegangen am 06.11.2007)
- Antwort der FDP (eingegangen am 14.11.2007)
- Antwort der Linken (eingegangen am 25.11.2007)
Welche Parteien und EinzelbewerberInnen sonst noch kandidieren, erfährt man bspw. beim Landeswahlleiter Niedersachsen.
Thema Studiengebühren
SPD, Grüne und Linke wollen die Studiengebühren abschaffen. Die Grünen sprechen explizit nur von Studiengebühren für das Erststudium, die abzuschaffen seien. Die SPD erinnert noch daran, dass die CDU zur Landtagswahl 2003 noch versprochen hatte, "Das Erststudium bleibt in Niedersachsen studiengebührenfrei". Langzeitgebühren hat die SPD zwar in ihrer Antwort nicht erwähnt, nach aller Erfahrung dürfte sie diese aber beibehalten (da es auch die SPD selbst war, die Langzeitstudiengebühren in Niedersachsen eingeführt hat).
Die CDU sieht erwartungsgemäß keinen Änderungsbedarf und verweist darauf, dass Studienbeiträge heute international üblich und in der Regel deutlich höher als in Niedersachsen seien.
Die FDP will die Studiengebühren ebenfalls beibehalten, will sie jedoch "stärker als ein Mittel des Wettbewerbs etablieren". Darüberhinaus behauptet die FDP: "Da die Studierenden über die Verwendung der Beiträge mitbestimmen können und eine unmittelbare Wirkung sehen, werden die Beiträge nach anfänglichen Protesten von den Studierenden inzwischen akzeptiert." Komisch, dass trotzdem beispielsweise an der TU Braunschweig von Studierenden erneut ein Boykott der Studiengebühren versucht werden soll.
Thema Studienfinanzierung / BAföG
Keine Partei will grundsätzlich am BAföG rütteln. Trotzdem sind die Prioritäten unterschiedlich:
Die Grünen wollen das BAföG deutlich erhöhen und besonders für den zweiten Bildungsweg stärker elternunabhängig ausbauen.
Die CDU erwähnt ihr Studienbeitragsdarlehen, dass jedem ermögliche, mit einem Studium zu beginnen (das Schulden abschreckend wirken können, sieht die CDU nicht). Das BAföG solle erhalten bleiben.
Die SPD hält am BAföG fest und erinnert daran, dass es widersinnig sei, staatliche Förderung zu geben (BAföG) und auf der anderen Seite wieder zu nehmen (Studiengebühren).
Die FDP schlägt eine Kopplung der BAföG-Steigerungen an die Entwicklung der Lebenshaltsungskosten vor. "Perspektivisch sollte das BAföG elternunabhängig vergeben werden." Möglicherweise aber eher als Kreditprogramm (wie das Studienbeitragsdarlehen).
Die Linke hält am BAföG fest und will es ausbauen. "Wir wollen keine kurzfristigen Reparaturmaßnahmen, sondern eine elternunabhängige, repressionsfreie und bedarfsdeckende Studienförderung."
Thema Geld für Bildungsreformen
In unserer letzten Frage an die Parteien hatten wir behauptet, dass oft der Eindruck entstehe, dass das Finanzministerium die anderen Ressorts regiert. Konkret fragten wir: "Sind Sie der Meinung, Bildungsreformen müssten "kostenneutral" umgesetzt werden und warum sehen Sie das so?" Auf diese Frage wollte keine Partei mit "Ja" antworten, obwohl die Realität leider oft wirklich nicht anders aussieht. Zu bedenken ist bei den Antworten auch, dass sie meist von einer/einem für Bildung zuständigen Politiker/in geschrieben wurde. Die würden sicher gern mehr für Bildung ausgeben, egal von welcher Partei sie sind.
Die Grünen schreiben dazu im wesentlichen: "Investition in Bildung ist für jede Gesellschaft die wichtigste Investition in die Zukunft."
Die CDU schreibt: "Bildungspolitik ist die beste Sozialpolitik, denn eine gute Bildung ist auf lange Sicht ausweislich aller Erwerbstätigen-Statistiken der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit." Es folgt eine Aufzählung von Schwerpunkten im Bildungsbereich (besonders an Schulen und im Bereich frühkindliche Bildung), die die CDU gesetzt habe. Es fehlt aber auch nicht der Hinweis, dass die Konsolidierung des Landeshaushaltes ebenfalls ein wichtiges Ziel sei.
Die SPD äußert: "Bildungsreformen können nicht kostenneutral sein. Insbesondere im Bildungsbereich muss die Demografierendite genutzt werden. Wer in die Bildung investiert, investiert in die Zukunft. Das ist für die SPD niedersachsengerechter."
Die FDP betont zunächst, wie wichtig die Konsolidierung des Haushaltes sei. Um dann anzufügen: "Wir sind nicht der Ansicht, dass Bildungsreformen kostenneutral umgesetzt werden müssen."
Die Linke äußert, Bildung gebe es nicht kostenneutral. "Der Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge (Einrichtungen der Gesundheit, Bildung, Ver- und Entsorgung) ist für alle EinwohnerInnen bereit zu stellen und darf nicht nach betriebwirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden."
Thema Studianabbrüche und wie sie verhindert werden können (Studienstrukturreform?)
Die Grünen wollen aus Vermögensveräußerungen des Landes ein "Bildungsfonds" auflegen, aus dem "innovative Hochschulprojekte finanziert werden, die als Reformziel die Verbesserung der Leistungsqualität für Studium und Lehre anvisieren und damit die Studiendauer und die Abbrecherquote gleichermaßen absenken." Außerdem sollten Schulen und Hochschulen besser vernetzt werden (so sollten Studienberatungen an Gymnasien angeboten werden). Auch die Beratung am Ende des Studiums solle verbessert werden, z.B. durch Einrichtung von Praktikavermittlungsbüros.
Die CDU hebt (nicht nur an dieser Stelle) auf die "Ideen-Expo" ab, die die Landesregierung zusammen mit Unternehmen der niedersächsischen Wirtschaft in Hannover durchgeführt habe. Solche Veranstaltungen könnten helfen, "Jugendlichen bereits im Schulalter erste berufliche Orientierungen zu vermitteln." Weiterhin will die CDU die Hochschulen stärker dazu anhalten, Eingangsfeststellungen zu nutzen (also Auswahlverfahren). Das Studienangebot solle stärker berufs- und praxisorientiert werden.
Die SPD kritisiert, dass bisher keine Erhebungen darüber durchgeführt würden, warum Studierende das Studium abbrechen. Sie habe das in einer Anfrage an die Landesregierung bereits thematisiert und wolle sich dafür einsetzen, dass dies bald geändert wird. Um auf dieser Grundlage Fehlsteuerungen und Regulierungsbedarf schnell zu erkennen.
Die FDP verweist darauf, dass die Beratung der Studierenden in der Veranwortung der Hochschulen liege. "Die Hochschulen müssen es als ihre eigene Aufgabe begreifen, die Chancen ihrer Absolventen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen."
Die Linke philosophiert zu diesem Thema über die Umstellung, die der Wechsel von Schule zu Hochschule für die Studierenden bedeutet. "Zudem sind viele Lebensphasen von Orientierung geprägt. Oft dienten sie in der Nachsicht der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Also verstehen wir Orientierungsphasen an sich als nichts Negatives."
Thema Umstellung auf Bachelor/Master; FHs vs. Uni
Die Grünen glauben, dass die Differenzierung zwischen FH und Uni abnehmen wird. Wichtig sei den Grünen "die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems insgesamt. Deshalb ist es nicht nur wichtig, dass ein Fachhochschul-Bachelor oder ein Fachhochschul-Master an Universitäten anerkannt wird, sondern wir fordern, dass bereits bei der Hochschulzugangsberechtigung die Unterscheidung zwischen Abitur und Fachabitur aufgehoben wird, man also auch mit einer Fachhochschulreife jeden Studiengang an einer Universität studieren kann." Desweiteren schlagen die Grünen vor, mehr Bachelor-Studiengänge auf sieben oder acht Semester anzulegen, um die Integration von Auslandsaufenthalten und verpflichtenden Praktika zu erleichtern.
Die CDU betont dagegen die Wahlmöglichkeit zwischen den Hochschularten, will also offenbar die Unterscheidbarkeit beibehalten. Ansonsten schreibt die CDU von der "erfolgreichen Poltik der Internationalisierung", die sie weiter fortführen wolle. "Internationalisierung und Europäisierung werden als zentrales Qualitätskriterium den Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen niedersächsischen Hochschulen und dem Land Niedersachsen verankert."
Die SPD betont, sie habe sich in Niedersachsen immer für den Ausbau der Fachhochschulen eingesetzt (die SPD hatte vor der aktuellen Regierung mehrere Regierungsperioden allein oder mit den Grünen regiert). Die CDU-FDP-Regierung dagegen habe in den letzten Jahren 2000 FH-Studienplätze gestrichen (in der Tat wurden die FH-Standorte Buxtehude und Nienburg geschlossen bzw. privatisiert). Die SPD wolle dagegen die Kapazitäten der Fachhochschulen massiv ausbauen. Auch sonst dürfe der durch die Umsetzung des Hochschulpaktes geplante Kapazitätsausbau nicht zulasten der Qualität des Studiums gehen. "Die Umstellung der Studiengänge als Bachelor- und Masterstudiengänge darf nicht dazu führen, dass die Internationalität und Mobilität nicht ermöglicht ist."
Die FDP sieht eine Trennung in FHs und Unis weiterhin als sinvoll an. Eine fachspezifische Zusammenarbeit zwischen Fachhochschulen und Universitäten in Forschung und Lehre sei aber nicht ausgeschlossen. "So kann zum Beispiel ein zeitlich und inhaltlich definierter Crossover von Dozenten und Lehrveranstaltungen sinnvoll sein."
Für die Linke macht die Trennung in Fachhochschulen und Universitäten keinen Sinn. Allerdings sei ein behutsamer Umbau sinnvoll. In Bezug auf die Vergleichbarkeit von Studienleistungen sieht die Linke einiges im Argen. "Von der internationalen Vergleichbarkeit von Studienleistungen sind wir weiter entfernt als mit den Magister- und Diplomstudiengängen. Die Bolognaerklärung, die nicht nur von Mitgliedsstaaten der EU, sondern weit darüber hinaus, beschlossen wurde, ist bei uns auf fatale Weise umgesetzt worden. Wer sich davon ein genaues Bild machen möchte, besucht eine Hochschule in der Erstsemesterwoche. Da schaut man nicht nur bei den StudienanfängerInnen in ratlose Gesichter.
Thema Mitsprache der Studierenden
Die Grünen sind gegen die Beschneidung der Mitbestimmungsrechte hochschulinterner Gremien, wie von der Regierung vor kurzem durchgesetzt und wollen diese zurücknehmen. "Vor allem die Studierenden brauchen, sofern Studiengebühren nicht, wie von uns gefordert, abgeschafft werden, ein verbindlich festgelegtes Mitspracherecht bei der Verwendung der Studiengebühren."
Die CDU lenkt in Ihrer Antwort auf die Frage zu Mitbestimmung an Hochschulen ein wenig ab und zählt diverse Änderungen im Hochschulgesetz auf, die damit nur wenig zu tun haben. Insbesondere zu den Einflussmöglichkeiten der Studierenden wird gar nicht konkret eingegangen.
Die SPD möchte mehr Autonomie für die Hochschulen, aber ohne die Selbstverwaltungsgremien zu schwächen. Offenbar würde die SPD die Änderungen von CDU und FDP zumindest zurücknehmen. Sie erinnert nämlich daran, dass "CDU und FDP die Gruppenuniversität nochmals abgebaut (haben), so z.B. durch die Wiedereinführung des Prinzips der doppelten Mehrheit der Hochschullehrerstimmen in den Gremien bzw. das abschließende Votum der Hochschullehrergruppen. Auch der Studiendekan ist jetzt nur noch aus der Gruppe der Hochschullehrer wählbar."
Die FDP behauptet, der Senat habe an den niedersächsischen Hochschulen nach wie vor eine wichtige Rolle. "Nach unserer Meinung gehört zu einer Autonomie der Hochschulen aber auch, dass die Hochschulen weitgehend selbst über ihre innere Organisation bestimmen können. Wir wollen den Hochschulen noch mehr Autonomie einräumen." Welchen Einfluss dabei aber die Studierenden haben sollen, dazu äußert sich die FDP nicht.
Die Linke kritisiert, dass die Hochschulen immer mehr an Strukturen von Wirtschaftsbetrieben angeglichen wurden. "Um Hochschulen demokratisch zu gestalten, müssen alle Hochschulangehörigen in Entscheidungsfindungen einbezogen werden. Wir wollen die paritätische Besetzung aller Hochschulgremien. Wir fordern die Mitbestimmung der Studierenden, Lehrenden und MitarbeiterInnen im Hochschulsenat."