Wahlprüfsteine HochschuleLandtagswahl Hessen: Was DIE LINKE will
Wir treten für eine Neuausrichtung der Forschung durch eine Stärkung der Grundlagenforschung sowie für ein ausgewogenes Verhältnis von theoretischer und anwendungsorientierter Forschung und Lehre ein. Die Hochschulen müssen öffentlich finanziert und demokratisch gesteuert werden, um nicht von ökonomischen Interessen abhängig zu sein. In diesem Kontext lehnen wir die erfolgte Umwandlung der Universität Frankfurt in eine Stiftungsuniversität ab, denn Banken und Konzerne dürfen nicht mit Hilfe ihrer finanziellen Zuwendungen über die Einrichtung und die Inhalte von Professuren und von Forschung und Lehre bestimmen. Es muss die Aufgabe der Hochschulen sein, wissenschaftliche Erkenntnisse für die demokratische, soziale und friedliche Weiterentwicklung der Gesellschaft zu produzieren.
2. Brauchen wir weiter eine Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass Bachelor und Master gleichwertig sein sollen, egal wo studiert wurde?
Eine Hierarchisierung des Hochschulwesens, wie es in der Trennung von Fachhochschulen und Universitäten manifestiert ist, gilt es zu überwinden. Der Zugang zu Bildung, d.h. zu allen Studiengängen an allen Institutionen muss frei sein, die Übergänge aus der beruflichen Bildung in die Hochschulen müssen erleichtert werden.
3. Nach wie vor kommt es zu vielen Studienabbrüchen oder längeren Orientierungsphasen nach Abschluss des Studiums. Wie kann die Beratung von (zukünftigen) Studierenden, aber auch von Absolventinnen und Absolventen verbessert werden?
Um Studienabbruchquoten zu verringern, müssen primär die Studienbedingungen grundlegend verbessert werden. Dazu gehört der Ausbau von individuellen Beratungs- und Betreuungsangeboten, ein entsprechendes Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden und die vernünftige Ausstattung von Instituten und Bibliotheken. Durch ein elternunabhängiges BAFÖG (siehe Frage 5) würde der Finanzierungsdruck auf Studierende verschwinden und eine Konzentration auf das Studium erleichtern. Zukünftige Studierende sollten Gelegenheit bekommen ihre Interessen und Fähigkeiten durch Angebote in der Schule und durch Orientierungsmaßnahmen an den Hochschulen kennen zu lernen. Beispiele hierfür sind das "Studium Generale" sowie eine erleichterte Möglichkeit zum Studiengangwechsel in den ersten Semestern.
4. Der Umbau der Studiengänge in Richtung Bachelor/Master hat zu vielen Irritationen geführt. So ist z.B. der Anteil derer, die ein Auslandssemester einplanen, in Bachelor-Studiengängen im Vergleich zum Diplom zurückgegangen - obwohl doch ein erklärtes Ziel der Reform mehr Internationalität und Mobilität ist. Auch ist noch offen, wie viele Studierende nach dem Bachelor einen Master anstreben werden. Inwieweit wollen Sie hier eingreifen - und dazu bundesweite oder auch europaweite Initiativen ergreifen?
Die Tatsache, dass Auslandsaufenthalte in den neuen Studiengängen zurückgegangen sind, ist zunächst der starken Verschulung und der verstärkten Leistungskontrolle in den modularisierten Fächern geschuldet. Angesichts dieses Drucks bleibt den Studierenden kaum Zeit einen Auslandsaufenthalt in ihr Studium einzubauen, zumal die internationale Vergleichbarkeit von Studienleistungen in der Praxis noch längst nicht funktioniert. Wir treten dafür ein, dass der Zugang zum Master für alle Studierende offen steht. Die Trennung der Studiengänge in Form einer Schmalspurausbildung (Bachelor) für viele und einer wirklich wissenschaftlichen Ausbildung für wenige (Master) lehnen wir entschieden ab.
5. Halten Sie am BAföG fest, welche Verbesserungen können Sie sich dabei vorstellen bzw. welche Alternative schwebt Ihrer Partei vor? Oder sehen Sie die Zukunft eher in Studienkrediten? Warum?
Die jetzige BAFöG-Regelung ist für eine angemessene Studienfinanzierung nicht ausreichend. Auch eine Erhöhung des Regelsatzes um 10% reicht nicht, den vom deutschen Studentenwerk ermittelten durchschnittlichen Bedarf zu decken. Der Selektivität des deutschen Bildungssystems, wo nur ein geringer Anteil der Studierenden aus nicht-akademischen Familien kommt, muss mit einer elternunabhängigen, verlässlichen und bedarfsdeckenden Studienfinanzierung entgegengetreten werden.
6. Allgemeine Studiengebühren wurden in ihrem Bundesland vor kurzem eingeführt. Wollen Sie an den Gebühren festhalten oder sehen Sie Änderungsbedarf und in welcher Art?
Bildung ist ein öffentliches Gut, welches wegen seiner Bedeutung für die Gesellschaft und jeden einzelnen Menschen kostenfrei sein zugänglich sein soll. Die von der CDU-Landesregierung eingeführten Studiengebühren gehören sofort abgeschafft. Sie sind nicht nur unsozial sondern auch verfassungswidrig, widersprechen sie doch der Hessischen Landesverfassung, die eine Unterrichtsgeldfreiheit an den Hochschulen vorsieht. Gegen diese verfassungswidrige Einführung von Studiengebühren haben Zehntausende protestiert und über 70.000 Menschen eine Verfassungsklage vor dem Staatsgerichthof eingereicht. Die jüngste Entscheidung des Giessener Verwaltungsgerichtes sowie verschiedene Gutachten haben diese Rechtsauffassung bekräftigt. Wir schließen uns dem Motto der hessischen Studierendenbewegung an: Für Solidarität und freie Bildung!
7. Im internationalen Vergleich studieren in Deutschland immer noch verhältnismäßig wenige junge Menschen. Was wollen Sie tun, um diesen Umstand zu ändern?
Eine Quelle des Problems ist das Schulsystem in Deutschland. Ein Teil der Schülerinnen und Schüler werden bereits nach der Grundschule "aussortiert". Für Haupt- und Realschülerinnen und -schüler ist es schwierig, die Schulform zu wechseln bzw. Abitur zu machen. Daher fordern wir die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Wir fordern stattdessen längeres gemeinsames Lernen in der Gemeinschaftsschule, umso mehr Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, Abitur zu machen und somit den Zugang zu einer Hochschule zu erlangen. Viele junge Menschen können aus finanziellen Gründen nicht studieren, dem muss durch einen gebührenfreien Zugang zur Hochschule und einer Reform des BÄFöGs entgegengetreten werden.
8. Inwiefern halten Sie unser Bildungssystem für gerecht? Was ist Chancengerechtigkeit für Sie, was bedarf es hierfür?
In keinem Industrieland hängen die Bildungschancen so sehr vom finanziellen und familiären Hintergrund ab wie in Deutschland. Kinder aus finanzschwachen Familien und Kinder mit Migrationshintergrund haben wesentlich schlechtere Chancen ein Gymnasium zu besuchen, Abitur zu machen und zu studieren. Für DIE LINKE ist Bildung ein Menschenrecht und darf nicht zum Privileg werden. Daher fordern wir mehr Chancengleichheit in der Bildung. Studiengebühren, die Kürzung des Kindergeldes um zwei Jahre, die unzureichenden BAFöG-Regelungen und das deutsche Schulsystem stehen dem diametral entgegen.
9. In den letzten Jahren wurde allgemein verkündet, dass die Hochschulen mehr "Autonomie" erhalten sollen. Faktisch bezog sich das vor allem darauf, dass die Hochschulleitungen und externe Gremien wie ein Hochschulrat mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten - auf Kosten von demokratischen Gremien wie dem Hochschulsenat. Auch die Stimme der Studierenden wurde dadurch nicht gestärkt, sondern eher geschwächt. Was halten Sie von Selbstverwaltung und Mitbestimmung an und in Hochschulen? Planen Sie hier Veränderungen?
Die hessische Hochschulpolitik der letzten Jahre beinhaltete eine massive Entdemokratisierung der Hochschulen. Dieser fatalen Entwicklung wollen wir durch eine Stärkung der demokratischen Kultur an den Hochschulen entgegentreten. Die studentische Selbstverwaltung muss gestärkt, der Einfluss von profitorientierten Interessen in Form von Hochschulräten zurückgedrängt und die Drittelparität endlich eingeführt werden. Die Möglichkeit der Disziplinierung von Studierenden seitens des Hochschulpräsidiums, wie durch die neue Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes eingeführt, lehnen wir entschieden ab.
10. Der Frauenanteil unter Studierenden liegt inzwischen bei fast 50%. Es gibt aber immer noch starke geschlechtsspezifische Unterschiede, welche Fachrichtung studiert wird (z.B. Elektrotechnik und Maschinenbau: nur um die 5% Studentinnen an Universitäten). Welche konkrete Maßnahmen planen Sie daher, um Frauen zu motivieren und zu unterstützen, besonders in den bisher eher "Männerdominierten" Studienfächern ein Studium aufzunehmen?
Die Universitäten müssen besondere Bemühungen unternehmen, um mehr Frauen für technische und naturwissenschaftliche Studiengänge zu gewinnen, z.B. durch Besuche an Schulen und gezieltes Werben. Das grundlegende Problem liegt aber außerhalb der Universitäten in den gesellschaftlich vorherrschenden Rollenbildern von Frauen und Männern. Diese gilt es zu überwinden.
11. Im wissenschaftlichen Mittelbau und bei C3- (und noch mehr bei C4-) Professuren ist schließlich ein geringer Frauenanteil offensichtlich - der sogar geringer ist als bspw. in der Türkei. Was wollen Sie unternehmen, damit mehr Frauen eine wissenschaftliche Karriere anstreben, um so letztlich auch zu mehr Professorinnen zu kommen?
Die Statistiken belegen, dass Frauen genauso häufig Abitur machen wie Männer und auch an den Universitäten beträgt der Frauenanteil fast 50%. Dieser Anteil setzt sich aber im wissenschaftlichen Mittelbau und bei den Professuren nicht fort. Grund hierfür ist, dass Frauen noch immer oftmals entscheiden müssen, ob sie eine wissenschaftliche Laufbahn beschreiten oder aber eine Familie gründen bzw. Kinder bekommen wollen. Noch immer bleibt die Betreuung von Kindern zu einem großen Teil Frauen überlassen. Ohne ausreichende kostenlose Kitaplätze bzw. Betreuungsangeboten ist es für viele Frauen kaum möglich an der Universität zu bleiben und wissenschaftlich zu arbeiten. Beruflicher Aufstieg ist meist verbunden mit einer hohen Einsatzbereitschaft, langen Arbeitszeiten und persönlichen Einschränkungen. Daher wäre die Einführung von kostenlosen flächendeckenden Kita-Plätzen eine enorme Verbesserung für die Berufsaussichten von jungen Frauen – auch an den Universitäten und in der Wissenschaft.
12. Was bedeutet Geschlechtergerechtigkeit für Sie, ganz allgemein und speziell im Kontext der Bildungspolitik?
Geschlechtergerechtigkeit bedeutet Chancengleichheit für Frauen und Männer. Jungen und Mädchen müssen in der Schule gleichberechtigt nach ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten gefördert werden. Das Geschlecht darf dabei keine Rolle spielen.
13. Es entsteht inzwischen oft der Eindruck, dass das Finanzministerium die anderen Ressorts regiert. Sind Sie der Meinung, Bildungsreformen müssten "kostenneutral" umgesetzt werden und warum sehen Sie das so?
Bildung darf nicht auf einen Kostenfaktor reduziert werden. Die Investition und Akzeptanz in Bildung als öffentliches Gut ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Gesellschaft. Daher treten wir für einen massiven Ausbau der Bildungsfinanzierung ein.