Wahlprüfsteine HochschulpolitikLandtagswahl Niedersachsen: Was die FDP will
Die Liberalen sind davon überzeugt, dass die Hochschulen in Niedersachsen mehr Wettbewerb benötigen. Wettbewerb bedeutet Anstrengung und Herausforderung, davon können alle Beteiligten profitieren. Praxisanteile in der Ausbildung widersprechen nicht zwangsläufig einer exzellenten Forschung, sie erhöhen aber die Chancen der Absolventinnen und Absolventen auf dem Arbeitsmarkt.
Wir sehen in der engen Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und den Hochschulen vor allem Vorteile. Davon profitieren nicht nur Hochschulen, Unternehmen und Studierende sondern auch die Gesellschaft. Wir wollen den Hochschulen mehr Autonomie geben, dazu gehört auch, dass sie frei und selbstständig darüber entscheiden können, mit wem sie Kooperationen eingehen. Gehen Hochschulen und Unternehmen eine Kooperation ein, heißt das nicht zwangsläufig, dass dann keine unabhängige Forschung mehr stattfindet. Möglicherweise entstehende Interessenskonflikte im Hinblick auf die Verwertung der Ergebnisse (Publikation durch die Wissenschaftler vs. Patentschutz durch das Unternehmen) gilt es durch den Abschluss entsprechender Verträge im Vorfeld auszuräumen.
2. Brauchen wir weiter eine Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass Bachelor und Master gleichwertig sein sollen, egal wo studiert wurde?
Eine Trennung in Fachhochschulen und Universitäten ist auch nach der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen sinnvoll. Die eher anwendungsnahe Ausbildung ist an den Fachhochschulen nach wie vor richtig angesiedelt, während das forschungsorientierte Graduiertenstudium auch künftig an den Hochschulen angesiedelt bleiben wird. Diese grundsätzlichen Unterschiede in der Ausrichtung schließen allerdings eine fachspezifische Zusammenarbeit zwischen Fachhochschulen und Universitäten in Forschung und Lehre nicht aus. So kann zum Beispiel ein zeitlich und inhaltlich definierter Crossover von Dozenten und Lehrveranstaltungen sinnvoll sein.
3. Nach wie vor kommt es zu vielen Studienabbrüchen oder längeren Orientierungsphasen nach Abschluss des Studiums. Wie kann die Beratung von (zukünftigen) Studierenden, aber auch von Absolventinnen und Absolventen verbessert werden?
Die Beratung der Studierenden liegt in der Verantwortung der Hochschulen. Durch eine offensive Beratung und eine optimale Lehre können Hochschulen die Zahl der Abbrecher oder Wechsler verringern. Die Hochschulen müssen es als ihre eigene Aufgabe begreifen, die Chancen ihrer Absolventen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Eine hohe Übergangsquote vom Studium in den Arbeitsmarkt macht das Studium an einer Hochschule besonders attraktiv.
4. Der Umbau der Studiengänge in Richtung Bachelor/Master hat zu vielen Irritationen geführt. So ist z.B. der Anteil derer, die ein Auslandssemester einplanen, in Bachelor-Studiengängen im Vergleich zum Diplom zurückgegangen - obwohl doch ein erklärtes Ziel der Reform mehr Internationalität und Mobilität ist. Auch ist noch offen, wie viele Studierende nach dem Bachelor einen Master anstreben werden.
Inwieweit wollen Sie hier eingreifen - und dazu bundesweite oder auch europaweite Initiativen ergreifen?
Es ist Sache der Hochschulen, die Anfängerzahlen für die Masterstudiengänge festzulegen. Diese müssen sich nach den jeweiligen Gegebenheiten des Faches richten und sich am Rahmen der landesweiten Hochschulplanung orientieren. Eine fächerübergreifende Quote der Masterstudienplätze lehnen wir ab. Insofern sehen wir keinen Bedarf für bundes- oder gar europaweite Festlegungen.
5. Halten Sie am BAföG fest, welche Verbesserungen können Sie sich dabei vorstellen bzw. welche Alternative schwebt Ihrer Partei vor? Oder sehen Sie die Zukunft eher in Studienkrediten? Warum?
Niemand sollte aus finanziellen Gründen von einem Studium abgehalten werden. Das BAföG ermöglicht vielen Interessierten die Aufnahme eines Studiums. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, muss das BAföG dringend reformiert werden. Es sollte in Zukunft einen Kinderbetreuungszuschlag geben und die Zuverdienstgrenzen müssen erhöht werden. Außerdem müssen die Sätze und die Freibeträge angemessen erhöht werden. Eine automatische Anpassung an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten sollte in Zukunft verhindern, dass es zu einer Stagnierung der BAföG-Sätze wie in den letzen 6 Jahren kommt.
Perspektivisch sollte das BAföG elternunabhängig vergeben werden. Günstige Kreditprogramme, wie sie das Land Niedersachsen für die Finanzierung der Studienbeiträge eingerichtet hat, können mittelfristig auf das BAföG erweitert werden. Dadurch soll erreicht werden, dass weniger Studenten als bisher gezwungen sind, neben dem Studium zu arbeiten und dadurch in die Lage versetzt werden, in kürzerer Zeit ihr Studium zu absolvieren.
6. Allgemeine Studiengebühren wurden in ihrem Bundesland vor kurzem eingeführt. Wollen Sie an den Gebühren festhalten oder sehen Sie Änderungsbedarf und in welcher Art?
Grundsätzlich halten wir die Einführung von Studienbeiträgen für richtig. Diese Beiträge verbleiben in voller Höhe an den Hochschulen und Universitäten und zeigen bereits positive Wirkungen. So wurden von den Beiträgen zusätzliche Tutorien eingerichtet, die Öffnungszeiten der Bibliotheken verlängert und deren Bestände erweitert oder Kinderbetreuungsangebote eingerichtet. Da die Studierenden über die Verwendung der Beiträge mitbestimmen können und eine unmittelbare Wirkung sehen, werden die Beiträge nach anfänglichen Protesten von den Studierenden inzwischen akzeptiert.
Wir wollen die Studienbeiträge jedoch stärker als ein Mittel des Wettbewerbs etablieren. Wir wollen deshalb, dass jede Hochschule frei nach Fächern verschieden über die Höhe der Studienbeiträge entscheiden kann. Mit den Studienbeiträgen sollen unserer Meinung nach auch zusätzliche Professorenstellen kapazitätsneutral geschaffen werden können. Studienkredite und Stipendienmodelle sollen dafür sorgen, dass alle klugen Köpfe unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation studieren können.
7. Im internationalen Vergleich studieren in Deutschland immer noch verhältnismäßig wenige junge Menschen. Was wollen Sie tun, um diesen Umstand zu ändern?
Zunächst muss man festhalten, dass eine bloße Gegenüberstellung der Zahl der Studierenden in den einzelnen Ländern noch nichts darüber aussagt, auf welchem Niveau unsere Jugendlichen ausgebildet werden. So wurde zum Beispiel nach zähem Ringen der deutsche Meistertitel im europäischen Raum endlich anderen Fachhochschulabschlüssen gleich gestellt. Ähnlich werden in Deutschland einige Berufe an Berufsschulen vermittelt, die in anderen Ländern an Akademien studiert werden. Die Inhalte sind dabei oft vergleichbar.
Dennoch müssen sich in Deutschland die Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen auf eine steigende Zahl von Studierwilligen vorbereiten. Wir beginnen schon jetzt mit den ersten Schritten zur Umsetzung des Hochschulpaktes 2020, in Niedersachsen werden dabei 11.200 neue Studienanfängerplätze geschaffen werden. Mit der von uns geforderten Autonomie der Hochschulen, der Entscheidungshoheit der Hochschulen über die Studienbeiträge und dem stärkeren Wettbewerb der Hochschulen untereinander wollen wir erreichen, dass in Niedersachsen attraktive Studienplätze entstehen, die die Studierenden optimal auf ihre Abschlüsse und den weiteren Berufsweg vorbereiten.
8. Inwiefern halten Sie unser Bildungssystem für gerecht? Was ist Chancengerechtigkeit für Sie, was bedarf es hierfür?
Ein Bildungssystem ist dann gerecht, wenn die Kinder alle Möglichkeiten bekommen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und auszubilden und sie diesen Fähigkeiten entsprechend optimal gefördert werden, unabhängig von der wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern. Da die wichtigsten Grundlagen für die Ausbildung von Fähigkeiten bereits im frühkindlichen Alter gelegt werden, gilt es vor allem in diesem Bereich die Kinder zu fördern und ihnen dadurch alle Wege im späteren Bildungssystem offenzuhalten. Mit dem Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für Kindertagesstätten, der Einführung des beitragsfreien Kindergartenjahres und der Gründung des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung haben wir den Schwerpunkt im Bildungsbereich ganz eindeutig auf die frühkindliche Förderung gelegt.
Die Einführung von Studienbeiträgen stellt daher in unseren Augen auch keine Beeinträchtigung der Bildungsgerechtigkeit dar. Die Studienbeiträge in Niedersachsen sind sozial gerecht gestaltet: Niemand muss aus wirtschaftlichen Gründen auf die Aufnahme eines Studiums verzichten, da die Beiträge erst dann zurückgezahlt werden, wenn das Studium abgeschlossen ist, der ehemalige Studierende bereits einen Beruf ergriffen hat und ein auskömmliches Einkommen erzielt. Darüber hinaus sorgen Stipendien dafür, dass besonders begabte Jugendliche von der Zahlung der Studienbeiträge befreit werden können.
9. In den letzten Jahren wurde allgemein verkündet, dass die Hochschulen mehr "Autonomie" erhalten sollen. Faktisch bezog sich das vor allem darauf, dass die Hochschulleitungen und externe Gremien wie ein Hochschulrat mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten - auf Kosten von demokratischen Gremien wie dem Hochschulsenat. Auch die Stimme der Studierenden wurde dadurch nicht gestärkt, sondern eher geschwächt. Was halten Sie von Selbstverwaltung und Mitbestimmung an und in Hochschulen? Planen Sie hier Veränderungen?
Der Senat hat an den niedersächsischen Hochschulen nach wie vor eine wichtige Rolle. So hat der Senat weiterhin entscheidenden Einfluss auf die Besetzung des Präsidiums, er beschließt die Ordnungen der Hochschule und die Entwicklungsplanung. Nach unserer Meinung gehört zu einer Autonomie der Hochschulen aber auch, dass die Hochschulen weitgehend selbst über ihre innere Organisation bestimmen können.
Wir wollen den Hochschulen noch mehr Autonomie einräumen. So wollen wir, dass das Berufungsrecht in Zukunft allein von den Hochschulen wahrgenommen wird, dass die Hochschulen die vollständige Fachaufsicht übernehmen und dass die Hochschulen die Bauherreneigenschaft erhalten.
10. Der Frauenanteil unter Studierenden liegt inzwischen bei fast 50%. Es gibt aber immer noch starke geschlechtsspezifische Unterschiede, welche Fachrichtung studiert wird (z.B. Elektrotechnik und Maschinenbau: nur um die 5 % Studentinnen an Universitäten). Welche konkreten Maßnahmen planen Sie daher, um Frauen zu motivieren und zu unterstützen, besonders in den bisher eher "Männer- dominierten" Studienfächern ein Studium aufzunehmen?
Zunächst ist die Berufs- und Studienwahl eine sehr persönliche Entscheidung jedes Einzelnen. Möchte man mehr Frauen dazu ermuntern, eher männlich dominierte Fachrichtungen zu wählen, so greifen unserer Meinung nach Maßnahmen wie der "Zukunftstag für Mädchen und Jungen" (früher "Girls-Day") oder entsprechende Fördermaßnahmen im Hochschulbereich zu kurz und auch zu spät. Die Begeisterung für technische Fächer, und damit das Interesse diese Fächer zu studieren, muss bereits in der Schule durch einen ansprechenden, interessanten und neugierig machenden Unterricht geweckt werden.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch so genannte Frauen-dominierte Fächer. Die Frage, durch welche Maßnahmen man Männer dazu bewegen könnte, eher weiblich dominierte Fächer zu studieren, zum Beispiel Lehramt für Grund- und Hauptschulen, ist ebenso berechtigt und bedarf erhöhter Aufmerksamkeit.
11. Im wissenschaftlichen Mittelbau und bei C3- (und noch mehr bei C4-) Professuren ist schließlich ein geringer Frauenanteil offensichtlich - der sogar geringer ist als bspw. in der Türkei. Was wollen Sie unternehmen, damit mehr Frauen eine wissenschaftliche Karriere anstreben, um so letztlich auch zu mehr Professorinnen zu kommen?
Der Anteil der Frauen unter den Professoren und im wissenschaftlichen Mittelbau ist zu gering. Da Professoren im allgemeinen nur dann neu berufen werden können, wenn die Stelle, die auf Lebenszeit vergeben wird, frei wird, kann der Anteil der Lehrstuhlinhaberinnen nicht innerhalb von 2-3 Jahren auf 50% angehoben werden. Seit 1995 ist der Frauenanteil innerhalb der Professorenschaft bundesweit von 8% auf 15% gestiegen. Niedersachsen liegt mit einem Frauenanteil von 18,4 % an den Professuren über dem bundesweiten Durchschnitt. Um diese Entwicklung weiter zu befördern, müssen wir mehr Transparenz erreichen. Die Leistungskriterien für die Entscheidung wer, wann und warum die Chance für eine wissenschaftliche Karriere erhält, müssen klar definiert sein. Nur so erreichen wir faire Wettbewerbsbedingungen unter denen Frauen ebenso bestehen können wie Männer.
Mindestens genauso wichtig sind familienfreundliche Rahmenbedingungen an den Hochschulen. Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass eine wissenschaftliche Laufbahn an einer Hochschule für Frauen eine realistische und attraktive Berufsperspektive darstellt.
12. Was bedeutet Geschlechtergerechtigkeit für Sie, ganz allgemein und speziell im Kontext der Bildungspolitik?
Geschlechtergerechtigkeit in der Bildung bedeutet, dass niemand aufgrund seines Geschlechtes bei der Bildung benachteiligt werden darf und dass jeder unabhängig von seinem Geschlecht die gleichen Chancen auf Bildung und Karriere haben muss. Während sich in der Schule die Geschlechtergerechtigkeit zum Beispiel in den Zahlen der Abiturientinnen noch widerspiegelt und auch die Zahlen der Studentinnen und der Auszubildenden bei 40-50% liegen, zeigt vor allem bei den Aufstiegsmöglichkeiten und in der Unterrepräsentation von Frauen in den Führungsetagen, dass die Chancen hier nicht gleich verteilt sind. Durch Maßnahmen, wie in der Antwort zu Frage 11. beschrieben, kann Chancengleichheit hergestellt werden.
13. Es entsteht inzwischen oft der Eindruck, dass das Finanzministerium die anderen Ressorts regiert. Sind Sie der Meinung, Bildungsreformen müssten "kostenneutral" umgesetzt werden und warum sehen Sie das so?
Die Ministerien in Niedersachsen haben mit dem Finanzministerium seit der Regierungsübernahme gemeinsam an der Konsolidierung des Haushaltes gearbeitet. Denn ein verfassungsgemäßer Haushalt hat genauso wie die Investition in die Bildung etwas mit unserer Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen zu tun. Wir konnten auf diese Weise den niedersächsischen Haushalt wieder auf eine solide Basis stellen.
Wir sind nicht der Ansicht, dass Bildungsreformen kostenneutral umgesetzt werden müssen. Das zeigen zum Beispiel unsere Investitionen im Bildungsbereich wie die Einführung des beitragsfreien Kindergartenjahres oder die Einstellung von 2.500 zusätzlichen Lehrern. Im Hochschulbereich haben wir die Landesmittel bis zum Jahr 2010 in den Zukunftsverträgen zwischen dem Land und den Hochschulen festgeschrieben, damit haben die Hochschulen Planungssicherheit. Wir streben an, dass die staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen nach 2010 auf erhöhtem Niveau in einem neuen Zukunftsvertrag garantiert wird.