Wahlprüfsteine HochschulpolitikLandtagswahl Niedersachsen: Was die SPD will
Hochschulen sind nicht nur Orte der Orientierung mit Bildungsauftrag. An den Hochschulen werden die dringend benötigten hoch qualifizierten Arbeitskräfte von morgen ausgebildet. Hochschulen legen die Grundlagen für neue Verfahren und Produkte und sorgen für einen schnellen Transfer neuen Wissens in die Wirtschaft und sie vermitteln neue Erkenntnisse. Sie tragen so entscheidend dazu bei, den gesellschaftlichen Fortschritt zu ermöglichen. Wir wollen in Niedersachsen die Potenziale unserer Universitäten und Fachhochschulen sowie der Forschungseinrichtungen für Innovation nutzen, die Qualifikation der Beschäftigten verbessern und mehr junge Menschen als bisher motivieren, ein Studium zu beginnen. Seit dem Regierungswechsel haben CDU und FDP 210 Mio. Euro bei den Hochschulen gekürzt und das Land stellt aktuell 15.000 Studienplätze weniger zur Verfügung als junge Niedersachsen studieren. Die SPD in Niedersachsen wird diese perspektivlose und Zukunft gefährdende Hochschulpolitik beenden und die Stärkung der Hochschulen wieder zu einer zentralen Aufgabe der Landespolitik machen. Wir müssen die vorhandenen Stärken ausbauen und Rahmenbedingungen in Forschung und (!) Lehre schaffen, die uns im Wettbewerb um die klügsten Köpfe konkurrenzfähig machen.
2. Brauchen wir weiter eine Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass Bachelor und Master gleichwertig sein sollen, egal wo studiert wurde?
Fachhochschulen in Niedersachsen sind seit ihrer Gründung Anfang der 70er Jahre eine Erfolgsgeschichte. Mit ihrer praxisnahen Ausbildung und anwendungsorientierten Forschung sind Fachhochschulen Motoren regionaler Entwicklung und leisten einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftskraft. Für die SPD hatte der Ausbau der Fachhochschulen immer hohe Priorität. Mit der Umsetzung des ersten Fachhochschulentwicklungsprogramms (FEP I) sind von 1991 bis 1998 6650 zusätzliche Studienplätze geschaffen und Standorte ausgebaut worden. Allein in den IT-Studiengängen wurde die Aufnahmekapazität landesweit von knapp 1.000 auf rund 1.900 Studienplätze nahezu verdoppelt. Neue innovative Schwerpunkte wurden eingerichtet, zum Beispiel mit den Studiengängen Biotechnologie und Bioinformatik an der Emdener Hochschule. Niedersachsen lag mit 26 % Studierenden an Fachhochschulen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Langfristig streben wir die vom Wissenschaftsrat empfohlene Quote von 35 % an.
Mit dem Regierungswechsel hat Minister Stratmann den von der sozialdemokratischen Landesregierung geplanten weiteren Ausbau der Fachhochschulen sofort gestoppt. Fachhochschulstandorte in Buxtehude und Nienburg wurden geschlossen und der massive Studienplatzabbau infolge der Kürzungen machte auch vor Fachhochschulen nicht halt: Unter der CDU- und FDP-Regierung sind in nur vier Jahren über 2000 Studienplätze gestrichen worden. Die Folge: Studierwillige junge Menschen müssen heute von den Fachhochschulen abgewiesen werden und werden morgen als hoch qualifizierte Fachkräfte in unseren Betrieben fehlen. Die Innovations- und Wirtschaftskraft in den Regionen wird nachhaltig geschwächt.
Die SPD in Niedersachsen wird sofort den Ausbau der Fachhochschulen wieder in Angriff nehmen. Wir wissen: Immer mehr junge Menschen wollen heute eine mehr praxisbezogene Hochschulausbildung. Doch jeder zweite Bewerber und jede zweite Bewerberin auf einen Studienplatz an einer Fachhochschule muss abgewiesen werden. Wirtschaftliche Potenziale in den Regionen bleiben so ungenutzt.
Die SPD wird sofort ein zweites Fachhochschulentwicklungsprogramm starten und die Kapazitäten an Fachhochschulen massiv ausbauen. Dazu werden wir den Hochschulpakt nutzen, in dem sich Niedersachsen verpflichtet hat, bis 2011 über 11.000 Studienplätze zu schaffen. Für die SPD in Niedersachsen sind die Fachhochschulen wichtige Impulsgeber für die wirtschaftliche Entwicklung in den Regionen. Darauf zu verzichten, können wir uns am allerwenigsten leisten.
Der Unterschied zwischen Fachhochschulen und Universitäten wird durch die Einführung der BA und MA Studiengänge immer geringer. Der wesentliche Unterschied zwischen Fachhochschulen und Universitäten, also das Promotionsrecht und die stärkere wissenschaftliche, auf Forschung ausgerichtete Arbeit an Universitäten wird auch weiterhin noch Realität bleiben, sich aber zunehmend verwischen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch an Fachhochschulen Forschung in größerem Maße möglich wird, als das jetzt noch der Fall ist.
3. Nach wie vor kommt es zu vielen Studienabbrüchen oder längeren Orientierungsphasen nach Abschluss des Studiums. Wie kann die Beratung von (zukünftigen) Studierenden, aber auch von Absolventinnen und Absolventen verbessert werden?
In der parlamentarischen Anfrage »Hat die Landesregierung kein Interesse, die Gründe für Studienabbrüche zu untersuchen?«, Drs. 15/4009 der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, hat sich die SPD-Fraktion dafür ausgesprochen, die Gründe für einen Studienabbruch zu erfassen. Leider sind zurzeit die Gründe für einen Studienabbruch nicht Gegenstand der Erhebungen der amtlichen Statistik. Nach Auffassung der SPD in Niedersachsen muss das geändert werden. So könnte das Hochschul-Informations-System (HIS) die verschiedenen Ursachen des Studienabbruchs abfragen. Denn je mehr Studierende ihr Studium ohne Examen abbrechen, um so höher die Fehlleitung von Ressourcen. Daher muss der Studienabbruch regelmäßig kontrolliert werden, um Fehlsteuerungen und Regulierungsbedarf schnell zu erkennen und die Qualität der akademischen Ausbildung.
4. Der Umbau der Studiengänge in Richtung Bachelor/Master hat zu vielen Irritationen geführt. So ist z.B. der Anteil derer, die ein Auslandssemester einplanen, in Bachelor-Studiengängen im Vergleich zum Diplom zurückgegangen - obwohl doch ein erklärtes Ziel der Reform mehr Internationalität und Mobilität ist. Auch ist noch offen, wie viele Studierende nach dem Bachelor einen Master anstreben werden.
Inwieweit wollen Sie hier eingreifen - und dazu bundesweite oder auch europaweite Initiativen ergreifen?
Zwei Drittel aller Studiengänge wurden zum Sommersemester 2007 bereits als Bachelor- und Masterstudiengänge angeboten. Zum Wintersemester 2007/2008 wird die Umstellung der Diplom- und Magister- sowie der Lehramtsstudiengänge weitgehend abgeschlossen sein. Diese Umstellung sagt jedoch nichts über die Qualität des Studiums in der neuen Studienstruktur aus. Es ist wahr, dass die Umstellung leider zu vielen Irritationen geführt hat und sich Studierende über eine Verschlechterung der Studiengänge, insbesondere in den straff strukturierten Bachelorstudiengängen, beklagen.
Die SPD setzt sich dafür ein, dass die Studienbedingungen durch eine Betreuung maßgeblich verbessert werden. Dabei darf der durch die Umsetzung des Hochschulpaktes geplante Kapazitätsausbau nicht zulasten der Qualität des Studiums gehen. Dieses wird die SPD ändern und hat sich dazu mit dem Entschließungsantrag »Mehr Studierende für Niedersachsens Hochschulen als Chance begreifen und Handeln – Sofortprogramm für 10.000 Studierende« eindeutig positioniert. Die Umstellung der Studiengänge als Bachelor- und Masterstudiengänge darf nicht dazu führen, dass die Internationalität und Mobilität nicht ermöglicht ist.
5. Halten Sie am BAföG fest, welche Verbesserungen können Sie sich dabei vorstellen bzw. welche Alternative schwebt Ihrer Partei vor? Oder sehen Sie die Zukunft eher in Studienkrediten? Warum?
Die SPD in Niedersachsen hält am BAföG fest und wird für eine Erhöhung des BAföG eintreten, damit es ein echtes Instrument für Chancengleichheit bleibt. Die letzte SPD-Bundesregierung hatte es geschafft, das von der Kohl-Regierung heruntergewirtschaftete BAföG wieder so aufzubauen, dass auch Kinder aus einkommensschwächeren Familien studieren können. Dass es immer noch zu wenige sind, liegt weniger an unseren Hochschulen als an unserem selektiven Schulsystem. Ziel muss es sein, weiter Hürden abzubauen und nicht mit Studiengebühren neue zu errichten. Deshalb lehnen wir Studiengebühren für das Erststudium ab. Besonders bitter ist, dass die Landesregierung sogar BAföG-Empfänger abkassieren lässt. Das ist nicht nur zynisch, das ist auch widersinnig. Man kann dem Präsidenten des DSW nur stimmen, wenn dieser konstatiert: »Soll der Staat mit der einen Hand Geld geben, damit jemand studieren kann und mit der anderen Hand das Geld wieder abnehmen, wenn er studiert?«
6. Allgemeine Studiengebühren wurden in ihrem Bundesland vor kurzem eingeführt. Wollen Sie an den Gebühren festhalten oder sehen Sie Änderungsbedarf und in welcher Art?
Im Wahlprogramm zur Landtagswahl 2003 hat die CDU versprochen: "Das Erststudium bleibt in Niedersachsen studiengebührenfrei." Heute wissen wir, das Versprechen war nichts wert. CDU und FDP wollten unbedingt »die Ersten« sein, die Studiengebühren einführen.
In Niedersachsen müssen jetzt alle Studierende Studiengebühren zahlen, 500 Euro pro Semester bzw. 1000 Euro im Jahr. Die Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger geht in Niedersachsen zurück und das, obwohl demografiebedingt immer mehr junge Menschen die Schulen verlassen. Die SPD will, dass in Zukunft mehr junge Menschen studieren. Und wir wollen, dass die Entscheidung für ein Studium nicht von der sozialen Herkunft abhängt. Eine SPD geführte Landesregierung wird die Studiengebühren wieder abschaffen. Mit den Studiengebühren wird auch die Lehre nicht verbessert, aber eine Verbesserung der Lehre ist dringend nötig. Überfüllte Hörsäle und Seminare, lange Wartezeiten bei Examensprüfungen, schlechte Betreuung – so sieht oft der Studienalltag an niedersächsischen Hochschulen aus. Doch daran werden die Studiengebühren nichts ändern. Keine Vorlesung wird mehr gehalten, kein Seminar wird kleiner sein und keine Sprechstunde mehr wird stattfinden. All diese sinnvollen Maßnahmen können im Korsett der sogenannten Kapazitätsverordnung nicht umgesetzt werden. Die Hochschulen können PCs anschaffen, Teppiche in der Bibliothek auslegen lassen und Sitzkissen für die überfüllten Hörsäle kaufen. Sie dürfen aber keine wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und keine Professoren und Professorinnen einstellen. Der Minister weiß das genau. Trotzdem verspricht er den Studierenden eine bessere Betreuung in der Lehre – so was nennen wir jungen Menschen gegenüber verantwortungslos! Studiengebühren sind ein reines Abkassieren zulasten von Bildungschancen junger Menschen.
7. Im internationalen Vergleich studieren in Deutschland immer noch verhältnismäßig wenige junge Menschen. Was wollen Sie tun, um diesen Umstand zu ändern?
In den nächsten Jahren verlassen die geburtenstarken Jahrgänge die Schulen und drängen an die Hochschulen. Laut Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK) sollen 2012 nicht mehr zwei Millionen Studierende an Universitäten und Fachhochschulen eingeschrieben sein, sondern 2,5 bis 2,7 Millionen. Danach sinken die Zahlen wieder, aber noch im Jahr 2020 werden mit 2,3 Millionen Studierenden immer noch deutlich mehr an den Hochschulen sein als heute.
Gerade in Niedersachsen ist der Handlungsbedarf besonders groß. Schon lange heißt es an unseren Hochschulen, das Boot ist voll. Mehr als 60 Prozent der Studienplätze sind zulassungsbeschränkt, an Fachhochschulen sogar fast 90 %. Bereits heute bietet Niedersachsen 15.000 Studienplätze weniger an, als junge Niedersachsen studieren. Gleichzeitig steigt die Zahl der Abiturienten und Abiturientinnen von derzeit rund 25.000 auf 33.500 im Jahre 2015. Im Doppeljahrgang 2011 werden allein 53.000 Studienanfänger und –anfängerinnen erwartet, doppelt soviel wie heute.
Statt sich dieser Herausforderung zu stellen, musste der Minister zum Jagen getragen werden. Auf Initiative der Bundesregierung haben Bund und Länder einen Hochschulpakt geschlossen. Die Länder haben sich verpflichtet 90.000 zusätzliche Studienplätze bis zum Jahr 2010 zu schaffen und der Bund trägt die Hälfte der Kosten. Niedersachsen erhält vom Bund insgesamt 54 Mio. Euro und musste sich verpflichten, bis 2010 zusätzlich 11.200 Studienanfänger an seinen Hochschulen aufzunehmen. Die CDU- und FDP-Landesregierung verspielt auch diese Chance. Statt der versprochenen zusätzlichen 11.200 Studienplätze werden tatsächlich nur 9.500 an unseren Hochschulen zusätzlich finanziert. Die restlichen neuen Studienplätze sind bereits vorhandene, die lediglich aufgefüllt werden sollen.
Gleichzeitig werden die Studienbedingungen für alle Studierende verschlechter. Denn um die Bundesgelder aus dem Hochschulpakt zu bekommen, muss Niedersachsen erst wieder den Ausgangsstand erreichen, den es 2005 hatte. Von 2005 bis 2007 hat sich die Zahl der Studienplätze um mehr als 1.600 reduziert. Diese Studienplätze müssen jetzt wieder aufgebaut werden. Der Wissenschaftsminister Stratmann greift dazu in die Trickkiste. Er setzt die Lehrverpflichtung für den wissenschaftlichen Mittelbau hoch: das schafft 1.300 Studienplätze. Dann verpflichtet er die Fachhochschulen mehr Studierende für weniger Geld in die Bachelor-Studiengänge aufzunehmen: macht noch mal 800 Studienplätze. Am Schluss wird noch einmal der sogenannte Schwundfaktor erhöht – und fertig ist die wundersame Studienplatzvermehrung: 2.100 Studienplätze zusätzlich zum Nulltarif.
Auslöffeln müssen diese Suppe wieder einmal die Studierenden: weniger Studienplätze für mehr Studierende, die Seminare werden voller, die Betreuung schlechter. Die SPD begrüßt den Hochschulpakt. Wir wissen aber auch, dass der Hochschulpakt nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Der Hochschulpakt gibt weder eine Antwort auf die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen noch auf die Mehrbelastung der Hochschulen durch die Umstellung auf die internationalen Bachelor- und Masterstudiengänge. Gerade diese Umstellung hat die Hochschulen viel zusätzliche Kapazität gekostet. Eine SPD-geführte Landesregierung wird die Chancen nutzen, die der Hochschulpakt für unser Land eröffnet und die Studienplätze ausreichend finanzieren. Darüber hinaus werden wir den Hochschulen zusätzliche Mittel für die Lehre zur Verfügung stellen.
8. Inwiefern halten Sie unser Bildungssystem für gerecht? Was ist Chancengerechtigkeit für Sie, was bedarf es hierfür?
Ein hohes Bildungs- und Qualifikationsniveau der Menschen unseres Landes ist nicht nur ein Wert an sich. Für die Menschen ist es die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und immer mehr die Voraussetzung für eine materielle Absicherung ihrer Zukunft. Die Verbesserung der Qualität und Erziehung von Ausbildung und Weiterbildung sind deshalb für die SPD der Schlüssel für die Zukunft Niedersachsens. Noch immer verlassen Jahr für Jahr rund 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne einen Abschluss und die niedersächsische Abiturquote liegt unter dem Bundesdurchschnitt. Das muss sich im Interesse unserer Kinder und unseres Landes ändern. Kein Kind und kein Jugendlicher darf zurückgelassen werden. Der Zusammenhang zwischen Bildungsweg und sozialer Herkunft muss aufgebrochen werden. Ein leistungsfähiges und gerechtes Bildungs- und Schulsystem muss Menschen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen, mit speziellen Fähigkeiten und Neigungen, mit verschiedenen Kompetenzen und Erfahrungen effektiv fördern.
Es gibt auch keine sozial gerechten Studiengebühren. Denn Studiengebühren müssen ja nicht nur die Reichen zahlen. Alle müssen zahlen, alle gleich viel – egal ob arm oder reich. Es wird nicht gerechter, sondern ungerechter. Denn in Zukunft wird es so sein, während die Reichen die Studiengebühren aus Papas Westentasche bezahlen, werden die Kinder der Armen gezwungen Kredite aufzunehmen und müssen mit einem Riesenschuldenberg in eine ungewisse Zukunft zu starten. Die Kinder aus Familien mit den geringsten Einkommen werden die größten Schuldenberge haben. So sieht die soziale Gerechtigkeit der CDU aus.
9. In den letzten Jahren wurde allgemein verkündet, dass die Hochschulen mehr "Autonomie" erhalten sollen. Faktisch bezog sich das vor allem darauf, dass die Hochschulleitungen und externe Gremien wie ein Hochschulrat mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten - auf Kosten von demokratischen Gremien wie dem Hochschulsenat. Auch die Stimme der Studierenden wurde dadurch nicht gestärkt, sondern eher geschwächt. Was halten Sie von Selbstverwaltung und Mitbestimmung an und in Hochschulen? Planen Sie hier Veränderungen?
Die SPD wird die Autonomie der Hochschulen stärken, damit sie eigene Profile in Lehre und Forschung herausbilden und sich besser im nationalen und internationalen Wettbewerb behaupten können. Daher werden wir an das Reformgesetz der letzten SPD-Landesregierung anknüpfen und diesen Weg konsequent weitergehen. Dazu gehört auch die Modernisierung des Dienst- und Besoldungsrechtes. Mehr Autonomie bedeutet aber nicht, dass die Selbstverwaltungsgremien geschwächt werden. Selbstverwaltung und Mitbestimmung sind unerlässlich für eine innovative Hochschule. Durch die Änderung des NHG haben CDU und FDP die Gruppenuniversität nochmals abgebaut, so z.B. durch die Wiedereinführung des Prinzips der doppelten Mehrheit der Hochschullehrerstimmen in den Gremien bzw. das abschließende Votum der Hochschullehrergruppen. Auch der Studiendekan ist jetzt nur noch aus der Gruppe der Hochschullehrer wählbar.
10. Der Frauenanteil unter Studierenden liegt inzwischen bei fast 50%. Es gibt aber immer noch starke geschlechtsspezifische Unterschiede, welche Fachrichtung studiert wird (z.B. Elektrotechnik und Maschinenbau: nur um die 5 % Studentinnen an Universitäten). Welche konkreten Maßnahmen planen Sie daher, um Frauen zu motivieren und zu unterstützen, besonders in den bisher eher "Männer- dominierten" Studienfächern ein Studium aufzunehmen?
Durch die oben genannte Änderung des NHG ist die Frauenförderung an den Hochschulen geschwächt worden. Frauen sind eindeutig die klaren Verliererinnen der Gesetzänderung. Die Verpflichtung der Hochschulen an der Gleichstellung mitzuwirken, ist geschwächt worden. Die Landeskonferenz der Hochschulfrauenbeauftragten wird nicht mehr im NHG erwähnt und die Mitwirkungsrechte der Hochschulfrauenbeauftragten sind beschnitten worden. Dieses wird die SPD in Niedersachsen wieder ändern. Monoedukative Studiengänge, wie an der Hochschule in Wilhelmshaven sind gut geeignet, um den Frauenanteil in den sogenannten »Männer-dominierten« Studiengänge zu erhöhen.
11. Im wissenschaftlichen Mittelbau und bei C3- (und noch mehr bei C4-) Professuren ist schließlich ein geringer Frauenanteil offensichtlich - der sogar geringer ist als bspw. in der Türkei. Was wollen Sie unternehmen, damit mehr Frauen eine wissenschaftliche Karriere anstreben, um so letztlich auch zu mehr Professorinnen zu kommen?
Die Einführung der Juniorprofessur von der ehemaligen SPD-Landesregierung im Jahre 2002 hatte zum Ziel, Qualifikationswege zu verkürzen, Frauen besser zu fördern und Wissenschaftskarrieren in Deutschland auch im Blick auf internationale Konkurrenzsituationen attraktiver und zugleich kalkulierbarer zu machen. Die Einrichtung der Juniorprofessur war ein richtiger Schritt im Hinblick auf die Förderung hoch qualifizierter Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen und hat sich in Niedersachsen mit 187 neu eingerichteten Stellen bewährt.
Der hohe Anteil der technischen Fächer und der Naturwissenschaften an den Juniorprofessuren zeigt, dass mit diesem Instrument dem in diesen Fächern bestehenden Nachwuchsmangel begegnet werden kann. Dennoch ist der Frauenanteil von ca. 10 % an den deutschen Professuren im Vergleich zu 30 % in den meisten konkurrierenden Nationen völlig unzureichend. Deswegen stellt die Juniorprofessur mit einem Frauenanteil von bundesweit 28 % und in Niedersachsen 40 % ein wirksames Instrument zur Förderung der Gleichstellung dar.
Die SPD in Niedersachsen wird die Einrichtung von Juniorprofessuren als wirksames Instrument der Nachwuchs- und Frauenförderung zum Gegenstand der Zielvereinbarungen mit den niedersächsischen Universitäten machen. Die Hochschulen müssen zudem ermutigt werden, die Tenure-Track-Option bei entsprechender Qualifikation zu nutzen, um Verunsicherungen bei den Bewerberinnen und Bewerbern zu beseitigen und der internationalen Konkurrenz um Nachwuchswissenschaftler begegnen zu können. Selbstverständlich muss der oben skizzierte Ausbau der Hochschulen genutzt werden, um den Anteil der Frauen in Forschung und Lehre zu erhöhen.
12. Was bedeutet Geschlechtergerechtigkeit für Sie, ganz allgemein und speziell im Kontext der Bildungspolitik?
Gleichstellung der Geschlechter ist eine Querschnittsaufgabe über alle Politikfelder hinweg. Sie kann nur gelingen, wenn bei allen politischen Entscheidungen das Prinzip des »Gender-Mainstreaming« konsequenter als bisher angewendet wird. Nur so kann die Situation beider Geschlechter in den Blick genommen werden und deutlich gemacht werden, dass Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts strukturelle Ursachen haben. Das Prinzip des »Gender-Mainstreaming« bedeutet nicht, dass Frauenförderung und Frauenforschung abgeschafft werden. Das Gegenteil ist der Fall. Mittelbare und unmittelbare Diskriminierung von Frauen muss durch aktive Frauenförderung überwunden werden. Deswegen müssen die Mitwirkungsrechte der Hochschulfrauenbeauftragten wieder gestärkt werden. Auch die Hochschulen müssen stärker als bisher für den Abbau von strukturellen Ursachen verantwortlich sein.
13. Es entsteht inzwischen oft der Eindruck, dass das Finanzministerium die anderen Ressorts regiert. Sind Sie der Meinung, Bildungsreformen müssten "kostenneutral" umgesetzt werden und warum sehen Sie das so?
Nein. Bildungsreformen können nicht kostenneutral sein. Insbesondere im Bildungsbereich muss die Demografierendite genutzt werden. Wer in die Bildung investiert, investiert in die Zukunft. Das ist für die SPD niedersachsengerechter.