Bis zur Entscheidung der nächsten InstanzUni Gießen zieht Studiengebühren vorläufig nicht mehr ein
Begründet wird die Beschwerde mit "grundsätzlichen Erwägungen im Interesse der Rechtssicherheit". Wirklich verständlich scheint dies auf den ersten Blick allerdings nicht zu sein: Eine endgültige Entscheidung wird so oder so erst der Staatsgerichtshof in Wiesbaden treffen können, der voraussichtlich im Frühjahr 2008 über die Normenkontrollanträge von SPD und Grünen und der Volksinitiative (wir berichteten) entscheiden will. Insofern könnte man auch einfach darauf warten – wenn auch mit der Gefahr, dann auch die Gebühren für das Sommersemester nicht mehr erheben zu können.
Der Präsident der Universität betonte auf telefonische Nachfrage, ein Abwarten komme nicht in Frage. Das Verwaltungsgericht habe sich zur eigentlich im Eilentscheid zur Debatte stehenden Frage, ob der Einzug der Gebühren zumutbar sei, gar nicht geäußert (es hatte in der Tat praktisch nur damit argumentiert, dass es das Gesetz für verfassungswidrig halte). Genau dies wolle die Universität (und mir ihr alle anderen Hochschulen in Hessen) aber wissen. Für den Vollzug des Gesetzes, zu dem er als Präsident und damit Landesbediensteter gezwungen sei, müsse dies geklärt sein. Über die Frage, ob das Gesetz verfassungsgemäß sei, könne aber in der Tat nur der Staatsgerichtshof entscheiden.
Mindestens 300 Studierende müssen erst einmal nicht zahlen
Der Einzug der Gebühren ist an der Uni Gießen (und nicht nur dort) nicht sonderlich schnell vor sich gegangen. Die Gebührenbescheide wurden in mehreren Schüben versendet. Das Verfahren ist auch wegen Überlastung der Verwaltung durch Befreiungsanträge und Widersprüche noch immer nicht vollständig abgeschlossen. Über 1000 Gebührenbescheide stehen noch aus (all diese könnten auch noch widersprechen!). Bereits Widerspruch und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung haben nach Angaben des Präsidenten ungefähr 300 Studierende eingelegt.
All diese können sich freuen. Und auch alle, die noch die Möglichkeit haben, gegen den Gebührenbescheid zu widersprechen und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Mindestens bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wird die Uni die Gebühr nicht mehr eintreiben. "Insbesondere wird Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung, die zunächst von der Universität abgelehnt worden sind, bis zu einer Entscheidung der Obergerichte stattgegeben.", heißt es explizit in der Pressemitteilung der Universität.
Wer die Gebühren gezahlt hat, bekommt sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht zurück. Der AStA der Uni Gießen hatte dies zwar gefordert, aber vermutlich nicht im Ernst damit gerechnet, damit Gehör zu finden.
Endgültige Entscheidung für alle im Frühjahr 2008
Erst wenn der Staatsgerichtshof die Studiengebühren grundsätzlich als verfassungswidrig ansieht, käme es zu einer Rückzahlung der Gebühren. Das hessische Wissenschaftsministerium hatte im Juni 2007 mittels einer "Vorläufigkeitserklärung" festgesetzt, dass die Gebühren zurückgezahlt werden, sollte der Staatsgerichtshof ihre verfassungswidrigkeit feststellen. Immerhin wurde so klargestellt, dass wirklich alle Studierenden in diesem Fall die Gebühr zurückerhalten und ein individueller Widerspruch nicht nötig ist.
Dass Widerspruch und weitere Bemühungen (hier also der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) aber trotzdem lohnen, zeigt sich aktuell. Zumindest Zeit haben die Betroffenen gewonnen, selbst wenn sie am Ende doch zahlen müssen.
Ach ja: Ein Grund, warum die Uni selbst für den Fall, dass am Ende der Staatsgerichtshof das Gesetz kassiert, erst einmal die Gebühren in ihrer Kasse haben will, könnte folgende Überlegung sein: Sollte schließlich eine Rückzahlung angeordnet werden, werden die Hochschulen versuchen, vom Land finanziellen Ersatz zu bekommen. Nach dem Motto: Wie haben das Geld doch schon ausgegeben (oder zumindest fest verplant). Würde die Uni auf den Gebühreneinzug aber verzichten, könnte das Land sich leicht darauf berufen, dass nie vorhandenes Geld ja wohl kaum ersetzt werden müsse. Also wäre Abwarten und nicht kassieren für die Uni fatal.
Wobei eine Universitätsleitung, die Studiengebühren explizit ablehnt, von vornherein anders geplant hätte ...
Weitere Informationen und Quellen
- Pressemitteilung der Uni Gießen (06.11.2007)
- Erfolg für StudiengebührengegnerInnen: Verwaltungsgericht zumindest vorläufig gegen Studiengebühren (01.11.2007)
- Hoffnung für GebührengegnerInnen: Hessische Studiengebühren verfassungswidrig? (20.08.2007)
- Studiengebühren zurück? (27.06.2007)
- Studiengebühren in Hessen: Verfassungsklage und Studiengebührenboykott (19.04.2007)