Wahlprüfsteine HochschuleLandtagswahl Hessen: Was die FDP will
Bildung und Wissen sind die wichtigsten Grundlagen für die individuelle Entfaltung des einzelnen Menschen und für die Sicherung der Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt. Für die hessischen Liberalen ist das Ziel der Hochschulpolitik Exzellenz in Lehre und Forschung unter Beachtung der Freiheit von Forschung und Lehre.
Der Notwendigkeit, Forschung und Lehre im Spannungsfeld zwischen Praxisbezug und notwendiger Grundlagenorientierung weiterzuentwickeln, begegnen wir durch ein Bündel an Maßnahmen: Die Nachfragemacht der Studierenden soll gestärkt werden. Wir gehen davon aus, dass sich Studierende, wenn sie die freie Wahl haben, die Hochschule aussuchen, mit deren Abschluss sie sich die besten Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechnen. Hierzu sollen Studierende und Hochschulen das volle gegenseitige Auswahlrecht erhalten. Die bürokratische Studierendenlandverschickung durch die ZVS möchten wir abschaffen.
Die Hochschulfinanzierung soll nach dem Prinzip "Geld folgt Studierenden" organisiert werden. Die staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen soll durch Bildungsgutscheine erfolgen, die die Studierenden erhalten und flexibel einsetzen können. Der hierdurch verkörperte Wert soll allein der gewählten Hochschule zugute kommen. So werden die Fachhochschulen und Universitäten bereits aus eigenem Interesse eine gute und bedarfsgerechte Ausbildung anbieten.
Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Exzellenz in Forschung und Lehre betrifft die Hochschulautonomie. Die FDP stellt den Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre nicht in Frage. Dennoch muss anerkannt werden, dass schon aus zeitlichen Gründen nicht alle Spitzenforscher gleichzeitig hervorragende Lehrkräfte sind, und nicht alle hervorragenden akademischen Lehrer gleichzeitig ausgezeichnete Forscher sein können. Ein Teilbereich der von uns geforderten Weiterentwicklung der Hochschulautonomie ist die Personalhoheit. Die Hochschulen sollen ihr Personal flexibel einsetzen können. Zum Beispiel denken wir hier an Lehrprofessuren oder lecturer. Wichtig sind uns auch die so genannten Lehrdeputatskonten, die an privaten Hochschulen bereits seit einiger Zeit erfolgreich verwendet werden. Durch sie wird den Hochschulmitgliedern die Möglichkeit gegeben, sich über bestimmte Zeiträume vermehrt oder sogar vollständig auf entweder Lehre oder Forschung zu konzentrieren und in einem sich danach dann in gleichem Maße mehr der anderen Verpflichtung zu widmen.
Die staatliche Forschungsförderung soll sich an Exzellenzkriterien orientieren, wobei eine regelmäßige Evaluation erfolgen muss, bei der auch die Studierendenschaft einbezogen werden soll. Zusätzlich kann die Unabhängigkeit der Forschung beispielsweise über einen Kodex oder individuelle Verhaltenskodizes sichergestellt werden, wie sie derzeit an mehreren Stellen diskutiert werden.
2. Brauchen wir weiter eine Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass Bachelor und Master gleichwertig sein sollen, egal wo studiert wurde?
Die Unterscheidung zwischen Fachhochschulen und Universitäten wird durch den Bolognaprozess zunehmend aufgeweicht. Es ist erfreulich, dass die Fachhochschulen diese Chance nutzen und sich in ihrem Kompetenzbereich selbständig weiterentwickeln, sich beispielsweise als Hochschulen für angewandte beziehungsweise anwendungsorientierte Forschung profilieren. Diese Entwicklung unterstützen wir ausdrücklich.
Wir sehen es nicht als Problem an, dass Bachelor und Master unabhängig von der Hochschulart gleichwertig sein sollen. Für uns ist die inhaltliche Differenzierung, beispielsweise in eher anwendungs- und eher wissenschaftsorientierte Masterprogramme entscheidender. Mit Freude sehen wir, dass der Bolognaprozeß zunehmend auch zu Kopperationen zwischen Fachhochschulen und Universitäten führt, die beispielsweise auch zu gemeinsamen Masterprogrammen genutzt werden. Hier können beide Hochschularten ihre jeweiligen Kompetenzen einbringen.
3. Nach wie vor kommt es zu vielen Studienabbrüchen oder längeren Orientierungsphasen nach Abschluss des Studiums. Wie kann die Beratung von (zukünftigen) Studierenden, aber auch von Absolventinnen und Absolventen verbessert werden?
In Zeiten des Fachkräftemangels müssen die Studierneigung, die Übergangsquote von Schule zu Hochschule, aber vor allem auch die Absolventenquote gesteigert werden. Maßnahmen hierzu müssen in der Schule ansetzen, und zwar sowohl bei der Ausbildung wie auch bei Beratungsleistungen.
Auch die Rahmenbedingungen an den Hochschulen sind zu verbessern. Es bedarf auch hier individueller fachlicher, aber auch persönlicher Betreuung. Die FDP möchte die Betreuungsrelation an den Hochschulen nach Möglichkeit steigern. Einen Beitrag hierzu leistet aus unserer Sicht der Ausbau der Tutoriums- und Übungsangebote nach der Einführung von Studienbeiträgen.
Die Berufsorientierung der Ausbildung wird durch einen Ausbau der Kooperationen zwischen Unternehmen und Hochschulen gewährleistet. Durch Praktika werden den Studierenden realitätsnahe Einblicke in den Alltag ihrer möglichen Berufsfelder gewährt. Die Einbindung von Praktikern der Disziplinen in die Lehre führt zu einer lebendigeren Stoffvermittlung, erhöht aber auch die Employabilty der Absolventen.
Wichtig zur Verringerung der Abbrecherquote ist aus Sicht der FDP auch die Vereinbarkeit von Familie und Studium. Die Studienbedingungen müssen generell familienfreundlicher ausgestaltet werden. Das bedeutet nicht nur das Angebot von Betreuungseinrichtungen, sondern auch eine Anpassung der Organisation des Studiums beziehungsweise der Lehrpläne. Wichtig sind uns hier auch spezielle Fördernetzwerke, Elternstipendien und das Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen.
Zur Steigerung der Qualität der Beratungsleistungen an den Hochschulen haben wir Liberalen aus unserer Sicht einen erheblichen Beitrag geleistet durch die Verselbständigung der Studentenwerke in Hessen. Den nunmehr angelaufenen Prozess der Abstimmung zwischen Hochschulen und Studentenwerken beobachten wir mit Interesse. Hier sollten unseres Erachtens Leistungen gebündelt und Doppelstrukturen vermieden werden.
4. Der Umbau der Studiengänge in Richtung Bachelor/Master hat zu vielen Irritationen geführt. So ist z.B. der Anteil derer, die ein Auslandssemester einplanen, in Bachelor-Studiengängen im Vergleich zum Diplom zurückgegangen - obwohl doch ein erklärtes Ziel der Reform mehr Internationalität und Mobilität ist. Auch ist noch offen, wie viele Studierende nach dem Bachelor einen Master anstreben werden. Inwieweit wollen Sie hier eingreifen - und dazu bundesweite oder auch europaweite Initiativen ergreifen?
Die FDP steht zur Bologna-Initiative. Eine Umstellung mit Augenmaß auf gestufte Bachelor- und Masterstudiengänge, die Modularisierung und das Credit Point-System sowie die internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse fördert die Mobilität der Studierenden und Absolventen. Gleichzeitig leistet sie einen Beitrag zum in Zukunft immer wichtiger werdenden lebenslangen Lernen durch Weiterbildung. Wenngleich in der Zeit der Umstellung gewisse Unsicherheiten auftreten, halten wir die Bologna-Initiative insgesamt für einen Erfolg. Die Ergebnisse müssen allerdings regelmäßig geprüft und evaluiert werden, um gegebenenfalls nachsteuern zu können. Raum hierfür besteht beispielsweise in der gegenseitigen Anerkennung ausländischer Studienleistungen. Außerdem möchten wir mehr Möglichkeiten zu gemeinsamen Studiengängen in- und ausländischer Hochschulen sowie zu doppelten Abschlüssen schaffen.
Mit Interesse blicken wir darauf, wie hoch die Übergangsquote vom Bachelor zum Master sein wird. Indes halten wir es nach der Anlage des gestuften Abschlusssystems auch nicht für zwingend angezeigt, unmittelbar vom Bachelor zum Master überzugehen. Vielmehr meinen wir, der Bachelor biete eine hervorragende Möglichkeit, nach einem grundständigen Studium in die Berufspraxis und –orientierung einzutreten, um sich danach mit einem Masterprogramm weiterzubilden und zu spezialisieren.
Zudem sind wir der Ansicht, dass es angesichts des Fachkräftebedarfs der Wirtschaft und der steigenden Anforderungen an das lebenslange Lernen für den Übergang vom Bachelor zum Master keine starren Quoten geben darf.
5. Halten Sie am BAföG fest, welche Verbesserungen können Sie sich dabei vorstellen bzw. welche Alternative schwebt Ihrer Partei vor? Oder sehen Sie die Zukunft eher in Studienkrediten? Warum?
Die FDP hält grundsätzlich am BAföG fest. Es muss jedoch dringend weiterentwickelt werden. Bildung ist ein hohes Gut, das jedem Interessierten unabhängig von seiner finanziellen Leistungskraft zur Verfügung stehen muss. Es ist nicht nur individuell tragisch, sondern auch für die Gesellschaft ein Verlust, wenn Menschen aus finanziellen Gründen vom Studium abgehalten werden.
Für eine Verbesserung der sozialen Situation der Studierenden ist eine ausreichende finanzielle Unterstützung für die Kosten der Lebenshaltung sowie eine angemessene soziale Infrastruktur an den Hochschulen unerlässlich. Die BAföG-Förderung ist mit weiteren Kreditprogrammen zur Finanzierung von Studienentgelten und Lebenshaltungskosten (zum Beispiel Programme von KFW und Landesbanken) zusammenzuführen. Ziel ist, jedem Studierenden die Möglichkeit einer elternunabhängigen Finanzierung der Lebenshaltungskosten durch Darlehen zu eröffnen. BAföG-Bezieher sollen wie bei der bisherigen Förderung die Kredite zu vergünstigten Konditionen erhalten. So wird eine Finanzierung aus einem Guss geschaffen, die den vielen Studierenden, die bislang keinen Anspruch auf BAföG haben, aber auch keine hinreichende Unterstützung von ihren Eltern erhalten können, das Studium erleichtert. Damit wird der Zwang zur Arbeitsaufnahme verringert, was wiederum zu kürzeren Studienzeiten führt. Die Förderung muss allerdings an den Studienfortschritt gebunden werden.
6. Allgemeine Studiengebühren wurden in ihrem Bundesland vor kurzem eingeführt. Wollen Sie an den Gebühren festhalten oder sehen Sie Änderungsbedarf und in welcher Art?
Die FDP lehnt das pauschale Gebührenmodell der CDU ab. Wie bereits gesagt, möchten wir einen Wettbewerb unter autonomen, eigenständig profilierten Hochschulen um die Studierenden herbeiführen, in dem die Qualität der Ausbildungs- und Studienbedingungen entscheidend sein wird. Eine Komponente ist für uns, dass jede Hochschule selbst entscheiden können soll, ob, in welcher Höhe, und für welche Studiengänge sie Studienbeiträge erhebt. Gesetzlich muss festgelegt werden, dass für die Beitragserhebung eine Gegenleistung erbracht werden muss; die Mittel müssen direkt und uneingeschränkt den Hochschulen zufließen, ohne dass die staatliche Grundfinanzierung reduziert wird.
Sie sind zweckgebunden zur Verbesserung von Lehre und Studienbedingungen einzusetzen, wobei die Studierenden sowohl bei Mitteleinsatz als auch bei der entsprechenden Evaluation zu beteiligen sind. Studienbeiträge dienen der Erreichung eines Qualitätsniveaus oberhalb der staatlichen Grundfinanzierung. Klar ist für uns, dass wer mehr bezahlt, auch mehr Leistung bekommen muss. Daraus ziehen wir den Umkehrschluss einer "Geld-zurück-Garantie" bei Schlechtleistung oder Nichterfüllung.
Zur sozialen Abfederung werden wir gleichzeitig breit gefasste soziale Befreiungstatbestände vorgeben; außerdem ist das Stipendienwesen forciert auszubauen und jedem Studierenden einen Anspruch auf einen nachlaufenden Kredit zu gewähren, der nach Ablauf einer Mindestzeit nach dem Studienabschluß nur bei Erzielung eines bestimmten Einkommens zurückzuzahlen ist. Bei herausragenden Studienleistungen kann er erlassen werden. Zudem sollen BAföG-Empfänger diesen Kredit zinsfrei erhalten. Zusätzlich gilt für sie, dass der Höchstbetrag von 15.000,- Euro gilt, auf dessen Höhe die kombinierte Studienkreditschuld aus BAföG und Beitragsdarlehen gedeckelt wird. So soll sichergestellt werden, dass jeder Studierende die Hochschule seiner Wahl besuchen kann. In diesem Rahmen halten wir Studienbeiträge auch für gerecht. Eine Hochschulausbildung kostet viel Geld. In der Regel erhalten Akademiker nicht nur höhere Einkommen im Berufsleben, sondern sie beginnen auch viel später, Steuern und Sozialabgaben zu leisten als Menschen, die nach der Schule einen Lehrberuf ergreifen. Da also die Gesellschaft in erheblichem Maße in junge Studenten investiert, erscheint es uns durchaus angemessen, wenn Sie einen Teil des Profits, den sie daraus ziehen, hinterher auch zurückzahlen, zumal die Zahlungspflicht auch an verbesserte Studienbedingungen gekoppelt ist.
Die Studienbeiträge sollen nach unserem "Drei-Säulen-Modell" der Hochschulfinanzierung nie die staatliche Grundfinanzierung (erste Säule) ersetzen. Als zweite Säule sollen sie den Hochschulen nur eine Möglichkeit geben, weitere Mittel zu generieren, wenn sie entsprechende Leistungen dafür anbieten kann. Diese Möglichkeit steht wiederum neben der dritten Säule, derzufolge die Hochschulen beispielsweise aus einem professionalisierten Wissens- und Technologietransfer (Vermarktung der eigenen Forschungsergebnisse statt Wissenschaft für die Schublade) ein Eigenvermögen aufbauen können sollen, das ebenso wenig auf die Grundfinanzierung angerechnet wird und aus dessen Erträgen erneute Qualitätssteigerungen möglich werden sollen.
7. Im internationalen Vergleich studieren in Deutschland immer noch verhältnismäßig wenige junge Menschen. Was wollen Sie tun, um diesen Umstand zu ändern?
Die Übergangsquote von Schule zur Hochschule, aber auch die Absolventenquote, muss dringend gesteigert werden. Hierüber entscheiden vor allem Qualität und Attraktivität der Studienplätze. Eine weitere Herausforderung in diesem Bereich ist, dass zusätzlich in den nächsten Jahren ein "Studierendenberg" auf die Hochschulen zukommt, der einerseits aus der Geburtenstärke der nächsten Abiturientenjahrgänge und andererseits aus der Verkürzung der Gymnasialzeit resultiert. Hierfür müssen zusätzliche Ausbildungskapazitäten geschaffen werden, die durch den Hochschulpakt 2020 finanziert werden sollen. Entgegen der Absicht der CDU-Alleinregierung müssen sie voll ausfinanziert werden, so dass die Studierenden Bedingungen vorfinden, in denen ein Studium auf hohem Niveau möglich ist. Zudem müssen sie in Fachbereichen geschaffen werden, die dem Bedarf entsprechen.
Weiterhin müssen Ausbildungsbedingungen geschaffen werden, die auch jungen Eltern und Familien ein zielstrebiges Studium ermöglichen.
Nicht zuletzt müssen auch die finanziellen Rahmenbedingungen des Studiums angepasst werden. Dazu zählt, den Studierenden (siehe Frage 6) auskömmliche Mittel für ihren Lebensunterhaltes zur Verfügung zu stellen, der Ausbau des Stipendienwesens, aber vor allem auch die generelle Entlastung der Familien. Würde Arbeitseinkommen in Deutschland nicht mit Abgabenquoten von bis zu über 50% belastet, würde sich auch die finanzielle Situation von Studierenden verbessern. An Ländern mit hohen Studiengebühren kann man sehen, dass es nicht an der Bereitschaft fehlt, Geld in die Ausbildung der eigenen Kinder zu investieren. In Deutschland haben jedoch viele Eltern gar keine Möglichkeit hierzu. Dies gilt es zu ändern. Dazu gehört sowohl die Reform unseres Steuersystems als auch die Senkung der Sozialabgaben. Ferner sollen Anreize dafür geschaffen werden, über "Bildungssparen" Geld für die Investitionskosten einer Studienzeit anzusammeln.
8. Inwiefern halten Sie unser Bildungssystem für gerecht? Was ist Chancengerechtigkeit für Sie, was bedarf es hierfür?
Im Kern halten wir Liberale unser Bildungssystem für gerecht. Dass jedoch Defizite bestehen ist unübersehbar. Obwohl unsere staatlichen Schulen und Hochschulen im internationalen Vergleich sehr geringe bis gar keine Beiträge von Studierenden erheben, haben wir eine zu geringe Studierendenquote (siehe Frage 7). Dies liegt zum Teil bereits in der Schule begründet. Unserem Bildungssystem fehlt die soziale Durchlässigkeit.
In Deutschland entscheidet das Bildungsniveau der Eltern wie in kaum einem anderen Land über das Bildungsniveau der Kinder. Um dem zu begegnen, müssen wir möglichst früh ansetzen. Wir möchten, dass die frühkindliche Förderung bereits in den Krippen und Kitas ansetzt. In diesem Zusammenhang setzen wir uns für die so genannte Kinderschule im Vorschulalter ein. So können Kinder unabhängig von der Situation im Elternhaus die Startchancen erhalten, die sie benötigen. Denn nur, wer früh an Bildung herangeführt wird und sie bereits in jungen Jahren als positiv erfährt, wird auch später zielstrebig vorwärts gehen.
Auf Hochschulebene ist das Problem, durch eine möglichst individuelle Förderung anzugehen. Das bedeutet, es muss nicht mehr die Betreuungsquote allgemein verbessert werden, sondern die Betreuungsangebote müssen mehr auf den Einzelnen zugeschnitten werden. Wir benötigen sowohl individuelle Studienberatung als auch Tutoren- und Mentorennetzwerke.
9. In den letzten Jahren wurde allgemein verkündet, dass die Hochschulen mehr "Autonomie" erhalten sollen. Faktisch bezog sich das vor allem darauf, dass die Hochschulleitungen und externe Gremien wie ein Hochschulrat mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten - auf Kosten von demokratischen Gremien wie dem Hochschulsenat. Auch die Stimme der Studierenden wurde dadurch nicht gestärkt, sondern eher geschwächt. Was halten Sie von Selbstverwaltung und Mitbestimmung an und in Hochschulen? Planen Sie hier Veränderungen?
Die FDP steht für autonome Hochschulen. Die Akteure an den Fachhochschulen und Universitäten wissen besser, wie sie ihre Arbeit zu tun haben, als das Ministerium. Das ist zuständig für die Rechtsaufsicht und die allgemeine Koordinierung, die im wesentlichen über Ziel- und Leistungsvereinbarungen geschieht, die in einer partnerschaftlichen Atmosphäre mit den einzelnen Hochschulen ausgehandelt werden.
Selbständigkeit und Autonomie führen nicht nur zu Flexibilität und Sachnähe; sie bewirken nach unserem Modell vor allem, dass die Hochschulen sich im Wettbewerb untereinander eigenständig profilieren können und müssen. Wettbewerb und das Bedürfnis, sich voneinander abzugrenzen, führen zu Qualitätssteigerungen und Verbesserungen der Studienbedingungen, wie das Beispiel privater Hochschulen zeigt.
Autonomie bedeutet nach unserer Auffassung auch, dass die Hochschulen über ihre Organisationsstruktur selbst entscheiden können müssen. Hierbei wird selbstverständliche akademische Selbstverwaltung als Ausdruck der demokratischen Verfasstheit der Hochschulen bewahrt. Deshalb muss sich die Organisationshoheit der Hochschulen in einem Rahmen halten, der die demokratische Legitimation sicherstellt: Entscheidungskompetenzen müssen eindeutig zugeordnet werden, um klare Verantwortlichkeiten zu schaffen. Das Präsidium ist für das operative Geschäft zuständig, der Senat für die akademischen Grundsatzangelegenheiten und der Hochschulrat wird von uns als Beratungs- und Kontrollgremium gesehen. Die Festlegungen der Binnenorganisation müssen der Beschleunigung und Vereinfachung der Entscheidungsprozesse dienen, der Leistungsorientierung, der Verwaltung und der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit nutzen. So ist einerseits demokratische Verantwortung unter Einbeziehung der Studierenden gesichert, andererseits kann durch die Hochschulräte externe Kompetenz, sei sie aus der Wissenschaft, sei sie aus der Wirtschaft, an die Hochschulen gebunden werden und ihr Wissen und ihre Erfahrungen, auch ihr Praxisverständnis, der Hochschule zugute kommen. Wir streben nach der Landtagswahl eine Reform des Hessischen Hochschulgesetzes an, die diesen Grundsätzen wieder Geltung verschafft.
10. Der Frauenanteil unter Studierenden liegt inzwischen bei fast 50%. Es gibt aber immer noch starke geschlechtsspezifische Unterschiede, welche Fachrichtung studiert wird (z.B. Elektrotechnik und Maschinenbau: nur um die 5% Studentinnen an Universitäten). Welche konkrete Maßnahmen planen Sie daher, um Frauen zu motivieren und zu unterstützen, besonders in den bisher eher "Männerdominierten" Studienfächern ein Studium aufzunehmen?
Die geschlechtsspezifische Verteilung auf einzelne Studiengänge und Fachbereiche ist in erster Linie ein Problem des geschlechtsspezifischen Selbstverständnisses. Zahlen belegen jedoch, dass es einen erfreulichen Trend gibt, dass Frauen zunehmend in die so genannten Männer-Fachrichtungen vordringen. Dieser Trend wird sich bereits aus sich selbst heraus beschleunigen; er muss jedoch weiter gefördert werden, z.B. durch die Teckno-Now-Projekte und Maßnahmen wie die Veranstaltung so genannter "Girls-Days". Zusätzlich knüpft die überwiegende Anzahl staatlicher Fördermaßnahmen im Hochschulbereich an die Geschlechtergerechtigkeit an. Dies begrüßen wir Liberale insofern, als generell die Ausbildung von mehr Akademikerinnen ein probates Mittel gegen den Fachkräftemangel und die Auswirkungen des demografischen Wandels auf unser Sozialsystem ist.
Als ein ebenso schwerwiegendes Problem sehen wir an, wie gering der Anteil von Frauen ist, die eine wissenschaftliche Karriere machen. Hier setzen wir auf Stipendien–, Mentorinnen- und Wiedereinstiegsprogramme. Wichtig sind erneut flexible und familienfreundliche Arbeitsbedingungen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Eltern werden. Als richtig erweist sich auch das FDP-Konzept, Eltern Betreuungsgutscheine zur Verfügung zu stellen. Schließlich ist es auch wichtig, spezielle Beschäftigungsmodelle, z.B. Austauschmöglichkeiten, für dual-career-couples zu schaffen, die in der wissenschaftlichen Gemeinde besonders häufig auftreten. Darüber hinaus unterstützen wir, dass im Rahmen der leistungsorientierten Mittelzuweisung an die Hochschulen Studentinnen und Absolventinnen in den Naturwissenschaften über das Erfolgsbudget besonders honoriert werden, um in den Hochschulen Anreize für ihre Anwerbung und Förderung zu setzen.
11. Im wissenschaftlichen Mittelbau und bei C3- (und noch mehr bei C4-) Professuren ist schließlich ein geringer Frauenanteil offensichtlich - der sogar geringer ist als bspw. in der Türkei. Was wollen Sie unternehmen, damit mehr Frauen eine wissenschaftliche Karriere anstreben, um so letztlich auch zu mehr Professorinnen zu kommen?
Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen.
12. Was bedeutet Geschlechtergerechtigkeit für Sie, ganz allgemein und speziell im Kontext der Bildungspolitik?
Generell und gerade im Bildungskontext bedeute Geschlechtergerechtigkeit, dass der Staat keine Unterschiede nach dem Geschlecht machen darf.
Ungerechtfertigten Ungleichheiten sollte der Staat, wo er dies kann, entgegenwirken. Im Bildungsbereich ist dies auch eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit. Allerdings liegt das Problem zu einem wesentlichen Teil im Bewusstsein der Akteure, z.B. durch anerzogenes Rollenverhalten, begründet. Dem treten wir durch die Förderung von Frauennetzwerken sowie Mentoringprogrammen entgegen. Sie bieten den zumeist benachteiligten Frauen den Weg zu informellen nachrichten- und karriererelevanten Kontakten.
Ein weiteres Problem liegt in der – heute zumeist noch von Frauen wahrgenommenen – Familienverantwortung. Der Staat muss sicherstellen, dass für denjenigen, der dies möchte, Beruf und Familie miteinander vereinbar sind, z.B. durch campusnahe Betreuungseinrichtungen, flexible Arbeitszeitmodelle etc.
13. Es entsteht inzwischen oft der Eindruck, dass das Finanzministerium die anderen Ressorts regiert. Sind Sie der Meinung, Bildungsreformen müssten "kostenneutral" umgesetzt werden und warum sehen Sie das so?
Während der der Regierungsverantwortung der liberalen Wissenschafts- und Kunstministerin Ruth Wagner wurden die Ausgaben für Hochschulen substantiell gesteigert. Die FDP hat ihnen durch den Hochschulpakt langfristig finanzielle Planungssicherheit geboten. Zwischen Ministerium und Hochschulen bestand ein partnerschaftliches Verhältnis. Die CDU-Alleinregierung hat den Hochschulpakt gebrochen. Die Hochschulen mussten auf zugesichertes Geld verzichten und ihr so genannter Hochschulpakt II ist ein reines Verteilmodell nach Kassenlage.
Für die FDP ist klar, dass es ein Erfordernis der Gerechtigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen ist, nachhaltig zu haushalten und möglichst keine Schulden zu hinterlassen. Dennoch setzen wir Schwerpunkte, in denen wir Ausgabensteigerungen für erforderlich halten, wie z.B. in den Bereichen Bildung und Innovation. Für diesen Sektor haben wir uns ein anspruchsvolles Reformprogramm vorgenommen, das auch mit Investitionssteigerungen verbunden sein wird. Zusätzlich möchten wir den Hochschulen aber auch die Möglichkeit geben, durch eigene wirtschaftliche Betätigung, vor allem die Vermarktung eigener Forschungsergebnisse und Kooperationen mit Unternehmen, Eigenvermögen zu erwirtschaften. Dessen Erträge sollen sie wiederum in die Qualität von Lehre und Forschung investieren können.