Studiengebührenboykott in HamburgHfBK und Theaterakademie weiter im Boykott - erste Gespräche mit der Politik
Inzwischen scheint die Einschätzung, eine Exmatrikulation von der HfBK sei in diesem Semester rechtlich nicht mehr möglich (Info der studentischen AG Recht der HfBK), bei den Boykotteuren zu größerer Sicherheit geführt zu haben. Es gibt offenbar auch Anzeichen, dass die Hochschulverwaltung sich in jedem Fall einige Zeit lassen wird, bevor nächste Schritte folgen. Für den Fall, dass tatsächlich Exmatrikulationen ausgesprochen werden sollten, gibt es erste Infos in einem "Boykottleitfaden". Die Hoffnung ist jedenfalls groß, dass Exmatrikulationen erst zum 15. Oktober möglich sein wird oder jedenfalls ein Widerspruch dagegen so lange aufschiebende Wirkung hat.
Am Donnerstag wird es erstmals ein Gespräch zwischen einer Delegation von Boykotteuren und CDU-Bürgerschaftsabgeordneten geben. Dies soll aber nur ein erstes Abtasten darstellen, die Forderung der Studierenden ist unverändert: Abschaffung der Studiengebühren, d.h. ersatzlose Streichung der entsprechenden Paragraphen im Hamburger Hochschulgesetz.
Am Freitag werden die Studierenden der HfBK erneut eine Vollversammlung durchführen (12 Uhr) und unter anderem über die Erkenntnisse aus dem Gespräch mit den Politikern sprechen. Ab 14 Uhr (Start: Uni-Campus) haben dann vor allem Studierende der Uni eine Semesterabschluss-Demonstration gegen Studiengebühren organisiert, an ihr wollen auch die Boykotteure der HfBK teilnehmen.
Auch an der Theaterakademie wird boykottiert - wild
An der Hamburger Hochschule für Musik und Theater wurde kein Treuhandkonto eingerichtet, trotzdem hat sich dort an einem Teil der Hochschule - namentlich an der Theaterakademie - die Mehrheit der Gebühr verweigert. Wie an der HfBK wurden zunächst Mahnungen mit Exmatrikulationsandrohung verschickt. Mehr dazu z.B. im Hamburger Abendblatt.
Inzwischen haben die Boykotteure der Theaterakademie allerdings bereits ein Ein schreiben erhalten, dass Ihre Exmatrikulation zum 14.07. ankündigt. Die Exmatrikulation soll dann ohne weitere Benachrichtigung in Kraft treten – wenn der/die StudentIn nicht bis dahin doch noch zahlt. Es bleibt die Frage offen, ob diese Exmatrikulation so rechtens ist (vgl. oben HfBK).
Wie es weitergeht, wollen die Studierenden am 11. Juli auf einer Vollversammlung (20 Uhr) beschließen.
Wie es dazu kam - Der Boykott in Hamburg
HAW, TU, Uni
An der HAW Hamburg mussten die Gebühren früher als an den anderen Hochschulen gezahlt werden. Damit der Boykott dort zustande gekommen wäre, hätten bis zum 30. April um 24 Uhr die Gebühren statt auf das Konto der Hochschule auf das Treuhandkonto eingezahlt werden. Das Konto der Boykottinitiative wurde dabei von einem Rechtsanwalt treuhänderisch verwaltet.
Am 30. April um 11:30 Uhr gab es eine HAW-weiten Vollversammlung in der Aula Maschinenbau. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich 2735 Boykottwillige beteiligt. Bis um Mitternacht und endgültigem Schluss der Frist wurden es noch 2813. Das sind zwar über 25% der zahlungspflichtigen Studierenden, an der HAW wurde aber leider eine Mindestbeteiligung von ca. 33% der zahlungspflichtigen Studierenden (3210) festgelegt. Bezogen auf alle immatrikulierten Studierende lag die geforderte Quote bei ca. 26%, erreicht wurden ca. 23%. Zum Vergleich die Ergebnisse und Quoren anderer Boykottversuche.
An der Uni Hamburg wurden am 30.04. erstmals der Stand des dortigen Treuhandkontos bekannt gegeben. Immerhin 370 Studierende hatten schon auf das Konto überwiesen, am 21. Mai waren es 1339, am 6. Juni 3845. Am 8. Juni immerhin schon 4711. 10.000 hätten es allerdings bis zum 14. Juni noch werden müssen, mit 6078 reicht es nicht – auch wenn dies schon ein deutliches Zeichen ist.
An der TU Harburg kommt ein Boykott mit 725 TeilnehmerInnen ebenfalls nicht zustande, es hätten 1333 teilnehmen müssen. Und auch die Studierenden der HCU erreichen mit 403 BoykottteilnehmerInnen nicht das selbst gesetzte Ziel von 630.
HfBK (Entwicklung bis Ende Juni 2007, neuere Entwicklungen sind am Anfang des Artikels zu finden)
An der HfBK wurde das Quorum - um das es einige Verwirrungen gab - zum Stichtag erreicht. Die Verwirrungen entstanden dadurch, dass die Zahl der zahlungspflichtigen Studierenden nur schwer von der Verwaltung zu bekommen war. Zuletzt hieß es offenbar von Seiten der Verwaltung, dass ca. 550 Studierende der für das Sommersemester rückgemeldete Studierenden zahlungspflichtig seien, so dass das Quorum letztlich bei der VV am 13.06. auf 275 festgesetzt wurde.
Die Hochschulverwaltung kannte zunächst kein Erbarmen: Sie hatte, wie es das Gesetz verlangt, Mahnungen an die säumigen GebührenzahlerInnen versandt. Zwei Wochen Frist wurden gesetzt, danach würden sie exmatrikuliert. Was aber in diesem Semester wohl gar nicht mehr möglich ist – glaubt man den Infos der AG Recht der Boykotteure ("Die Anwälte [gemeint sind Martin Klingner und Joachim Schaller, die Redaktion] haben beide zugesichert, dass eine Exmatrikulation in diesem Semester vor keinem Gericht Bestand haben wird.")
Wenn die Studierenden bei ihrem Boykott bleiben und schließlich tatsächlich exmatrikuliert würden, wäre die Hochschule nicht mehr, was sie war: Weniger als die Hälfte der Studierenden wären noch übrig. Das hat die ProfessorInnenschaft - unter Ihnen der bekannte Regisseur Wim Wenders - dazu veranlasst, Ende Juni an Wissenschaftssenator Dräger zu appellieren, doch eine Ausnahme zu machen. An den meisten anderen Kunsthochschulen in Deutschland würden keine Studiengebühren verlangt.
Die Studierenden wollten hart bleiben und haben am 27. Juni im Anschluss an eine Vollversammlung angekündigt, dass auch die übliche Jahresausstellung der Hochschule ausfallen wird. In der Pressemitteilung dazu erklären sie: "Wir, die Studierenden, stellen unsere privaten Interessen - das Zeigen von eigenen Arbeiten und der daraus möglicherweise resultierenden Karrierechancen - zugunsten der Stärkung unserer Forderungen nochmals zurück."
Und weiter: "Wir fordern, unsere Hochschule aus dem Hamburger Hochschulrahmengesetz herauszunehmen, weil sich die darin enthaltenen Festschreibungen wie die Einführung von Studiengebühren und Bachelor/Master im Gegensatz zu unseren Vorstellungen eines freien Studiums befinden. Wir fordern Bedingungen in denen kritisches und selbstbewusstes Denken und Handeln, sowie ein interessiertes Forschen ermöglicht beziehungsweise gefördert wird."
Die Jahresausstellung kam dann doch zustande, wurde aber vor allem zu einem Statement gegen Gebühren (vgl. Flyer dazu - Seite 1, Seite 2).
Wo, wie, was ...
Unterstützt werden die Boykott-Bemühungen u.a. von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hamburg, siehe z.B. hier. Details zu den einzelnen Hochschulen fasst folgende Tabelle zusammen, die Hochschulnamen sind jeweils mit den lokalen Webseiten zum Thema verlinkt. Wer die Idee eines Gebührenboykotts noch nicht (gut) kennt, kann sich zunächst mittels des Artikels Studiengebühren boykottieren? informieren.
An allen Hochschulen in Hamburg (außer der HAW - dort ist der Boykott schon vorbei, siehe am Ende dieses Artikels) lief die Frist zur Erreichung der Boykottquoren bis 15. Juni (Auszählung; Einzahlungen möglichst bis 11. Juni, danach nur noch als Eilüberweisung!). Dadurch ist jeweils gewährleistet, dass im Falle eines Scheiterns das Geld rechtzeitig an die Hochschulen weitergeleitet wird und somit die Gebühr dann doch bezahlt wird.
Zum Verlauf an der HAW (bei der das Quorum schon Ende April hätte er gibt es nach der Tabelle noch einen kurzen Bericht.
Hochschule | Quote | Stichtag/ |
Uni | 10.000 (ca. 26%) | 6078 |
TU Harburg | 1333 (ca. 30%) | 725 |
HAW | 3210 (ca. 27%) | 2813 |
HCU | 630 (ca. 30%) | 403 |
HfBK | 275 | 292 |
Alle Angaben ohne Gewähr! Korrekturen+Ergänzungen gerne per Mail-Formular.
Und was auch noch war: "Maulkorberlass"
Bezeichnend ist, dass Ende März 2007 ein "Maulkorberlass" der Präsidentin der Uni Hamburg bekannt geworden ist (Stellungnahmen dazu gibt es z.B. vom BdWi und der GEW Hamburg). Demnach hat die Universitäts-Präsidentin Auweter-Kurtz alle Mitglieder der Fakultäten (ProfessorInnen, Wissenschaftliche MitarbeiterInnen, Verwaltungspersonal und Studierende) davor gewarnt, Medienanfragen ohne Einbeziehung der Pressestelle zu beantworten. Explizit genannt wird auch das Thema Studiengebühren. Die Uni soll nach Ansicht ihrer Präsidentin "einheitlich nach außen auftreten". Vom Recht auf freie Meinungsäußerung hat sie offensichtlich noch nichts gehört.
Inzwischen gibt es sogar Berichte (z.B. in der taz Hamburg], dass eine Dozentin Ihren Lehrauftrag möglicherweise wegen kritischer Äußerungen in einem TV-Beitrag verloren hat.
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