HochschulpolitikMinister drohen Studiengebühren-Boykotteuren
Aktuell hat sich vor allem Frankenberg, Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg, zu Wort gemeldet. Denn in den nächsten Tagen werden wohl viele Studierende in Baden-Württemberg den Gebührenbescheid über die Studiengebühren erhalten. Da möchte der Minister gleich dafür sorgen, dass das Geld nicht etwa auf die Treuhandkonten überwiesen wird, die an einigen Hochschulen schon eingerichtet sind oder bald eingerichtet werden.
Richtig ist durchaus, dass man als BoykotteurIn potentiell exmatrikuliert werden kann. Vor der Zwangsexmatrikulation wegen nicht gezahlter Gebühren muss die Hochschule jedoch eine Mahnung verschicken und eine weitere Frist setzen. Dadurch gewinnen die Boykotteure in jedem Fall Zeit. Natürlich wird die Politik öffentlich immer erklären, dass alle so schnell wie möglich exmatrikuliert werden, die die Gebühren nicht zahlen. Dass das so schnell aber gar nicht geht, wird dabei verschwiegen. Denn am liebsten wäre es den Ministern natürlich, ein Boykott würde wegen mangelnder Beteiligung gar nicht erst zustande zu kommen. Allein deswegen wird schon jetzt gedroht.
Studienbeitragsdarlehen in Baden-Württemberg am unsozialsten
Die Wissenschaftsminister in der Ländern mit beschlossenen Studiengebühren betonen immer wieder, dass durch die angebotenen Studienbeitragsdarlehen keineR vom Studium abgehalten werden würde. Und es gebe doch weitere Ausnahmen z.B. für Kindererziehung.
Dass Verschuldung aber gerade Menschen aus finanzschwachen Familien zweimal überlegen lässt, ob ein Studium wirklich das richtige ist, wird dabei vollkommen übersehen. Da in allen Bundesländern die Darlehen verzinst werden, kann je nach Zinsentwicklung noch einiges zu den eigentlichen Gebühren dazu kommen.
Baden-Württemberg bietet dabei besonders schlechte Konditionen: Die Zinsen für das Studienbeitragsdarlehen sollen aktuell 7,2% betragen - so viel wie nirgendwo sonst. In Bayern, Niedersachsen und NRW liegen die Zinsen zur Zeit unter 6%. Erschwerend kommt hinzu, dass es in Baden-Württemberg im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern auch keinerlei Höchstgrenze für den Zinssatz geben soll.
Wenn Baden-Württemberg also durch seinen Zinssatz negativ hervorsticht, so sind die Darlehen der anderen Länder trotzdem nicht wirklich gut. In Niedersachsen beispielsweise gibt es zwar - wie fast überall - eine Schuldenobergenze von 15.000 Euro (bezogen auf Schulden aus Studiengebühren und BAföG-Staatsdarlehen). Diese Grenze wird aber nur bei Rückzahlungsbeginn wirksam. Da auch danach Zinsen anfallen, werden einige auch mehr als 15.000 Euro Schulden zurückzahlen müssen.
Nordrhein-Westfalen wiederum hat zwar eine Schuldenobergrenze von 10.000 Euro (1000 Euro pro studiertem Semester, in dem Gebühren zu zahlen waren), so dass Menschen, die viel BAföG bekommen, keine Studiengebühren zahlen müssen. Sie müssen dazu allerdings formal das Darlehen erst einmal aufnehmen. Wer allerdings gerade kein BAföG bekommt und nach dem Studium wenig verdient, darf schon ab 960 Euro Einkommen die Schulden zurückzahlen - in allen anderen Ländern ist das Mindesteinkommen, ab dem zurückzuzahlen ist, mindestens 100 Euro höher.
Werden genügend Studierende sich an den Treuhandkonten beteiligen?
Gründe, Studiengebühren abzulehnen, gibt es genug. Ob allerdings die Studierenden mutig genug sein werden, diese Ablehnung auch durch einen Boykott zu zeigen, also ihr Geld auf die Treuhandkonten überweisen?
Eine Umfrage auf Studis Online kann hoffnungsfroh stimmen - 46% sagten, sie würden sich "auf jeden Fall" an einem Boykott beteiligen. Mit den "eher ja" und "vielleicht"-Stimmen sind 74% für einen Boykott, nur 23% waren aus Angst - oder weil sie Studiengebühren okay finden - nicht für einen Boykott.
Wobei jede Umfrage im Internet nicht wirklich repräsentativ sein kann ...
Zum Stand der Dinge siehe den Artikel Studiengebührenboykott 2007: Erfolge und Misserfolge, er wird regelmäßig aktualisiert berichten.
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