HochschulpolitikStudiengebührenboykott kommt in Fahrt
Die Idee des Boykotts ist simpel: Wenn 25% oder 30% sich durch Zahlung der Gebühren auf ein Treuhandkonto im Prinzip bereit erklären, die Gebühren zu boykottieren, wird der Boykott tatsächlich durchgeführt. Die Beteiligten haben so die Sicherheit, dass sie nicht allein sind. Weiterhin geht man davon aus, dass dieses Signal dazu führt, dass die Politik doch umdenkt. In jedem Fall aber dürfte es Zeit für Verhandlungen geben - die Hochschulen werden nicht auf einen Schlag so viele Studierende verlieren wollen.
Kommt die vorher festgelegte Beteiligungsquote jedoch nicht zustande, wird das Geld vom Treuhänder direkt an die Hochschule weitergeleitet. Der Boykott ist dann zwar gescheitert, die Beteiligten haben es aber wenigstens versucht und können sicher sein, dass mit der Rückmeldung dann nichts schief laufen kann.
An einigen Hochschulen kommt offenbar kein Boykott zustande - meist weil die jeweilige Studierendenvertretung die Idee nicht bzw. nicht ausreichend unterstützen will. Nun sollte allerdings die Ablehnung eines Boykotts an einer Hochschule nicht von anderen als Grund zum Aufgeben gesehen werden. Ein schlecht organisierter Boykott, der mit schlechter Quote scheitert, ist später vielleicht schlimmer, als gar kein Boykott. Es sollte schon eine positive, von vielen getragene Stimmung da sein. Natürlich kann die manchmal auch erst erzeugt werden - aber das ist schon deutlich schwerer ...
Die Lage in den Ländern
Relevant ist ein Boykott natürlich nur in den Bundesländern, in denen im Sommersemester 2007 allgemeine Studiengebühren erhoben werden sollen. Dies sind Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. In Hessen und dem Saarland sind Gebühren erstmals im Wintersemester 2007/2008 fällig, in Hessen werden gerade Unterschriften für eine Verfassungsklage gegen Studiengebühren gesammelt. In Bremen und Rheinland-Pfalz mit ihren Beschlüssen zu Gebühren für nicht im Land lebenden Studierende bleibt wahrscheinlich der juristische Weg der beste.
In Baden-Württemberg hat sich die Landes-ASten-Konferenz für einen Boykott ausgesprochen. Bei ihrer Sitzung in Tübingen waren alle anwesenden VertreterInnen einstimmig dafür. Nun müssen die einzelnen Hochschulen jeweils den Boykott vor Ort organisieren. Neben den Freiburgern (Uni+PH) haben sich inzwischen die Studierenden der Hochschule für Musik in Karlsruhe, der Uni Karlsruhe sowie der Uni Tübingen für die Teilnahme ausgesprochen. An der Uni Karlsruhe waren um die 2000 Studierende bei der Vollversammlung dabei - über 10% der Studierenden.
An anderen Hochschulen scheint es gerade nicht so viele Aktive zu geben, die den Anfang machen und eine Vollversammlung organisieren. An der Uni Stuttgart soll es immerhin am 4.12. ein Treffen Interessierter geben.
In Hamburg könnte der Boykott dadurch begünstigt werden, dass die Studiengebühren möglicherweise erst mitten im Semester bezahlt werden müssen. Gerüchteweise soll es Schwierigkeiten mit der Umsetzung des Gebührengesetzes geben, so dass eine solche "Lösung" Ergebnis sein könnte. Damit wäre die Frist länger und die Gefahr der Exmatrikulation deutlich geringer - die Studierenden würden auf jeden Fall erst einmal zurückgemeldet.
An der Uni Hamburg unterstützt der AStA den Boykott jedoch nicht (von Einzelpersonen vielleicht abgesehen). Da aber die Fachschaftsrätekonferenz und nicht im AStA vertretenen Gruppierungen die Organisation tragen, wird es einen Boykott geben. Der Beschluss dazu wurde auf einer mit ca. 1500 Studierenden gut besuchten Vollversammlung gefasst. An der Hafen City Uni und an der TU Hamburg-Harburg ist der Boykott dagegen von den Studierendenvertretungen selbst unterstützt. Auch die HAW sowie die Hochschule für bildende Künste (HfbK) sollen einen Boykott planen, hierzu liegen uns bisher aber keine weiteren Infos vor.
In Niedersachsen ist ein Boykott an der TU Braunschweig (am 23.11. von einer VV mit 1000 Studierenden beschlossen), an der Uni Lüneburg (am 23.11. gab es schon die zweite VV, auf der weitere Details beschlossen wurden, das Quorum liegt bei 25%) und der Uni Hannover beschlossen. An der Uni Hannover wurde am 30.11. bereits das Treuhandkonto eröffnet.
Gescheitert ist dagegen ein Boykott in Göttingen. Bei einer dazu durchgeführten Urabstimmung beteiligten sich nicht genügend Studierende - u.a. auch deswegen, weil der AStA selbst wenig für einen Boykott motiviert zu sein scheint (oder in Teilen ganz ablehnt).
In Nordrhein-Westfalen scheint die Lage an einigen Hochschulen weniger euphorisch. Nach vielen Protesten in den letzten Jahren scheint die Luft etwas heraus.
An der Uni Bonn waren lediglich 300 Studierende zu einer VV gekommen. Diese sprachen sich zwar mit großer Mehrheit für einen Boykott aus, der AStA hat inzwischen aber erklärt, er wollen keinen Boykott organisieren, er sehe nicht ausreichende Unterstützung bei den Studierenden. Ob trotzdem von einer anderen Gruppe ein Boykott organisiert wird, soll am 6.12. bei einem Treffen besprochen werden.
Politik und Hochschulen versuchen Angst zu streuen - und was sonst noch hindert
Die Politik und Hochschulverwaltungen reagiert mit den - schon bei früheren Boykottversuchen üblichen - Einschüchterungsversuchen. Wer boykottiert, wird exmatrikuliert, heißt es. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn jede Exmatrikulation muss schriftlich mit Fristsetzung angedroht werden. Alle Hochschulen warten sowieso nach Ablauf der Rückmeldefrist noch ein paar Tage, bevor sie die ersten Androhungen verschicken. Erst nach Ablauf dieser Frist wird es wirklich gefährlich. Ein kleiner Nachteil sei nicht verschwiegen: Die Hochschule kann eine zusätzliche, allerdings nur geringe, Mahngebühr verlangen, wenn die reguläre Rückmeldefrist abgelaufen ist.
Insofern ist die Teilnahme am Boykott bis zu diesem Punkt fast ohne jedes Risiko möglich. Natürlich sollten die Leute dann auch weiter dabei bleiben und nicht das Geld zurückziehen. Aber warum nicht auf jeden Fall zumindest so weit mitmachen? Ob genug Studierende zumindest soweit überzeugt werden können, wird in den nächsten Wochen die entscheidende Frage sein.
Und: Wie schon die letzten Boykott-Versuche gezeigt haben (vgl. den ersten Artikel zum Boykott 2007 vom 13.11.2006), scheinen erst einmal alles abzuwarten, ob denn genug anderen einzahlen. Dabei ist doch gerade das Treuhandkonto und die beschlossene Mindestbeteiligung Garantie dafür, dass man nicht am Ende der Dumme ist, der allein exmatrikuliert wird. Der Boykott kommt ja nur zustande, wenn genug mitmachen. Also sollte man schon bald einzahlen - und damit die etwas mehr Zweifelnden mitreißen ...
Hochschulen, an denen ein Boykott beschlossen wurde (oder eine Entscheidung demnächst fallen soll)
Siehe aktuelleren Artikel.
Weitere Infos und Hintergründe
- Studiengebühren boykottieren? (Artikel vom 13.11.2006 mit der Grundidee eines Gebührenboykotts und ein wenig Geschichte, also Erfahrungen von früheren Boykotten)
- boykottinfo.de (Bundesweite Seite zum Gebührenboykott mit Links zu den lokalen Initiativen)
- Stand der Dinge in Sachen Studiengebühren (Übersicht von Studis Online, ständig aktualisiert)