ProtestStudiengebühren boykottieren?
In sieben Bundesländern (siehe hier) sind Studiengebühren beschlossen. Ab kommenden Sommer- oder Wintersemester müssen in diesen Ländern fast alle Studierenden zahlen. Die Proteste gegen die Studiengebühren hielten zwar in Hessen fast durchgehend an - auch nach dem Beschluss am 5. Oktober . In anderen Bundesländern schien den Protesten dagegen ein wenig die Luft auszugehen.
Die Boykott-Idee
Grundidee eines Gebührenboykotts ist es, dass die Studiengebühren einfach nicht an die Hochschule bezahlt werden. Stattdessen soll das Geld auf ein Treuhandkonto überwiesen werden. So lässt sich die Beteiligung messen. Ist sie hoch genug, gehen die Beteiligten davon aus, dass die Hochschule (und die Politik) es nicht wagt, die boykottierenden Studierenden zu exmatrikulieren. Sollten sich nicht genügend Studierende beteiligen (was "genügend" ist, wird vor Beginn der Aktion festgelegt), wird das Geld als Service für die TeilnehmerInnen direkt an die Hochschule überwiesen.
Logo der Webseite zur bundesweiten Boykott-Aktion |
Vor dem Boykott wird zumeist eine absolute Mindestzahl der am Boykott teilnehmenden Studierenden festgelegt. Sie wird auf Grundlage der im vorangegangenen Semester eingetragenen Studierenden ermittelt. Denn zur Zeit des Boykotts kann es sich als schwierig herausstellen die Zahl der Studierenden im aktuellen Semester zu erhalten.
Reicht eine Beteiligung von 25%?
Manch einer mag eine Beteiligung von 25% gering finden. Es gibt aber einige Gründe dafür, nicht wesentlich höhere Quoten zu fordern - wenn es überhaupt zum Erfolg kommen soll.
Grundlage der Quote sind die mehr oder weniger aktuellen Studierendenzahlen. Diese umfassen immer auch Erstsemester und baldige AbsolventInnen. Erstere können sich an einem Boykott schwerlich beteiligen - um überhaupt immatrikuliert zu werden, ist es unumgänglich, die verlangten Gebühren zu bezahlen. Man kann dies zwar unter Protest tun, wer nicht zahlt, hat aber definitiv keinen Studienplatz. Dann gibt es diejenigen, die ihr Studium beenden werden - warum sollten sie 500 Euro auf ein Treuhandkonto überweisen (und bei Misserfolg der Aktion riskieren, dass ihr Geld weg ist, weil es an die Hochschule überwiesen wird)? Durch diese beiden Gruppen fallen jedenfalls schon vielleicht ein Viertel weg.
Dann gibt es noch einige Leute, die im Auslandssemester sind oder aus anderen Gründen (z.B. Praktikum) nicht an der Hochschule anwesend sind. Sie sind schwer erreichbar und können als TeilnehmerInnen nur begrenzt eingeplant werden. Ebenso ist es für ausländische Studierende aus nicht-EU-Ländern wegen der - meist am Studienplatz hängenden - nötigen Aufenthaltsgenehmigung wirklich riskant, am Boykott teilzunehmen.
So verbleiben schließlich von 100% gar nicht so viel mehr als 50%, die als Teilnehmer in Frage kommen könnten. Dass hier wiederum einige aus Angst nicht mitmachen, dürfte ebenso einleuchten wie die Tatsache, dass es natürlich auch einige gebührenbefürwortende Studierende gibt, die grundsätzlich gegen einen Boykott eingestellt sind. Von daher ist man mit einer Quote von 25% Beteiligten gut bedient.
Übrigens: 1997 beim Boykott der Rückmeldegebühren in Baden-Württemberg hatten einige Hochschulen Beteiligungsquoten von über 25% oder sogar 30% erreicht. Nur war dummerweise bei diesen die nötige Quote vorher auf 33% oder gar 50% festgelegt worden ...
Werden die Studierenden mutig genug sein?
Die PH und die Uni Freiburg haben in dieser Woche auf Vollversammlungen bereits den Boykott der Gebühren beschlossen. Er soll durchgeführt werden, wenn sich jeweils ca. 25% der Studierenden beteiligen. Pflichtschuldig hat die Uni Freiburg daraufhin schon mit Exmatrikulation gedroht, wenn die Gebühr nicht pünktlich bezahlt wird.
Das erinnert an den Psychokrieg beim Boykott der Verwaltungskostenbeiträge 1997 in Baden-Württemberg. Natürlich werden Hochschulen und Regierung erst einmal drohen. Denn am einfachsten für sie wäre es, wenn die Studierenden aus Angst vor Repressalien gar nicht erst an einem Boykott teilnehmen.
Natürlich besteht eine gewisse Gefahr, bei Durchführung des Boykotts exmatrikuliert zu werden. Aber dazu müsste ja überhaupt erst die Quote erreicht werden. Erst dann wird es wirklich spannend. Warum also nicht erst einmal mitmachen? Abbrechen kann man persönlich immer noch (die Treuhandkonten werden von einem Anwalt - dem Treuhänder - verwaltet, der auf Wunsch des Teilnehmers das Geld auch wieder auszahlt). Eine Exmatrikulation kommt nicht sofort am Tag nach Ende der Rückmeldefrist. Zunächst muss die Hochschule nämlich eine Mahnung verschicken. Das dauert - denn schon aus Ersparnisgründen wartet die Hochschule in jedem Fall ein paar Tage nach Ende der Rückmeldefrist ab, ob nicht noch Gelder eintreffen. Und auch dann muss erst noch eine weitere Frist gesetzt werden.
An der Uni Karlsruhe war es 1997 beim Boykott der Rückmeldegebühren so, dass zum Ende der Rückmeldefrist die Quote für den Boykott (ca. 33%) nicht erreicht wurde. Schon bei der Uni eingegangen war das Geld aber auch nur von weniger als 50%. Viele hatten also bis zum Stichtag weder auf das Boykott-Konto, noch an die Uni überwiesen - schade eigentlich. Die Überweisung an die Uni haben die meisten aber noch nachgeholt, mehr Exmatrikulationen als sonst (vor allem "Karteileichen") gab es trotzdem nicht. Sofort exmatrikuliert eigentlich keine Hochschule. Der Aufwand wäre viel zu hoch - erst mal wird abgewartet, ob das Geld doch noch kommt.
Viel Überzeugungsarbeit nötig
Von denjenigen abgesehen, die Studiengebühren per se gut finden und deswegen für den Boykott nicht zu gewinnen sind, wird die entscheidende Frage sein, ob sich genügend Leute mit Elan an die Überzeugungsarbeit der Zweifelnden machen. Also derjeniger, die Gebühren nicht so gut finden, aber irgendwie auch nicht so ganz schlecht.
Vor allem geht es darum, die zu erreichen, die Studiengebühren auf jeden Fall schlecht finden, aber Gründe haben könnten, warum sie besonders ängstlich sind, sich am Boykott zu beteiligen.
Ein Beispiel: BAföG-BezieherInnen mögen einen Boykott besonders riskant finden, weil sie Angst haben könnten, mit Semesterbeginn ohne Geld dazustehen. Auf BAföG besteht ja nur Anrecht, wenn man regulär immatrikuliert ist. Genauer betrachtet besteht dieses Problem aber nicht - jedenfalls nicht sofort. Bis zum Ende des Wintersemesters gibt es mit dem BAföG sowieso kein Problem. Die Rückmeldefrist (und damit auch der Stichtag für den Eintritt in den Boykott) ist jedoch schon Wochen vorher. Auch eine Exmatrikulation kommt nicht sofort, wenn die Gebühr nicht bezahlt wurde. Von daher könnte zumindest eine zeitlang ohne wirklich große Gefahr mitgemacht werden.
Ob die Boykott-Idee sich wirklich ausreichend durchsetzten wird? Viel wird davon abhängen, ob sich bald eine ausreichende Zahl von UnterstützerInnen findet und die Treuhandkonten schnell Zahlen aufweisen, die Zweifelnde mitziehen.
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